Gentechnik bei Lebensmitteln: Was muss denn eigentlich gekennzeichnet werden?
Frage: Seit wann gibt es überhaupt verbindliche Vorschriften zur Kennzeichnung von „Gen-Lebensmitteln“?
Antwort: EU-weite Rechtsvorschriften zur Kennzeichnung gibt es bereits seit 1997. Damals trat die EU-Verordnung über neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten (Novel Food-Verordnung) in Kraft.
Mitte 2003 beschlossen EU-Parlament, EU-Kommission und die Regierungen der Mitgliedsstaaten eine neue Verordnung über gentechnisch veränderte Futter- und Lebensmittel. Darin sind die Kennzeichnungsvorschriften noch einmal erweitert worden. Sie lösten die Bestimmungen der Novel Food-Verordnung ab.
Wann muss ein Produkt gekennzeichnet sein?
Wenn ein Lebensmittel ein gentechnisch veränderter Organismus (GVO) ist, dann muss es gekennzeichnet werden - ohne Wenn und Aber. Sollte es in Zukunft einmal gentechnisch veränderte Tomaten, gv-Maiskolben oder gv-Kartoffeln in der EU zu kaufen geben, dann müssen sie eindeutig gekennzeichnet werden - auch als unverpackte Ware. Bisher ist jedoch kein derartiges Produkt zugelassen.
Auch verarbeitete Lebensmittel und Zutaten, die aus gentechnisch veränderten Pflanzen hergestellt sind, fallen grundsätzlich unter die Kennzeichnungspflicht. Das trifft etwa zu auf Zucker (aus gv-Zuckerrüben), Stärke (aus gv-Mais), Öl oder Lecithin (aus gv-Sojabohnen).
Müssen auch Zusatzstoffe oder Aromen gekennzeichnet werden?
Für Zusatzstoffe und Aromen gilt das gleiche wie für Lebensmittel und -zutaten: Wenn sie unmittelbar aus einem GVO hergestellt worden sind, muss ein Gentechnik-Hinweis auf das Etikett. Das trifft für eine Reihe von Zusatzstoffen zu, die ganz oder zum Teil aus gv-Mais oder gv-Soja hergestellt werden.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht kennzeichnungspflichtig sind Zusatzstoffe, Vitamine und Aromen, die mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen hergestellt worden sind. Voraussetzung ist, dass die Stoffe vollständig gereinigt und keine Bestandteile der gv-Mikroorganismen enthalten.
Wie steht es mit der Kennzeichnung von Fleisch, Milch oder Eiern, wenn die Tiere gv-Futtermittel erhalten haben?
Futtermittel, die Bestandteile aus gv-Pflanzen (etwa Sojaschrot) enthalten, müssen gekennzeichnet werden - aber nur auf der Verpackung oder am Transportbehälter des Futtermittels.
Die Lebensmittel aus den damit gefütterten Tieren - Fleisch, Wurst, Milch, Eier - fallen nicht unter die Kennzeichnungspflicht. Sie gelten als Produkte, die mit Hilfe von GVO hergestellt werden - und sind von der Kennzeichnung ausgenommen.
Gibt es weitere Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht?
Unter die Kennzeichnung fällt nur, was in rechtlichem Sinn als Lebensmittel bzw. Lebensmittelzutat gilt. So werden etwa Nährstoffe für Mikroorganismen (Substrate), Trägerstoffe (etwa für Aromen und Vitamine), technische Hilfsstoffe und viele Enzyme nicht zu den Lebensmitteln gerechnet. Da solche „Nicht-Lebensmittel“ nicht in der Zutatenliste aufgeführt werden, gibt es auch keinen Hinweis, wenn die betreffenden Stoffe aus GVO gewonnen wurden.
Was ist, wenn ein Lebensmittel mit kleinen Mengen von GVOs „verunreinigt“ ist? Wann muss das auf dem Etikett angegeben werden?
„Zufällige, technisch unvermeidbare“ GVO-Beimischungen müssen nur dann gekennzeichnet werden, wenn ihr Anteil mehr als 0,9 Prozent beträgt (bezogen auf die jeweilige Zutat).
