Weizen

Klima, Krankheiten, Krisen: Wie Weizen robuster und ertragssicherer wird

Weizen ernährt die Welt: Doch fast überall stagnieren die Erträge. Die traditionelle Züchtung scheint ausgereizt. Dazu macht sich der Klimawandel bemerkbar: Nicht nur Hitze und Trockenheit, sondern auch aggressive, meist von Pilzen oder Viren übertragene Krankheiten. Weizen muss künftig robuster, resilienter und ertragssicherer werden. Der Schlüssel dazu liegt in seinen reichen, bisher oft noch verborgenen genetischen Ressourcen – und in neuen genomischen Verfahren wie der Gen-Schere CRISPR/Cas. Damit ist es gelungen, Weizen mit einer Resistenz gegen Mehltau zu entwickeln, einer weltweit verheerenden Pilzkrankheit. Nun hat China ihn zum Anbau zugelassen.

Weizen

Mehltau befällt Weizen, aber auch andere Pflanzenarten. Allein bei Weizen verursacht er die Ertragsausfälle bis 25 Prozent. Mit klassischen Verfahren ist eine Züchtung resistenter Sorten bisher nicht möglich. Nun hat China einen mit der Gen-Schere CRISPR/Cas editerten Weizen für den Anbau freigegeben, der gegen Mehltau resistent ist.
Foto: Agroscope/ETH Zürich; großes Foto oben: iStock

Die Weltbevölkerung nimmt zu, die klimatischen Bedingungen werden schlechter, die natürlichen Ressourcen sind begrenzt – und dennoch müssen global mehr Nahrungsmittel erzeugt werden. Mit einer Jahresproduktion von 785 Millionen Tonnen (2023/24) fällt dem Weizen dabei eine Schlüsselrolle zu. Von ihm stammen zwanzig Prozent aller mit der Nahrung aufgenommenen Kalorien. Er wird in über hundert Ländern angebaut, viele sind jedoch auf Importe angewiesen und von schwankenden Weltmarktpreisen abhängig.

Auch der Weizenanbau muss sich künftig am Leitbild der nachhaltigen Intensivierung ausrichten, das der Weltklimarat (IPCC) 2019 für die künftige Landnutzung und die Transformation der Landwirtschaft vorgegeben hat. Das gilt auch für den Weizenanbau. Doch gerade bei dieser so wichtigen Kulturpflanze gibt es noch Luft nach oben, wie eine große, 2022 in Nature Foods veröffentlichte internationale Studie aufgezeigt hat. Die „biophysikalischen Grenzen des Weizenertrages“ seien nahezu erreicht, so das Fazit. Das Potenzial für künftige Steigerungen stecke vor allem in bisher verborgenen ungenutzten züchterischen Ressourcen.

„Genetische Ertragslücke“ bei Weizen: 51 Prozent

Auf Basis von Daten aus 53 Weizenanbauregionen in 33 Ländern wurden die an einem bestimmten Standort aktuell erzielten Erträge verglichen mit den, was möglich wäre. Dafür wurde in Computersimulationen anhand bekannter Daten über den Einfluss verschiedener Gene auf Schlüsselmerkmale wie Größe oder Wachstum die „ideale“, auf ihre lokale Umgebung zugeschnittene Weizenpflanze „entworfen“. Gemessen am derzeitigem Ertrag errechnete sich eine „genetische Ertragslücke“ von 51 Prozent. Sie ist in Ländern mit den derzeit niedrigsten Erträgen am höchsten (bis 70 Prozent), in den großen Weizenanbauländern niedriger.

„Die weltweite Weizenproduktion könnte durch die genetische Verbesserung lokaler Weizensorten verdoppelt werden - ohne die globale Weizenfläche zu vergrößern,“ so das Fazit von Nimai Senapati, einem der beiden Projektkoordinatoren vom britischen Rothamsted Research Institut. Um die genetische Ertragslücke zu verringern, müsste die enorme genetische Variation genutzt werden, die „in globalen und historischen Weizen-Genbanken verfügbar ist“ – mit modernen Techniken wie neuen, schnelleren Züchtungsverfahren (Smart Breeding) und Gen-Editierung, ergänzt durch eine kontinuierliche Verbesserung des Pflanzen- und Bodenmanagements. An der Studie waren Forschungsinstitute aus sieben Ländern beteiligt, darunter die TU München und das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF).

