Neue Kartoffeln: Weniger Acrylamid, keine Braunfärbung - und auch noch krankheitsresistent
In den USA ist seit 2015 eine Gentechnik-Kartoffel auf dem Markt, die vor allem den Verbrauchern Vorteile bringen soll: Kartoffeln, die robuster sind, länger frisch bleiben und beim Erhitzen und Frittieren weniger Arcylamide entstehen lassen. Neuere Varianten dieser Kartoffel sind zusätzlich resistent gegen die Kraut- und Knollenfäule, eine weltweit gefürchtete Kartoffelkrankheit. Inzwischen ist es möglich, Kartoffeleigenschaften auch mit den neuen Genome Editing-Verfahren zu verändern. Wenn die Kartoffeln am Ende kein fremdes Genmaterial enthalten, gelten sie in den USA und vielen anderen Ländern nicht mehr als gentechnisch veränderter Organismus und dürfen ohne Auflagen vermarktet werden.
Innate-Kartoffeln der 1.Generation sind in den USA bereits in vielen Supermärkten unter dem Markennamen „White Russet“ erhältlich. In einer offensiven Marketingstategie werden ihre besonderen Vorteile herausgestellt.
Foto und großes Foto oben : J.R.Simplot Company
French Fries sind beliebte Kartoffelprodukte in den USA. In den gv-Kartoffeln wird die Bildung von Stoffen reduziert, die bei Verarbeitung unter hohen Temperaturen zu gesundheitlich problematischen Acrylamiden umgewandelt werden können.
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Die neuen Kartoffeln mit dem Markennamen Innate wurden von der J.R.Simplot Company entwickelt, die als einer der führenden Agrarhändler in den USA Fast Food-Ketten wie McDonalds mit Kartoffeln und French fries (Pommes Frites) beliefert.
Eigentlich erfüllen die neuen gv-Kartoffeln die Anforderungen der Großabnehmer: Sie sind widerstandsfähiger gegen unschöne grau-schwarze Flecken, die bei Transport und Lagerung entstehen, nach dem Schälen und Aufschneiden bleiben sie länger frisch und werden nicht so schnell braun. Vor allem aber sollen bei der Verarbeitung der Kartoffelprodukte weniger unerwünschte Acrylamide entstehen. Diese stehen im Verdacht, das Erbgut zu verändern und Auslöser von Krebs zu sein. Acrylamide bilden sich bei den für das Aroma wichtigen Bräunungsvorgängen, wenn stärkehaltige Produkte unter hohen Temperaturen gegrillt, gebacken oder geröstet werden, besonders beim Frittieren von Kartoffeln.
Bei der Innate-Kartoffeln wurden in den Knollen die für die Bildung von Acrylamiden notwendigen Ausgangsstoffe reduziert: die Aminosäure Asparagin sowie bestimmte Zucker. Um das zu erreichen, haben die Wissenschaftler bei Simplot entsprechende Stoffwechselwege in den Knollen unterdrückt oder eingeschränkt, indem sie Gene für daran beteiligte Enzyme durch eingeführte passende DNA-Sequenzen „stillgelegt“ haben (RNA-Interferenz). Mit der gleichen Technologie wurden noch weitere Gene „abgeschaltet“ und damit die Bildung weiterer Enzyme blockiert. Damit wurde erreicht, dass die Kartoffel nicht so schnell Druckstellen bekommt und nach dem Anschneiden länger „weiß“ bleibt. Aus anderen Pflanzenarten oder Organismen stammende Gene wurden nicht übertragen.
Die ersten Innate-Kartoffeln (1. Generation) wurden im November 2014 von der US-Landwirtschaftsbehörde (USDA) für den Anbau zugelassen. 2016 folgte die Zulassung in Kanada. 2019 wuchsen die Kartoffeln in den USA auf 485 Hektar. Nach 15 Hektar 2018, wurden sie 2019 in Kanada nicht mehr angebaut.
