Gluten, Allergene, Koffein: Unerwünschtes einfach abschalten?
Gluten im Weizen, Allergene, Koffein - einige Pflanzen enthalten Inhaltsstoffe, die gesundheitsschädlich oder für bestimmte Personengruppen unverträglich sind. Wäre es nicht praktisch, wenn man die Bildung solcher Substanzen direkt in den Pflanzen einfach „abschalten“ könnte? Was sich so einfach anhört, ist tatsächlich ziemlich kompliziert. Doch inzwischen gibt es eine Reihe neuer Verfahren - vor allem die Gen-Schere CRISPR/Cas. Damit wird vieles einfacher und präziser.
Mit verschiedenen molekularbiologischen Verfahren ist es möglich, ein einzelnes Gen im Genom einer Pflanze oder eines Tieres „abzuschalten“. Entweder werden einzelne DNA-Bausteine in dem jeweiligen Zielgen ausgetauscht oder entfernt. Oder die in der DNA codierte Bauanleitung wird nicht mehr vollständig abgelesen und ihr Transport zu den Ribosomen, den Eiweißfabriken der Zellen, unterbunden. Die Folge: Der genetische Code wird nicht ausgeführt und das betreffende Protein nicht hergestellt.
In der Pflanzenforschung nutzt man schon länger Verfahren wie die RNA-Interferenz (RNAi), um Gene zu blockieren, die für die Bildung unerwünschter Substanzen in Lebensmitteln verantwortlich sind. Die Aktivität des Zielgens wird durch das Einführen eines komplementären Gens blockiert. Mit den neuen, wesentlich präziser arbeitenden Genome Editing-Verfahren - insbesondere der Gen-Schere CRISPR/Cas - ist das gezielte Ausschalten einzelner oder mehrerer Gene nun auf relativ einfache Weise möglich. Dennoch lassen sich bisher auch damit nicht alle Probleme lösen.
Weizen ohne Gluten?
Gluten ist ein Proteingemisch, das in Getreidearten wie Weizen, Roggen und Gerste vorkommt. In Weizen verbinden sich die Eiweiße Gliadin und Glutenin zu Gluten, sobald sie mit Feuchtigkeit in Berührung kommen. Menschen, die unter der Stoffwechselkrankheit Zöliakie leiden, vertragen glutenhaltige Produkte nicht. Es sind vor allem die Gliadine, welche die Unverträglichkeit auslösen, insbesondere einzelne Bereiche auf der Oberfläche der Moleküle (Epitope).
Glutene sind jedoch auch für die erwünschten Backeigenschaften von Weizen verantwortlich. Ohne sie gäbe es keine volumigen Brotlaibe oder Brötchen, sondern Fladen wie beim Maismehl.
Um glutenfreie Backwaren zu erhalten, kann man das Gluten aus Weizenmehl auswaschen, doch dafür müssen andere, technologisch und geschmacklich weniger geeignete Mehle beigemischt werden, etwa aus Buchweizen oder Sonnenblumen.
Daher wäre es besser, die Bildung von Gluten - präziser: der Gliadine - schon im Weizen zu unterdrücken und gleichzeitig die für die Backeigenschaften verantwortlichen Bestandteile des Glutens (Glutenine) zu erhalten. Doch im Weizen mit seinem sechsfachen Chromosomensatz gibt es bis zu 50 Gliadin-Gene. Sie alle auszuschalten ist schwierig und allein mit herkömmlicher Züchtung oder auch mit klassischer Gentechnik nahezu unmöglich.
Inzwischen setzen Forschergruppen in mehreren Ländern die Gen-Schere CRISPR/Cas ein, um damit gluteinfreie Getreidesorten zu entwickeln. So konnte ein Team aus Spanien bei Weizen 35 von insgesamt 45 Gliadin-Genen erfolgreich blockieren. Dadurch sank der Gehalt an Gliadin im Weizen um bis zu 82 Prozent, die Immunreaktivität war um 85 Prozent niedriger als bei herkömmlichen Weizen. Die editierten Pflanzen wurden bereits im Gewächshaus getestet.