Der heutige Weizen ist eine Mischung mehrerer Arten. Im Laufe der jahrtausendelangen Züchtungsgeschichte wurden verschiedene Wildgräser in die frühen Urformen des Weizens eingekreuzt. Deren ursprünglich getrennte Genome verschmolzen, immer mehr Formen und Varianten entstanden. Das Weizengenom ist daher nicht nur ungewöhnlich groß, fünfmal größer als das menschliche, sondern besitzt als Erbe seiner unterschiedlichen Vorfahren dreimal einen doppelten Chromosomensatz.

Deswegen ist der züchterisch nutzbare Genpool zwar breit und vielfältig, doch es erfordert viel Forschung, inaktive oder im Laufe der Züchtung „verschüttete“ Gene aufzuspüren, welche dazu beitragen könnten, die Erträge zu steigern oder Weizen besser an biotischen Stress – Schädlinge und Krankheiten – und sich ändernde klimatische Bedingungen – Hitze, Trockenheit, salzhaltige Böden – anzupassen.

Nicht nur das jeweilige Gen für das angestrebte Merkmal muss bekannt und seine Funktion verstanden sein, sondern auch die für die Umsetzung maßgebenden komplexen Netzwerke und die Abläufe in der Pflanzenzelle.

Und selbst wenn geeignete genetische Ressourcen identifiziert sind – sei es in den Ahnen, wilden Sorten, Landrassen oder in Genbanken – müssen diese so in Kultursorten eingebracht werden, dass sie auch dort „funktionieren“ und die angestrebten Verbesserungen auch „im Feld“ erbringen. Weizen mit seinen drei ursprünglichen Genomen, die sich teils vermischen und überlappen, teils parallel nebeneinander bestehen, ist für die Züchter schon immer eine schwierige Kultur gewesen. Das wird auch in Zukunft nicht einfacher, trotz modernster Sequenzier- und Labortechnik einschließlich künstlicher Intelligenz.

Bis 2050 weltweit 13 Prozent weniger Ertrag – allein durch Weizenbrand

Etwa ein Fünftel des Weizenertrages geht heute durch Krankheiten verloren, vor allem ausgelöst durch pilzliche Erreger. Mit steigenden Temperaturen dringen die Schadpilze auch in Regionen vor, die bisher nicht betroffen sind. Zudem können sich viele Erreger rasch anpassen und neue Rassen hervorbringen, oft schneller als Landwirte, Züchter oder Hersteller von Pflanzenschutzmitteln darauf reagieren können.

Am Beispiel einer einzelnen Pilzkrankheit, dem Weizenbrand, hat ein internationales Forschungsprojekt mit Hilfe eines komplexen Datenmodells errechnet, wie sich der Erreger im Zuge des Klimawandels immer weiter ausbreitet und die Ernten gefährdet.

Heute sind weltweit 6,4 Millionen Hektar Ackerland für Weizenbrand anfällig. Mit feuchterem und wärmeren Klima werden es deutlich mehr: Bis 2050 sind 75 Prozent der Anbauflächen vor allem in Südamerika, Afrika und Asien betroffen, so die Prognose. Selbst in Europa und Nordamerika, bisher weitgehend verschont geblieben, ist dann vermehrt mit Infektionen zu rechnen. Die globale Weizenproduktion könnte um 69 Millionen Tonnen im Jahr einbrechen, ein Rückgang von 13 Prozent – allein durch einen Erreger, den Weizenbrand.