Die Firma Simplot konzentriert sich zunächst auf die Vermarktung der gv-Kartoffel als frische Speisekartoffel (White Russet), um die Verbraucher von ihren Vorteilen zu überzeugen - in der Hoffnung, dass die großen Fast-Food-Ketten dann nachziehen. Das ist bislang jedoch nicht der Fall. So haben McDonalds und Frito-lay deutlich gemacht, die Innate-Kartoffel nicht verarbeiten zu wollen. Dennoch wurden nach Angaben von Simplot bereits 2015 und 2016 etwa 18.000 Tonnen der Innate-Kartoffeln (ein Prozent des Kartoffelverbrauchs) verkauft. Zahlreiche Länder - darunter Australien, Neuseeland, Mexiko und die Phillipinen - haben Innate-Kartoffeln der 1. Generation als Lebensmittel zugelassen. Bislang gibt es jedoch keinen Export in diese Länder.
Im September 2015 wurde in den USA der Anbau einer weiteren Innate-Kartoffel (2. Generation) zugelassen, die zusätzlich eine Resistenz gegen die Kraut-und Knollenfäule (Phytophthora infestans) besitzt. Für die Resistenz wurde ein Gen aus einer argentinischen Wildkartoffel übertragen (Rpi-vnt1). Dabei wurde ausschließlich Erbmaterial aus Kartoffel verwendet. Ein solcher Ansatz - nur arteigenes Erbmaterial zu nutzen - wird als cisgen bezeichnet. Nach Angaben des Unternehmens kann auf Feldern mit diesen resistenten Kartoffeln der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (Fungizide) um etwa 50 Prozent gesenkt werden. Seit Sommer 2017 sind Innate Kartoffeln der zweiten Generation auch in Kanada für den Anbau und als Lebensmittel zugelassen. 2019 betrug die Anbaufläche in den USA 1295 Hektar, in Kanada 40,5 Hektar.
Inzwischen wird versucht, Kartoffel-Eigenschaften auch mit Hilfe neuer Genome Editing-Methoden wie TALEN oder CRISPR/Cas zu verändern, insbesondere dann, wenn die gewünschte Veränderung durch das Blockieren einzelner Gene erreicht werden kann. Etliche genom-editierte Kartoffeln sind bereits in der Entwicklung, einige wurden von der US-Landwirtschaftsbehörde bereits als Nicht-GVO eingestuft. Wenn kein artfremdes Genmaterial eingeführt wurde und die Pflanzen somit „transgen-frei“ sind, gelten sie in der Regel als „dereguliert“. Sie fallen dann nicht unter die Gentechnik-Vorschriften und können ohne Genehmigung freigesetzt und vermarktet werden. Im Juni 2020 hat die Firma Simplot für sechs Anfragen grünes Licht von der Behörde bekommen: unter anderem für Kartoffeln mit weniger schwarzen Druckstellen, verbesserter Lagerfähigkeit, einem geringeren Solaningehalt und einem höheren Knollenansatz. Einer breiteren Vermarktung, die auch die großen Fast-Food-Ketten miteinschließt, dürfte dann nichts mehr im Wege stehen.
Innate-Kartoffel, 1. Generation
- weniger Acrylamide, weniger grau-schwarze Druckstellen, kein Braunwerden nach dem Aufschneiden
- Abschalten bestimmter Gene (Gene silencing)
- in den USA zugelassen 2014; in Kanada 2016; Markteinführung ab 2015
Innate-Kartoffel, 2. Generation
- zusätzlich Resistenz gegen Kraut- und Knollenfäule durch ein Gen aus Wildkartoffeln
- in den USA zugelassen 2015 und 2016, in Kanada 2017; Markteinführung ab 2017
neue Merkmale bei Kartoffeln mit Genome Editing
- weniger schwarze Druckstellen, verbesserte Lagerfähigkeit, geringerer Solaningehalt, höherer Knollenansatz (TALEN oder CRISPR/Cas)
- mehrere solcher Kartoffeln sind in den USA bereits als nicht-GVO eingestuft, daher keine besondere Regulierung
- Markteinführung noch unklar
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Vergleich Innate-Kartoffel und konventionelle Kartoffel: 24 Stunden im Zeitraffer-Video (Video von Simplot)