An der Universität Wageningen (NL) haben Wissenschaftler mit Hilfe von CRISPR/Cas gezielt die Gene ausgeschaltet, die die Zöliakie-auslösenden Epitope in den Gliadinen codieren; alle anderen Gliadin-Gene blieben dabei unverändert.
Erdnüsse ohne Allergene?
Allergene: Da die meisten Allergene Proteine sind, könnte man durch das Blockieren des jeweiligen Gens die Bildung des Allergens verhindern. Damit wären die betreffenden Lebensmittel auch für Allergiker verträglich. Mehrere internationale Forschungsteams arbeiten daran, weit verbreitete Allergene etwa in Reis, Äpfeln, Möhren, Erdnüssen oder Tomaten zu entfernen, aber auch Allergene tierischen Ursprungs. So gibt es zum Beispiel Projekte zur Genom-Editierung von Hühnern oder Kühen, die allergenfreie Eier bzw. Milch liefern.
Ein Problem bei der Züchtung allergenfreier Pflanzen ist, dass diese häufig mehrere allergene Proteine enthalten. Bisher war es kaum möglich, die Bildung aller Allergene zu unterdrücken. Mit Genome Editing - insbesondere mit CRISPR/Cas - ist man dem Ziel inzwischen bereits ein gutes Stück weit näher gekommen, indem mehrere Gene gleichzeitig ausgeschaltet wurden, welche für die Bildung allergener Proteine verantwortlich sind.
In Äpfeln ist es etwa das Mal-d-1-Protein, welches in den meisten Fällen für allergische Reaktionen verantwortlich ist. Mit der RNAi-Technologie haben Wissenschaftler in den Niederlanden das entsprechende Gen blockiert, so dass die Äpfel einen deutlich reduzierten Gehalt des allergenen Proteins aufweisen und somit für die meisten Apfelallergiker verträglich sind.
Sojabohnen sind in vielen Ländern eine wichtige Nahrungspflanze. Außerdem werden viele Sojaproteine in der Lebensmittelverarbeitung eingesetzt. Dabei gelten mehrere von ihnen als allergieauslösend. Ein Forscherteam in Japan konnte mit Hilfe von CRISPR/Cas die Gene ausschalten, die für die allergenen Proteine verantwortlich sind.
Bei Erdnüssen sieht die Sache deutlich komplizierter aus: Derzeit sind 17 Allergene bekannt, die Auslöser von Erdnussallergien sein können. Hinzu kommt, dass die allergenen Proteine oft durch mehrere Gene codiert werden. Um die Bildung eines Proteins zu verhindern, müssen also alle beteiligten Gene ausgeschaltet werden. Auch wenn das mit dem neuen Genome Editing-Verfahren theoretisch durchaus möglich ist, gilt die Entwicklung einer vollkommen allergenfreien Erdnuss als unwahrscheinlich. Denn durch das Entfernen sämtlicher allergener Proteine würden nicht nur die Nährstoffe und der Geschmack der Erdnuss stark beeinflusst. Auch die Lebensfähigkeit der Pflanze selbst würde zerstört, da manche dieser Proteine für die Pflanze wichtige Funktionen haben.
Trotzdem versucht man, die Allergenität von Erdnüssen zu senken, indem man zumindest einen Teil der allergenen Proteine entfernt. So haben Wissenschaftler der US-amerikanischen Firma IngateyGen mit RNAi die Bildung der drei Hauptallergene der Erdnuss blockiert. Die allergen-reduzierten Erdnüsse zeigten in dreijährigen Feldversuchen keine Unterschiede hinsichtlich Geschmack und Wachstum verglichen mit konventionellen Erdnüssen. Trotz der zu erwartenden Defizite bezüglich Geschmack und Wachstum der Erdnuss arbeiten die Forscher inzwischen daran, mit CRISPR/Cas möglichst alle Allergene bei Erdnüssen zu entfernen.