Es ist nicht die einzige Pilzkrankheit, die den Weizen bedroht. Septoria-Blattdürre, verschiedene Rostpilze, Fusarien und Mehltau sind zwar schon länger bekannt, doch in Zukunft wiegen die Ertragsverluste bis hin zu Totalausfällen schwerer. Gegenmaßnahmen – bessere Sorten oder Pflanzenschutzmittel – sind oft nur begrenzt wirksam, zudem teuer oder gefährden die Biodiversität.

GE-Projekte Weizen

Vor allem mit der Gen-Schere CRISPR/Cas: In der eusage-Datenbank verzeichnete Forschungsprojekte an Weizen.

Neue, bessere Weizensorten, widerstandsfähiger gegen Pilz- und Viruskrankheiten, können sinkenden Erträge entgegenwirken. Mit den neuen genomischen Züchtungsverfahren (NGT) haben Züchter und Agrounternehmen ein zusätzliches Werkzeug, um schneller und präziser zu Lösungen zu kommen.

Die eu-sage-Datenbank (European Sustainable Agriculture Through Genome Editing, eu-sage.eu) listet weltweit relevante wissenschaftliche Publikationen zu genom-editierten Pflanzen auf: Derzeit sind es knapp 900, davon allein 48 zum „schwierigen“ Weizen. Zehn dieser Forschungsprojekte beschäftigen sich mit neuen genetischen Pilz- und Virusresistenzen (Stand: März 2024). Fast alle nutzen die Gen-Schere CRISPR/Cas, um einzelne DNA-Bausteine umzuschreiben und so bestimmte, für das Infektionsgeschehen maßgebende Gene zu aktivieren, zu verstärken oder auch abzuschalten. In keinem Fall wurde fremdes Genmaterial von außen eingeführt, die jeweils angestrebte Resistenz basiert allein auf genetischen Ressourcen des Weizens. Kommt die Reform der Gentechnik-Gesetze in Europa wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, wird Weizen mit so erzeugter Pilzresistenz in die Kategorie NGT1 eingestuft, für die weitaus weniger Auflagen gelten als für herkömmliche gentechnisch veränderte Pflanzen.

Zwar können auch mit klassischer Züchtung Resistenzgene aus dem arteigenen Genpool in Weizensorten eingebracht werden. Doch Genome Editing-Verfahren haben einen großen Vorteil: Sie können etablierte Kultursorten an einer bestimmten Stelle im Genom direkt verändern, ohne deren übrige Eigenschaften zu beeinträchtigen. Das zeitaufwändige Rückkreuzen wie bei der herkömmlichen Züchtung entfällt. Zudem ist es einfacher und ohne großen Aufwand möglich, lokale Sorten besser an die jeweiligen Bedingungen anzupassen.

China: Mehltau-resistenter CRISPR-Weizen kommt auf die Felder

Im Frühjahr 2024 hat China, weltweit größter Produzent und Verbraucher von Weizen, erstmals einen mit Hilfe von CRISPR/Cas editierten Weizen offiziell als sicher bewertet und für den Anbau freigegeben. Er ist resistent gegen Mehltau, eine verheerende Pilzkrankheit, die sich in allen Weizenanbauregionen der Welt ausgebreitet hat. Der Erreger tritt in zahlreichen Rassen auf, ist sehr anpassungsfähig und befällt auch andere Kulturarten. Die Ertragsverluste können bis zu 25 Prozent betragen. Wirksame Resistenzen waren in der konventionellen Weizenzüchtung bisher nicht möglich.

Vor zehn Jahren publizierte eine chinesische Forschergruppe ein damals völlig neues Konzept, um Weizen vor Mehltau und den dadurch verursachten Schäden zu schützen. Sie blockierten ein bestimmtes, in vielen Getreidearten vorkommendes Gen (MLO-Gen). Dieses codiert für ein Protein, das der Mehltauerreger benutzt, um in die Pflanzenzellen einzudringen. Fehlt den Pflanzen das MLO-Gen oder ist durch zufällige Mutationen deaktiviert, sind sie resistent gegen Mehltau.

