Menschen aus Mais - Vom Urprung des Maises
In Vor-Menschen-Zeit rodeten zwei Brüder ein Stück Urwald und legten das erste Feld in der Wildnis an, das den Schöpfergottheiten den Stoff lieferte, aus dem sie den Menschen erschufen: Mais. So erzählt die Maya-Mythologie vom Ursprung des Maises und damit auch vom Ursprung des Menschen. Naturwissenschaftler und Archäologen sind auf ihre Weise den Anfängen des Maises auf der Spur, die bis heute noch einige Rätsel aufgibt.
Teosinte, der Urahn des Maises im Schaugarten des Max-Planck-Institutes für Pflanzenzüchtungsforschung (MPIPZ) in Köln. Obwohl Teosinte ganz anders aussieht als Mais, unterscheiden sich beide genetisch nur wenig und lassen sich auch problemlos miteinander kreuzen.
Maisvielfalt in der Wissenschaftsscheune des MPIPZ in Köln. Seinen botanischen Namen hat der Mais im achtzehnten Jahrhundert durch Carl von Linné erhalten: Zea mays. Zea geht auf ein Wort der alten Griechen zurück, mit dem diese den Dinkel bezeichneten, mays ist der indianische - genauer haitianische - Name für Mais, und bedeutet „das unser Leben Erhaltende“.
Yum Kaax, Mais-Gott der Maya
Mit einiger Sicherheit wird heute davon ausgegangen, dass die ursprüngliche Heimat des Maises Mexiko ist. Hervorgegangen ist er aus dem Wildgras Teosinte - Zea parviglumis -, das noch in Mexiko zu finden ist. Teosinte sieht allerdings völlig anders aus als unser heutiger Kulturmais. Das Gras bildet an den ausladenden Seitentrieben Ähren mit nur wenigen von harten Samenschalen umschlossenen Körnern, die im Laufe der Entwicklung zu den kolbenartigen Fruchtständen der Maispflanze wurden.
Wie genau nun diese Entwicklung von Teosinte Mais vonstatten ging, daran wird intensiv geforscht - auch mit Hilfe molekulargenetischer Methoden. So hat man herausgefunden, dass beim Mais - und darin unterscheidet er sich von anderen Kulturpflanzen - alle Abstammungslinien auf die eine Stammform Zea parviglumis zurückgehen und dass der Mais vor etwa 9200 Jahren vom Teosinte-Gras getrennt wurde. Die ältesten fossilen Maisreste sind wesentlich jünger, nämlich etwa 6250 Jahre alt.
Ganz erstaunlich in der Entwicklungsgeschichte des Maises ist, dass die Kolbengröße innerhalb von nur wenigen Jahrtausenden förmlich explodierte. Die ältesten gefundenen Kolben waren nicht größer als zwei Zentimeter, vor etwa 5000 Jahren waren sie dann schon sieben Zentimeter groß. Im Laufe der nächsten 3000 Jahre erreichten die Kolben das 50-fache Volumen gegenüber den frühesten Funden.
Intuitiv nutzten die Indianer wenige zufällige Mutationen, um aus dem Wildgras Teosinte genießbaren Mais zu machen. Heute kennt man die Gene, die dafür verantwortlich sind. Es sind im Wesentlichen nur fünf Merkmale, die den heutigen Kulturmais vom Wildgras Teosinte unterscheiden. Kulturmais hat nur noch einen Stängel in der Mitte, die Ähren wurden zu Kolben mit vielreihig angeordneten Körnern, die Kolben sind bruchfest, die Körner sind nicht mehr von einer holzig-harten Schale umschlossen und bleiben gut am Kolben haften.
Die heilige Pflanze Mais
Santo grasia nal - heilige Gnade Mais - so wird der Mais in seiner Heimat Mittel- und Südamerika noch heute genannt. Denn der Mais gilt dort als Geschenk der Götter, weil er die Menschen seit Jahrtausenden ernährt.
Die religiöse Weltsicht der indianischen Völker gründete auf dem Wissen um die Verbundenheit, die wechselseitige Abhängigkeit zwischen den Menschen und dem Mais als Gabe der Götter. Die Kulturpflanze Mais war nicht imstande sich selbstständig zu vermehren, sie brauchte die Hilfe des Menschen, der sie aussät und beschützt. Der Mais brachte im Gegenzug Nahrung im Überfluss, er gilt deshalb als die Grundlage für das Erblühen der indianischen Hochkulturen der mexikanischen Azteken und Maya sowie der Inka im heutigen Peru. Die Maya nannten sich selbst „Menschen aus Mais“, denn in ihrem Schöpfungsmythos schufen die Götter den Menschen aus Mais.
Fremdes Korn und türkischer Weizen - Wie der Mais nach Europa kam
Als Columbus 1492 Kuba und Haiti entdeckte und sich in Westindien wähnte, kehrten die ausgesandten Späher mit einem Bericht über den Anbau einer ihnen unbekannten Pflanze zurück, die die Einheimischen mais oder mahiz nannten. Wenig später trafen die ersten Maiskörner mit einem zurückkehrenden Schiff in Spanien ein.
Die Spanier erkannten den Wert dieser Pflanze als Nahrungsmittel offenbar sehr schnell, denn schon 1525, während noch die Eroberung von Mexiko und Peru in vollem Gange war, bauten sie auf den Feldern Andalusiens bereits Mais an. Die neue Pflanze war erstaunlich anpassungsfähig, wuchs schnell und brachte hohe Erträge, ein Segen für die hungernden armen Bauern in Spanien und bald auch Norditalien, die den Mais in ihren Gärten anpflanzten.
Der Mais verbreitete sich schnell, über Italien auf den Balkan, mit portugiesischen Schiffen nach Südostasien, Indien, China und Japan. Vermutlich waren es auch portugiesische Händler, die den Mais nach Afrika brachten, um ihn kurze Zeit später mit afrikanischen Sklaven wiederum nach Amerika zu verfrachten.
Nach Mitteleuropa kam der Mais erst über den Umweg des Vorderen Orients, also vom Osten her, und weil die Menschen seine eigentliche Herkunft nicht kannten oder vergessen hatten, wurde er „Türkisch Korn“ oder „Türkischer Weizen“ genannt. Bei den Türken wiederum hieß er „Ägyptisches Korn“ und bei den Ägyptern „Syrische Hirse“. Der deutsche Naturforscher Hieronymus Bock, der den Mais 1542 in sein „New Kreuterbuch“ aufnahm, nannte ihn schlicht „Fremdes Korn“.