Kaffee ohne Koffein?
Senkung des Koffeingehaltes. Viele Menschen trinken vor allem aus gesundheitlichen Gründen lieber entkoffeinierten Kaffee. Andere müssen auf „richtigen“ Kaffee verzichten, da sie unter einer Koffein-Unverträglichkeit leiden, die sich in Kopfschmerzen, Herzrasen oder Übelkeit äußern kann. Zwar gibt es seit langem auch entkoffeinierten Kaffee zu kaufen, doch die gängigen Verfahren zur Entkoffeinierung sind sehr aufwändig. Außerdem gehen dabei viele der typischen Geschmacksstoffe verloren. Daher arbeiten mehrere Forschergruppen daran, Kaffeepflanzen zu züchten, die möglichst wenig Koffein bilden.
Da Koffein kein Protein ist, kann man nicht einfach das dazugehörige Gen ausschalten. Vielmehr müssen bestimmte Enzyme deaktiviert werden, um den zu Koffein führenden Stoffwechselweg in der Pflanze zu unterbrechen.
Mit Hilfe von Genome Editing hat das Startup-Unternehmen Tropic Biosciences in Großbritannien eine Kaffeesorte entwickelt, die koffeinreduzierte Bohnen liefert. Den Beteiligten ist es gelungen, mit CRISPR/Cas die Gene auszuschalten, die für die Koffeinbildung in den Bohnen verantwortlich sind. Der Kaffee aus den editierten Kaffeebohnen soll besser schmecken und weniger kosten als herkömmlicher entkoffeinierter Kaffee. 2019 meldete das Unternehmen für ihren koffeinreduzierten Kaffee Patente in mehreren Ländern an.
Großes Foto oben: iStock/Daisy-Daisy; 123rf/5second, Archiv i-bio
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Nikotinarme Zigarette. Unter dem Markennamen Quest sind in den USA seit 2003 Zigaretten auf dem Markt, die weniger oder kein Nikotin enthalten. Quest-Zigaretten werden aus gv-Tabak hergestellt, in dem ein tabakeigenes, an der Nikotinbildung beteiligtes Enzym blockiert ist. - Der Markterfolg war allerdings enttäuschend. Allein ein geringerer Nikotin-Gehalt hat aus Quest-Zigaretten kein „gesundes“ Produkt gemacht. Alle übrigen gesundheitsschädlichen Stoffe werden beim Rauchen weiterhin eingeatmet.
Im Web
- Sanchez Fernandez, B. et al. (2023): Socioeconomic impact of low-gluten celiac-safe wheat developed by gene editing. Publications Office of the European Union, Luxembourg
- Brackett, N.F. et al. (2021): New Frontiers: Precise Editing of Allergen Genes Using CRISPR. Front. Allergy 2:821107, doi: 10.3389/falgy.2021.821107
- How Scientists Are Engineering Allergy-Free Wheat and Peanuts. Verywell Health, 05.02.2021
- Jouanin, A. et al. (2019): Outlook for coeliac disease patients: towards bread wheat with hypoimmunogenic gluten by gene editing of α- and γ-gliadin gene families. BMC Plant Biol. 19(333)
- García-Molina, M.D. et al. (2019): Gluten Free Wheat: Are We There? Nutrients 11(3)
- Gluten-safe wheat created by Dutch researchers using CRISPR. Food Dive, 07.03.2019
- Sánchez-León, S. et al. (2018): Low‐gluten, nontransgenic wheat engineered with CRISPR/Cas9. Plant Biotechnology Journal 16(4)
- Can Science Finally Create a Decent Cup of Decaf? Slate, 11.01.2023
- Schachtsiek, J. & Stehle, F. (2019): Nicotine‐free, nontransgenic tobacco (Nicotiana tabacum L.) edited by CRISPR‐Cas9. Plant Biotechnol J. 17(12)