Bei Gerste gibt es schon lange solche Sorten, ohne zu ahnen, worauf diese Resistenz beruht. Heute weiß man es: Irgendwann wurde das MLO-Gen durch eine zufällige Mutation inaktiviert. Da sie den betroffenen Pflanzen bei Mehltaubefall einen Vorteil verschaffte, setzte sich diese Mutation allmählich durch. Bei Weizen ist es jedoch komplizierter: Als Erbe seiner verschiedenen biologischen Vorfahren sind drei MLO-Gene vorhanden. Alle drei müssen blockiert sein, damit die Pflanzen mehltau-resistent sind – unwahrscheinlich, dass dies in der Natur gleichzeitig durch zufällige Mutationen passiert. Aber auch mit herkömmlicher Züchtung ist es kaum möglich. Mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas ist jedoch genau das gelungen – durch gezielte herbeigeführte Mutationen in einer gemeinsamen Gensequenz konnten alle Varianten (Allele) der drei MLO-Gene ausgeschaltet werden. (Siehe Video rechts: CRISPR bei Pflanzen. Zum Beispiel Weizen)

Es dauerte noch einige Jahre, bis aus diesem innovativen Konzept für eine „genomische“ Mehltauresistenz tatsächlich neue Sorten hervorgingen, die nun bald auf die Felder kommen. Zunächst wohl nur in China, doch früher oder später auch in anderen Ländern. Zudem gibt es weitere Ansätze, bei Weizen – und ähnlich bei anderen Pflanzenarten – wirksame Resistenzen gegen Pilzkrankheiten aus den genetischen Ressourcen „herauszukitzeln“..

So können etwa natürliche Abwehrreaktionen gegen Krankheitserreger verstärkt werden. Viele Pflanzen haben „gelernt“, sich gegen Schaderreger zu wehren. Sie schließen etwa die Spaltöffnungen an den Blättern oder verstärken die Zellwände. Doch diese Reaktionen sind nicht von Dauer. Nach einiger Zeit werden sie schwächer, so dass der Pilz wieder die Oberhand gewinnt. Dafür ist ein bestimmter „Repressor“ verantwortlich, der die Expression des jeweiligen Gens unterdrückt.

Gelingt es, ein solches Repressor-Gen abzuschalten, bleibt die pflanzeneigene Abwehr über einen längeren Zeitraum aktiv. Diesen Ansatz verfolgt das 2020 gestartete Projekt PILTON (Pilztoleranz von Weizen mittels neuer Züchtungsmethoden), das von über 50 deutschen Züchtungsunternehmen getragen wird. Mit Hilfe der CRISPR-Schere wurde der DNA-Strang im Bereich des Repressor-Gens durchtrennt und so inaktiviert. Die Folge: Die Pilzabwehr funktioniert länger, die Pflanze bleibt vital genug, um Pathogen-Attacken ohne große Schäden zu überstehen. Das betrifft nicht nur einen Pilzerreger, sondern gleich mehrere. Der Weizen des PILTON-Projekts soll am Ende über eine breite „multiple“ Toleranz gegen Braunrost, Gelbrost, Septoria und Fusarium verfügen.

Schlüsselgene für größere Körner

Weltweit nutzen viele Forschungsprojekte das enorm gewachsene Wissen über die genetischen Ressourcen und ihre jeweiligen Funktionen, um ertragreicheren und resilienteren Weizen zu entwickeln. In der eusage-Datenbank sind elf Publikationen aufgelistet, die sich mit direkten Ertragssteigerungen beschäftigen. So ist es chinesischen Forschergruppen gelungen, durch CRISPR-gesteuerte Modifikationen von bestimmten Schlüsselgenen die Körner zu vergrößern und so die Erträge zwischen sieben und zehn Prozent zu steigern.

Noch stehen solche Weizensorten, die mehr Erträge liefern und Pflanzenkrankheiten standhalten, nicht auf den Feldern. Doch der Weg dahin ist inzwischen deutlich zu erkennen.

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