Cassava Ernte 2

Angereichert mit Vitamin A, Zink und Eisen: Pflanzen gegen den versteckten Hunger

In vielen Ländern des Südens - dort wo stärkehaltige Pflanzen wie Reis, Maniok (Cassava), Mais oder Hirse Grundnahrungsmittel sind - nehmen die Menschen zu wenig Vitamine und Spurenelemente wie Eisen oder Zink auf. Dieser „versteckte Hunger“ ist die Ursache für Millionen von Krankheits- und Todesfällen. Zahlreiche internationale Forschungsprojekte wollen das ändern. Ziel ist es, Mikronährstoffe in Grundnahrungspflanzen anzureichern. Gentechnische Verfahren haben dabei einige Vorteile.

Cassava

Maniok (Cassava): Die Wurzeln sind in Teilen Afrikas das wichtigste Grundnahrungsmittel. Mit gentechnischen Methoden wurden sie mit Vitamin A, Eisen und Zink angereichert.

Sorghum Tansania

Hirse (Sorghum): Hier wurde der Gehalt an Provitamin A, Eisen und Zink erhöht.

Fotos: Pitiwat Koyota (oben), Neil Palmer CIAT, ICRISAT-CC BY-NC 20

Hunger bedeutet nicht ausschließlich mangelnde Kalorienzufuhr. In vielen Teilen der Welt, vor allem in Entwicklungsländern, leiden die Menschen an zum Teil schweren Gesundheitsschäden, die durch einen Mangel an so genannten Mikronährstoffen verursacht werden.

Mikronährstoffe sind Substanzen, die der menschliche Organismus benötigt, aber nicht selber produzieren kann. Dazu gehören Vitamine, Spurenelemente und bestimmte Aminosäuren. Sie sind vor allem in Obst und Gemüse enthalten. Doch viele Menschen in Entwicklungsländern können sich das nicht leisten.

Dort basiert die Ernährung meistens auf einer einzigen Grundnahrungspflanze, etwa Reis in Asien, Maniok (Cassava), Bananen, Hirse oder Süßkartoffeln in Teilen Afrikas. Verzehrt werden meist die Speicherorgane, die hauptsächlich Stärke enthalten. Die Folgen einer solchen einseitigen Ernährung sind unter anderem Wachstums- und Entwicklungsstörungen, eine erhöhte Infektanfälligkeit und damit eine erhöhte Sterblichkeit oder – im Fall von Vitamin A-Mangel – Erblindung.

In den letzten Jahrzehnten wurden in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern industriell angereicherte Nahrungsmittel und Nahrungsergänzungspräparate verteilt, die wichtige Mikronährstoffe enthalten. Trotz beachtlicher Erfolge gab und gibt es dabei eine Reihe von Problemen. So ist es oftmals schwierig, die Produkte in entlegene ländliche Gegenden zu transportieren oder die Betroffenen davon zu überzeugen, dass sie diese Nahrungsmittel und Präparate tatsächlich und regelmäßig zu sich nehmen. Zudem müssen die Produkte fortlaufend hergestellt und verteilt werden, was erhebliche Kosten verursacht.

Seit den 1990er Jahren arbeiten Wissenschaftler daran, Mikronährstoffe in lokalen Nahrungspflanzen anzureichern. Der Vorteil dabei ist, dass die fehlenden Nährstoffe in Pflanzen produziert werden, die ein wesentlicher Teil der täglichen Nahrung sind. Wenn die Bauern entsprechendes Saatgut erhalten und es immer wieder aussäen können, sind aufwändige Verteilungsprogramme nicht mehr notwendig. Diese sogenannte Biofortification ist keine billige Alternative zu einer ausgewogenen und vielseitigen Ernährung. Dennoch setzen Organisationen wie die WHO und die FAO auf das Konzept. Denn auf mittlere Sicht wird es in einigen Weltregionen noch viele Menschen geben, die sich gesunde, abwechslungsreiche Nahrungsmittel nicht leisten können.