Diese Ausnahme gilt jedoch nur unter zwei Voraussetzungen:
- Der betroffene Hersteller kann belegen, dass es sich tatsächlich um technisch unvermeidbare GVO-Spuren handelt. Wenn GVO-Rohstoffe bewusst beigemischt werden, löst das immer eine Kennzeichnungsverpflichtung aus.
- Der in Spuren vorhandene GVO ist in der EU zugelassen und als sicher bewertet worden.
Gentechnik wird weltweit in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelwirtschaft angewandt. Gibt es dann überhaupt noch Lebensmittel, die absolut „ohne Gentechnik“ erzeugt sind?
Wenn gentechnisch veränderte Pflanzen landwirtschaftlich genutzt werden, lassen sich GVO-Einträge in konventionellen Produkten mit geeigneten Maßnahmen weitgehend vermeiden - völlig zu unterbinden sind sie nicht. Beimischungen sind während des Anbaus, bei Ernte, Transport, Lagerung und Verarbeitung möglich – etwa durch Windverwehung oder nicht vollständig gesäuberte Maschinen oder Transportbehälter.
Die Natur ist ein „offenes System“. Dort ist es nicht möglich, absolut „gentechnik-freie“ Produkte zu erzeugen. Das gilt auch für Lebensmittel des ökologischen Landbaus oder auch für Produkte mit dem „ohne Gentechnik“-Label. Mit den modernen, hochempfindlichen Nachweisverfahren lassen sich auch da GVO-Spuren finden.
Habe ich überhaupt Wahlfreiheit, wenn ich GVO-Verunreinigungen hinnehmen muss?
Die Kennzeichnung ist kein Warnhinweis. Sie informiert darüber, dass bei einem Lebensmittel gentechnisch veränderte Organismen verwendet wurden, die in der EU zugelassen und als sicher bewertet wurden. Gekennzeichnete Lebensmittel müssen genau so sicher sein wie die gleichen Produkte ohne Gentechnik. Nur wenn diese Bedingung erfüllt ist, erlauben die EU-Vorschriften eine Zulassung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln.
Die Kennzeichnung ist ein Mittel, damit die Konsumenten Wahlfreiheit haben. Das bedeutet: Der Konsument erhält einen Hinweis über eine bewusste, direkte Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen. Wer das aus persönlichen Gründen nicht will, kann solche Produkte meiden.
Wer kontrolliert eigentlich die Kennzeichnungsvorschriften zur Gentechnik?
Wie bei allen lebensmittelrechtlichen Tatbeständen ist auch das eine Aufgabe der amtlichen Lebensmittelüberwachung. Diese fällt in die Verantwortung der Bundesländer.
Jährlich werden mehrere Tausend Lebensmittelproben auf GVO untersucht. Alle Bundesländer haben dazu speziell ausgerüstete Labore. Es werden standardisierte, amtlich anerkannte Nachweisverfahren eingesetzt.
Können sich die Konsumenten darauf verlassen, dass die Kennzeichnungs-Vorschriften eingehalten werden?
Verstöße gegen die Kennzeichnungsvorschriften beschränken sich auf wenige Ausnahmefälle. Zwar sind in zahlreichen soja- oder maishaltigen Lebensmitteln geringe GVO-Spuren nachweisbar. Sie bleiben jedoch fast immer weit unterhalb des für die Kennzeichnung maßgebenden Schwellenwert.
Allerdings: Ob ein Lebensmittel kennzeichnungspflichtig ist oder nicht, lässt sich nicht in jedem Fall am Endprodukt überprüfen. Denn auch nicht-nachweisbare Anwendungen - etwa Öl aus gv-Sojabohnen oder Zuckere aus gv-Zuckerrüben - fallen unter die gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnungspflicht.
In solchen Fällen kann die Kennzeichnung nur überprüft werden, wenn ein über die gesamte Warenkette reichendes Informations- und Dokumentationssystem vorhanden ist: Jeder Hersteller muss von seinem Vorlieferanten die Informationen erhalten, ob in den Rohstoffen, die er kauft, GVO verarbeitet sind. Auch der nächste in der Verarbeitungskette muss davon erfahren.
Die Lebens- und Futtermittelwirtschaft ist verpflichtet, solche Systeme zu nutzen, mit denen eine „Rückverfolgbarkeit“ der verwendeten Zutaten und Rohstoffe gewährleistet ist.