Milch und Eier „ohne Gentechnik“! Und wo kommt das ganze Soja-Futter her?
Vor allem bei Milchprodukten ist „ohne Gentechnik“ fast Standard. Auch bei Eiern und Geflügelfleisch tragen viele Produkte das grüne Label. Es bezieht sich in erster Linie auf das Futter, das die Tiere erhalten haben. Doch: Wo kommen genug „gentechnik-freie“ Sojabohnen her? In Europa, erst recht in Deutschland wird davon viel zu wenig angebaut. Und was aus Nord- und Südamerika eingeführt wird, ist zum großen Teil gentechnisch verändert.
Deutschland: Anbau von Sojabohnen und Import von Sojabohnen und -schrot mit und ohne Gentechnik.
EU-27: Anbau von Sojabohnen und Import von Sojabohnen und -schrot mit und ohne Gentechnik.
Bei den Eiweißfuttermitteln Raps- und Sojaschrot ist Deutschland auf Importe angewiesen.
Großes Foto oben: Igor Gancharenko/123RF
Raps- und Sojaschrot sind die wichtigsten Eiweißfuttermittel in Deutschland. Beide – Soja noch mehr als Raps – enthalten einen hohen Anteil an verdaulichem Rohprotein. Sie liefern etwa ein Drittel des Bedarfs an Rohprotein im Tierfutter, vor allem bei Geflügel und Schweinen.
Die 2,6 Millionen Tonnen Sojaschrot, die 2022/23 an Deutschlands Nutztiere verfüttert wurden (vorläufige Zahl, BLE/BZL), stammen fast ausschließlich aus Importen. Auch wenn in den letzten Jahren der Sojaanbau in Europa – vor allem in Italien und im Donauraum – stark zugenommen hat, reichen die Erntemengen bei weitem nicht aus, um sich von Soja-Importen aus Nord- und Südamerika unabhängig zu machen. Erst recht trifft das auf Deutschland zu. Angetrieben von massiver öffentlicher Förderung hat zwar der Anbau von Sojabohnen vor allem in Süddeutschland kräftig zugelegt, doch gemessen an den Importen fällt die heimische Sojaproduktion kaum ins Gewicht. 2022 wurden auf 51.500 Hektar 120.500 Tonnen Sojabohnen geerntet (Zahlen FAO). Das sind gerade mal zwei Prozent der Sojaimporte.
Als einziges nicht-europäisches Erzeugerland bietet Brasilien in größeren Mengen „gentechnik-freie“ Sojabohnen an. Allerdings: Mit einem seit Jahren ansteigenden Anteil an gv-Sojabohnen – inzwischen etwa 98 Prozent der brasilianischen Anbauflächen – ist es immer aufwändiger und damit auch teurer geworden, „gentechnik-freie“ Soja anzubauen und die Ernten nach Europa zu liefern. Entsprechend ist der Anbau von Nicht-GVO-Soja in Brasilien in den letzten Jahren deutlich gesunken. 2018/19 lag die Produktionsmenge laut ProTerra noch bei 5,5 Millionen Tonnen. In der laufenden Saison 2023/24 beträgt die Erntemenge an zertifizierter gentechnikfreier Soja nur noch etwa 2,3 Millionen Tonnen, so der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG).
Über die gesamte Produktionskette – vom Saatgut über Anbau, Ernte, Transport und Verschiffung bis zur Verarbeitung – müssen konventionelle Sojabohnen von gentechnisch veränderten getrennt werden. Zufällige Beimischungen von gv-Soja sind unter offenen natürlichen Bedingungen zwar nicht gänzlich zu vermeiden, doch sie sollen so gering wie möglich bleiben und den für die Kennzeichnung maßgebenden Schwellenwert von 0,9 Prozent nicht überschreiten. Meist liegen die GVO-Anteile für als „gentechnik-frei“ gehandelte Soja aus Brasilien zwischen 0,1 und 0,9 Prozent.
Vor der Verladung auf die Schiffe werden die Sojarohstoffe auf ihren GVO-Anteil analysiert, manchmal zusätzlich auch an anderen Stellen der Warenkette. Für so zertifizierte „gentechnik-freie“ Sojabohnen wird ein Preisaufschlag berechnet. Auch die Farmer in Brasilien erwarten eine zusätzliche Prämie, wenn sie sich zum Anbau konventioneller Sorten verpflichten. Aus ihrer Sicht fallen die Wünsche der gentechnik-kritischen Europäer gegenüber der in den letzten Jahren stark gestiegenen Nachfrage in Asien kaum noch ins Gewicht. Längst hat China die EU als weltweit größter Soja-Importeur abgelöst. 2022 importierte China etwa 90 Millionen Tonnen Soja aus Nord- und Südamerika, im Vergleich die EU etwa 33 Millionen Tonnen.