Mikronährstoff-Anreicherung in Pflanzen: Was Gentechnik kann

2004 startete die Consultative Group for International Agricultural Research (CGIAR) das Programm HarvestPlus, an dem inzwischen weltweit über 200 Wissenschaftler verschiedener Forschungsinstitute beteiligt sind. Sie beschäftigen sich vor allem mit Pflanzenarten, die in den von Nährstoffmangel betroffenen Regionen als Grundnahrungsmittel dienen.

Zunächst kamen in Afrika Süßkartoffeln und Maniok auf die Felder, beide mit erhöhtem Provitamin A-Gehalt. Inzwischen sind 13 Varianten nährstoffangereicherter Pflanzen in 63 Ländern verfügbar, etwa Eisen angereicherte Bohnen und Perlhirse, Reis und Weizen mit mehr Zink oder Mais mit mehr Provitamin A. Erreicht wurde das bisher überwiegend mit konventionellen Züchtungsverfahren. Doch die haben ihre Grenzen.

Mit gentechnischen Ansätzen können deutlich höhere Mikronährstoffgehalte in den Pflanzen erreicht werden als mit konventionellen Züchtungsmethoden allein.

Prof. Dr. Dominique Van Der Straeten, Universität Gent

Wenn im Genpool einer Pflanzenart keine entsprechenden Gene vorhanden sind, ist es nicht möglich, die fehlenden Inhaltsstoffe aus anderen Sorten oder verwandten Arten einzukreuzen. Das ist etwa bei Reis der Fall, der von „Natur aus“ im Korn kein Vitamin A oder Vorstufen davon produzieren kann. Mit Hilfe der Gentechnik können diese Grenzen überwunden werden: Durch das Einführen geeigneter Gene können Pflanzen dazu gebracht werden, dass sie dennoch fehlende Vitamine oder Spurenelemente bilden.

Auch wenn eine Pflanzenart dazu fähig ist, einen bestimmten Mikronährstoff zu bilden, bleiben die mit konventionellen Züchtungsmethoden erzielbaren Gehalte oft zu gering, um versteckten Hunger damit tatsächlich überwinden zu können. Mit gentechnischen Verfahren kann der entsprechende Stoffwechselweg „getriggert“ werden, etwa indem daran beteiligte Promotoren länger und stärker aktiv sind.

Bis eine konventionell gezüchtete angereicherte Pflanzensorte als Saatgut bei den Landwirten ankommt, vergehen etwa acht bis zehn Jahre. Sollen weitere Mikronährstoffe angereichert werden, dauert es noch einmal so lange. Gentechnische Verfahren, vor allem die neuen Genome Editing-Methoden, ermöglichen es, neue biofortifizierte Sorten viel schneller zu entwickeln. Dabei können die Pflanzen auch mit mehreren Vitaminen oder Spurenelementen gleichzeitig angereichert werden.

Bei konventioneller Züchtung – wenn etwa eine vitaminreiche Wildverwandte in ertragreiche Kultursorten eingekreuzt wird – gehen immer erwünschte Eigenschaften verloren. Diese müssen dann in mehreren Rückkreuzungsschritten wiederhergestellt werden – und das kostet viel Zeit.

Gentechnische Verfahren und die Möglichkeiten, damit Stoffwechselwege in Pflanzen neu anzulegen oder zu optimieren (Metabolic Engineering), „können dazu beitragen, Effektivität und Nutzen biofortifizierter Pflanzen weiter zu steigern“, so das Fazit einer internationalen Publikation im Fachjournal Nature Communications, an der 14 Forschungsinstitute aus acht Ländern beteiligt waren.

Bauern sollten sich nicht entscheiden müssen, ob sie Sorten anbauen, die entweder nährstoffreich sind oder stabile Erträge liefern.

