Enzyme: Die Verwandlung von Stärke in Zucker
Die Umwandlung von pflanzlicher Stärke in verschiedene Zucker ist ein wichtiger Zweig der Stärkeindustrie und zugleich eines der wirtschaftlich bedeutendsten Anwendungsfelder der Gentechnik. Unzählige Lebensmittel enthalten Zutaten, die aus der Stärkeverzuckerung hervorgegangen sind. Die zentrale Rolle in diesem Prozess spielen Enzyme - und diese werden überwiegend mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt.
Alle Pflanzen bestehen zu einem mehr oder weniger großen Anteil aus Stärke, die aus verschiedenen, chemisch miteinander verbundenen Zuckern zusammengesetzt ist. Werden deren Bindungen gelöst, zerfällt die Stärke in die einzelnen Zuckerbausteine. Auf diese Weise können süße Zucker nicht nur aus Zuckerrohr und Zuckerrüben, sondern auch aus pflanzlicher Stärke gewonnen werden. Dies geschieht heute großtechnisch im Prozess der Stärkeverzuckerung.
Im Prinzip kann jede stärkehaltige Pflanze als Rohstoff für diesen Prozess verwendet werden. In Nord- und Südamerika ist es vorwiegend Mais, in Europa vor allem Kartoffeln und Weizen.
Mussten früher starke Säuren eingesetzt werden, um die Stärke in einzelne Zucker aufzutrennen, nutzt man heute fast nur noch Enzyme. Sie bieten eine Reihe von Vorteilen: Da Enzyme die verzweigten Stärkemoleküle an ganz bestimmten Stellen aufspalten, lässt sich der Verzuckerungsprozess gezielt steuern. So erhält man verschiedene Stärkesirupe, die sich in ihrer Süßkraft, aber auch in ihren technologischen Eigenschaften unterscheiden.
Diese Sirupe (Maltosesirup, Glukossirup, Isoglukose) werden nicht nur als maßgeschneiderte Süßungsmittel in unzähligen Lebensmitteln und Getränken verwendet, sondern auch weiterverarbeitet zu Traubenzucker (Glukose), sowie verschiedenen Zutaten (z.B. Dextrine) und Zusatzstoffen (Maltol), darunter Zuckeraustauschstoffe (Sorbit, Xylit) oder Fettersatzstoffe wie etwa Polydextrose.
Lange Zeit war die Stärkeverzuckerung wirtschaftlich kaum interessant. Dies änderte sich, als die zur Stärkespaltung benötigten Enzyme mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen billig, in unbegrenzten Mengen und in der notwendigen Qualität hergestellt werden konnten. Inzwischen wird die Hälfte der aus Pflanzen isolierten Stärke (75 Mio. t/Jahr) enzymatisch verzuckert.
Komplizierte Sirupe. Die Sirupe, die aus der Stärkeverzuckerung hervorgehen, bestehen aus Glukose (Traubenzucker) und Fruktose (Fruchtzucker) in unterschiedlicher Zusammensetzung.
Glukose-Fruktose-Sirupe haben einen Fruktose-Gehalt zwischen 5 und 50 Prozent.
Bei Fruktose-Glukose-Sirupen liegt der Fruktose-Gehalt über 50 Prozent.
Beide Sirup-Typen werden in Europa auch als Isoglukose bezeichnet.
In den USA haben die Sirupe in der Regel einen Fruktosegehalt von 42 oder 55 Prozent (Bezeichnung: High Fructose Corn Syrup, HFCS).
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Drei Schritte - Enzyme sind immer dabei
Der Prozess der Stärkeverzuckerung verläuft in drei Stufen. In jeder spielen bestimmte Enzyme die entscheidende Rolle.
- Stärkeverflüssigung: In der ersten Stufe wird die Stärke in verschiedene Zuckereinheiten gespalten. Es entsteht Maltodextrin, ein Gemisch aus Maltosen (Malzzucker) und Dextrinen (Zwischenform zwischen Stärke und Dextrose). Als Enzyme werden verschiedene Amylasen eingesetzt.
- Stärkeverzuckerung: Die Maltodextrine werden nun in einem mehrstufigen Prozess in verschiedene Einfachzucker (Monosaccharide) aufgespalten, etwa Dextrose (Traubenzucker), Glukose- und andere süße Sirupe. Durch eine entsprechende Prozesssteuerung können ihre jeweiligen technologischen Eigenschaften - etwa Kristallisationsneigung, Bräunungsverhalten, Viskosität - maßgeschneidert werden. Auch deswegen hat Glukosesirup in vielen Süß- und Backwaren den herkömmlichen Zucker ganz oder teilweise ersetzt, trotz seiner gegenüber weißem Haushaltszucker (Saccharose) geringeren Süßkraft. In dieser Stufe werden verschiedene Enzyme wie Glucoamylase und Pullulanase genutzt.
- Isomerierung: Das Enzym Glukose-Isomerase wandelt einen Teil der Glukose in Fruktose (Fruchtzucker) um. Nach mehrmaligem Prozessdurchlauf steigt der Fruktosegehalt und damit die Süßkraft immer weiter an - bis der Sirup - in Europa auch als Isoglukose bezeichnet - die Süßkraft des traditionellen Zuckers erreicht oder gar übertrifft. In den USA hat dieser High Fructose Corn Syrup (HFCS), das wichtigste Produkt der Maisstärkeindustrie, den Zucker vor allem bei Limonade und Softdrinks weitgehend verdrängt.
Gentechnik: Stärke und Enzyme
Bei Stärkeverzuckerungsprodukten, die als Zutaten und Zusatzstoffe in vielen Getränken und Lebensmitteln verwendet werden, sind Anwendungen der Gentechnik sowohl beim Rohstoff Stärke wie bei den stärkespaltenden „Werkzeugen“, den Enzymen, möglich.
- Pflanzliche Stärkequelle: Als pflanzliche Stärkelieferanten kommen vor allem Mais, Kartoffeln und Weizen in Frage. Bei Mais werden in vielen Ländern gv-Sorten großflächig angebaut, in Europa nur in Spanien und Portugal. Maisstärke kann zu bestimmten Anteilen aus gv-Mais stammen, vor allem wenn Mais aus den USA, Argentinien oder Brasilien verwendet wurde.
- Enzyme: Die meisten in der Stärkeverzuckerung eingesetzten Enzyme werden biotechnologisch unter Einsatz gentechnisch veränderter Mikroorganismen gewonnen.
Bei den Amylasen, Glucoamylasen, Pullulanasen und Glukose-Isomerasen sind die weitaus meisten in der EU kommerziell eingesetzten Präparate mit Hilfe gentechnisch veränderte Mikroorganismen hergestellt. Es sind jedoch auch Produkte erhältlich, die biotechnologisch produziert werden, also mit Mikrorgansimen, die nach der gesetzlichen Definition nicht als (GVO) eingestuft sind.
Es ist davon auszugehen, dass Zutaten und Zusatzstoffe, die aus der Stärkeverzuckerung hervorgegangen sind, im Regelfall zumindest indirekt unter Nutzung gentechnisch veränderter Organismen hergestellt wurden. Diese Anwendungen der Gentechnik fallen jedoch nicht unter die gesetzliche Kennzeichnungspflicht.