Derzeit sind geschätzte fünf Millionen Tonnen „Ohne Gentechnik“-Sojabohnen aus Brasilien und Europa erhältlich. Geringe Mengen sind auch aus Indien verfügbar. Wie viel GVO-frei-zertifizierte Soja in Europa und Deutschland zur Verfügung steht, dazu gibt es keine verlässlichen Daten. Laut Thünen-Institut sind die einzigen Zertifizierungs-Standards, die Gentechnik explizit ausschließen, ProTerra und Donau Soja/Europe Soya. Laut European Soy Monitor betrug die Menge der von ProTerra für den europäischen Markt (EU27+ No, CH und GB) zertifizierten Soja 2021 knapp zwei Mio Tonnen, die von Donau Soja/Europe Soya 715.000 Tonnen. In Deutschland standen 2021 geschätzte 1,2 Mio Tonnen ProTerra- und Donau Soja-zertifizierte Soja zur Verfügung.
Auch in Russland und der Ukraine wird großflächig Soja angebaut. Zwar sind dort gv-Sojabohnen offiziell verboten, doch ein illegaler Anbau ist nach Ansicht von Branchenkennern weit verbreitet. In der Ukraine soll mehr als die Hälfte der Produktion (2022 3,4 Mio. t) von gv-Sorten stammen. 2022 hat Deutschland etwa 130.000 Tonnen Sojabohnen aus der Ukraine bezogen (OVID). Trotz des Krieges konnte die Ukraine die Soja-Erntemenge in den letzten beiden Jahren deutlich steigern.
Eine größere Nachfrage nach „ohne Gentechnik“-Futtermitteln wird weniger durch die begrenzte Verfügbarkeit solcher Sojarohstoffe eingeschränkt, als durch die mangelnde Bereitschaft, für den höheren Aufwand auch mehr zu bezahlen. Akzeptieren die Konsumenten höhere Preise – allein für „ohne Gentechnik“ bei ansonsten gleichbleibender Qualität der Produkte? Oder zwingen die großen Handelsketten ihre Landwirte, die Mehrkosten für gentechnik-freie Futtermittel zu übernehmen? Für die Erzeuger in Brasilien lohnen Investitionen in „gentechnik-freien“ Anbau und separate Warenketten nur, wenn die Europäer ihnen langfristig höhere Preise garantieren. Wenn nicht, ist der weiter ansteigende Absatz in China für sie das bessere Geschäft.
Soja: Erzeugerländer, Produktionsmengen, GVO-Anteile
Produktion Mio. t |
GVO-Anteil | Nicht-GVO (rechnerisch) Mio. t |
|
---|---|---|---|
Nordamerika | |||
USA | 116,4 | 95% | 5,8 |
Kanada | 6,5 | 95 % | 0,3 |
Südamerika | |||
Brasilien | 120,7 | 98 % | 2,4 |
Argentinien | 43,9 | 100 % | - |
Paraguay | 4,5 | 99 % | 0,05 |
EU 27 | |||
Italien | 0,9 | 0,9 | |
Frankreich | 0,38 | 0,38 | |
Rumänien | 0,26 | 0,26 | |
Kroatien | 0,2 | 0,2 | |
Österreich | 0,25 | 0,25 | |
Deutschland | 0,12 | 0,12 | |
übrige EU-Länder | 0,4 | 0,4 | |
EU gesamt | 2,5 | 2,5 | |
Osteuropa | |||
Serbien | 0,4 | 0,4 | |
Ukraine | 3,4 | illegaler GVO-Anbau | ? |
Russland | 6,0 | illegaler GVO-Anbau | ? |
Sonstige | |||
China | 20,3 | kein Export | 20,3 |
Indien | 13,0 | 13,0 | |
andere | 11,3 | 11,3 |
Zahlen 2022: FAO, USDA/GAIN
Diskussion / Kommentare
Themen
Das „Ohne Gentechnik“-Label. Tierische Lebensmittel (Eier, Milch, Fleisch) können als „Ohne Gentechnik“ deklariert werden, wenn die Tiere zumindest über einen bestimmten Zeitraum kein Futter aus gv-Pflanzen erhalten haben. Erlaubt sind zufällige Beimischungen bis 0,9 Prozent sowie Futtermittelzusätze, die mit gv-Mikroorganismen hergestellt wurden.
Im Web
- Donau-Soja Market-Report: Non-GMO Soy (03.05.2024)
- Gute Verfügbarkeit bei GVO-freien Rohstoffen in Europa, VLOG News (19.03.2024)
- European Soy Monitor 2021
- EU-Sojaerzeugung auf Rekordkurs, UFOP Grafik der Woche (25 2024)
- The market of soybean in Ukraine in 2023/24, APK Inform
- BLE/BZL: Futter
- Marktbericht Futtermittel 2023, BLE
- OVID Verband der ölsaaten-verarbeitenden Industrie in Deutschland, Daten und Grafiken
- United States Department of Agriculture: Gain Report EU: Biotechnology and Other New Production Technologies Annual, 08.12.2023
- Thünen-Institut: Entwaldungsfreie Agrarrohstoffe – Analyse relevanter Soja-Zertifizierungssysteme für Futtermittel (Mai 2018)
- Thünen-Institut: Die Verfügbarkeit von nicht-gentechnisch verändertem Soja aus Brasilien (Mai 2016)