Prof. Matin Qaim, Universität Bonn, Zentrum für Entwicklungsforschung

Mit der Gentechnik – und mehr noch mit den weitaus präziseren Genome Editing-Verfahren - können die ertragsreichsten, lokal am besten angepassten Sorten gezielter und ohne größere Kreuzungsverluste verändert werden. Damit kann eine Anreicherung mit Nährstoffen einfacher mit vorteilhaften Eigenschaften wie Trockentoleranz oder Resistenzen gegenüber Schädlingen und Krankheiten kombiniert werden. „Bauern sollten sich nicht entscheiden müssen, ob sie Sorten anbauen, die entweder nährstoffreich sind oder stabile Erträge liefern. Beide Aspekte in den gleichen Sorten zu kombinieren ist wichtig und kann mit zu einer weiten Verbreitung gerade im Kleinbauernsektor beitragen“, so der Agrarökonom Matin Qaim, damals an der Universität Göttingen, Mitautor der Studie zu Biofortification.

Im Rahmen der Grand Challenges in Global Health Initiative, 2003 von der Gates Foundation ins Leben gerufen, werden mit Hilfe gentechnischer Methoden verschiedene Mikronährstoffe in Reis, Maniok, Sorghum (Hirse) oder Bananen angereichert. Die so entwickelten Pflanzen sollen in lokale Sorten eingekreuzt werden und für Kleinbauern in Entwicklungsländern ohne Lizenzgebühren zugänglich sein. Wissenschaftler von verschiedenen Instituten aus der ganzen Welt sind an der Initiative beteiligt. Das bekannteste Projekt ist der Provitamin A-angereicherte Goldene Reis, an dem bereits seit den 1990er Jahren gearbeitet wird. Auf den Philippinen wurde er 2021 für den Anbau zugelassen und wird dort nun auch angebaut.

Ein weiteres Beispiel ist Banana 21, ein Gemeinschaftsprojekt der Queensland University of Technology (Australien) und der National Agricultural Research Organisation in Uganda. Ziel des Projektes ist es, Bananen mit höheren Anteilen an Provitamin A und Eisen zu entwickeln. Kochbananen sind Grundnahrungsmittel in Uganda, enthalten aber zu wenig dieser Mikronährstoffe.

Zunächst wurde nach Genen und Promotoren für die gewünschten Merkmale gesucht und in Kulturbananen eingeführt. Dann wurde das Genkonstrukt für die Nährstoffanreicherungen auch auf lokale Kochbananensorten aus Uganda übertragen. Derzeit werden die Bananen in Feldversuchen in Uganda angebaut. Dabei zeigte sich bereits, dass die gv-Bananen deutlich erhöhte Provitamin-A-Gehalte aufweisen als unveränderte Bananen. In Kürze dürfte der Anbau in Uganda beginnen.

Inzwischen wird auch mit Genome Editing daran gearbeitet, Bananen mit Provitamin A anzureichern. Ein Team des National Agri-Food Biotechnology Institute und der Panjab University in Indien hat Kulturbananen der Sorte Cavendish mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas so verändert, dass die Früchte bis zu sechsmal soviel Provitamin A enthalten wie herkömmliche Vergleichssorten.

Projekte zur Anreicherung von Lebensmitteln mit gentechnischen Methoden (Beispiele):

Pflanze Anreicherung mit Verfahren Wer Stand
Maniok Eisen, Zink klassische Gentechnik Donald Danforth Plant Science Center u.a. Freiland-versuche »
Koch-banane Provitamin A, Eisen klassische Gentechnik Queensland University of Technology (Australien), National Agricultural Research Organisation (Uganda) Freiland-versuche »
Reis Provitamin A klassische Gentechnik IRRI Anbau auf den Philippinen »
Kartoffel Provitamin A, Vitamin E klassische Gentechnik ENEA (Italien), Ohio State University Labortests »
Gerste Vitamin E CRISPR/Cas Zhejiang University (China) Labortests »
Reis Eisen, Zink klassische Gentechnik IRRI Freiland-versuche »
Weizen Eisen, Zink CRISPR/Cas University Islamabad (Pakistan) Labortests »