Bioplastik aus Kartoffeln
Bisher kommen sie über Marktnischen nicht hinaus: Kunststoffe aus Pflanzen, klimaneutral erzeugt und biologisch abbaubar. Die Herstellung ist oft teuer oder ihre Qualität schlechter als die ihrer „chemischen“ Konkurrenten. Das muss nicht so bleiben: Auf Versuchsflächen in Deutschland wurden gentechnisch veränderte Kartoffeln getestet, die als Nebenprodukt einen Biokunststoff produzieren. Marktchancen haben sie jedoch nicht.
Bioplastik - das ist der Sammelbegriff für „natürliche“ Kunststoffe, die meist auf Basis nachwachsender Rohstoffe hergestellt werden, nicht aus Erdöl wie „chemische“ Kunststoffe. Biokunststoffe bestehen überwiegend aus einfachen, überall in der Natur vorkommenden Substanzen, die zu langen Molekülketten verknüpft sind. Biokunststoffe sind biologisch vollständig abbaubar, viele können sogar kompostiert werden. Ausgangsmaterial für Biokunststoffe sind z.B. Stärke oder Cellulose.
Tests im Freiland mit verschiedenen Kartoffellinien, die in ihren Knollen Cyanophycin bilden. Das Ziel: Hohe Anteile von Cyanophycin in den Knollen. (Großes Foto oben)
Äußerlich wenig Unterschiede. Rechts: Cyanophycin-Kartoffelpflanze, links: unveränderte Ausgangssorte
Biokunststoffe aus pflanzlichen Rohstoffen werden heute vor allem zu Verpackungen, Folien und Formteilen verarbeitet. Zwar ist derzeit ihr Anteil an der gesamten Kunststoffproduktion noch verschwindend gering, doch hohe Erdölpreise und weitere technische Innovationen bei Bioplastik lassen starke Marktzuwächse erwarten. Optimistische Schätzungen gehen davon aus, dass Biokunststoffe in naher Zukunft etwa zehn Prozent der gesamten Kunststoffproduktion ersetzen könnten. Bei Verpackungen könnte der Bio-Anteil sogar 70 Prozent betragen.
Bisher ist die Herstellung vieler Biokunststoffe teuer oder ihre Eigenschaften entsprechen nicht denen vergleichbarer chemischer Stoffe. Ein Beispiel sind Polyacrylate. Diese Kunststoffe auf Basis von Acrylsäure finden heute eine breite Verwendung bei Farben, Lacken, Beschichtungen oder Klebstoffen, auch in der Textil- und Papierherstellung oder in Waschmitteln.
Verschiedene Polyacrylate könnten durch den Biokunststoff Polyaspartat ersetzt werden, der vergleichbare Eigenschaften hat. In Waschmitteln ist Polyaspartat etwa Ersatzstoff für ein bestimmtes Polyacrylat, das die Waschleistung verbessert und die Wasserhärte senkt.
Bislang wird Polyaspartat in geringen Mengen durch chemische Synthese auf Grundlage von Eiweißbausteinen gewonnen. Polyaspartat ist aber auch als natürlich vorkommende Substanz in Cyanophycin enthalten, einem Protein, das von Cyanobakterien („Blaualgen“) und einigen anderen Bakterien gebildet wird. Sie nutzen es zur Speicherung u.a. von Stickstoff.
In einem Verbundprojekt der Universitäten Rostock, Berlin, Bielefeld und Tübingen ist es gelungen, Kartoffeln gentechnisch so zu verändern, dass sie Cyanophycin in ihren Knollen bilden. In die Kartoffel wurde ein Gen aus einem Cyanobakterium übertragen, wodurch ein spezielles Enzym - eine Cyanophycin-Synthetase - gebildet wird. Dieses Enzym sorgt dafür, dass aus den Aminosäuren Aspartat und Arginin in der Kartoffelpflanze Cyanophycin gebildet wird.
Die Kartoffeln wurden in langjährigen Versuchen im Gewächshaus getestet und so optimiert, dass sie bis zu 7,5 Prozent Cyanophycin in den Knollen bilden können, ohne die Pflanzengesundheit zu beeinträchtigen. Die Kartoffeln könnten weiterhin für die Stärkeerzeugung angebaut werden und gleichzeitig kostengünstig als „Beiprodukt“ Cyanophycin liefern.
Schließlich wurde im Freiland am Beispiel dieser Kartoffeln getestet, ob Pflanzen sich als sichere Produktionssysteme für Biokunststoffe einsetzen lassen. Die Freilandbedingungen hatten keinen Einfluss auf die Bildung von Cyanophycin in den Pflanzen und der veränderte Stoffwechsel der Kartoffeln führte nicht zu negativen Umweltauswirkungen.
Eine kommerzielle Nutzung dieser gv-Kartoffeln ist vorerst nicht zu erwarten.