Gentechnik bei Öko-Lebensmitteln: Nicht erlaubt, aber kaum vermeidbar - Grauzone Zusatzstoffe und Enzyme

(18.05.2012) Öko-Produkte in der EU sind nicht absolut „gentechnik-frei“. Zwar ist bei ihnen die Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) gesetzlich verboten. Doch auch bei ökologisch erzeugten Lebensmitteln sind wie im übrigen Sortiment zufällige GVO-Beimischungen bis 0,9 Prozent erlaubt. Einen strengeren Schwellenwert lehnen die Öko-Verbände ab. Auch gentechnisch hergestellte Zusatzstoffe, Vitamine und Enzyme dürfen bei Öko-Lebensmitteln nicht eingesetzt werden, doch eine wirksame Kontrolle dieser Vorschrift ist in der Praxis nur begrenzt möglich. Das geht aus einem aktuellen Bericht der EU-Kommission an das Europäische Parlament und den Rat hervor.

EU Öko-Label

Öko-Produkte: Gentechnik ist nicht erlaubt, aber eine Garantie auf absolute GVO-Freiheit ist nicht möglich. (Abbildung: das 2010 eingeführte EU-weiter Label für Öko-Produkte)

Käse

Käse: Gibt es überhaupt noch Chymosin (Wirkstoff des Labferments) aus GVO-freier Herstellung auf dem Markt? Die EU-Kommission will es beobachten. Bei Zusatzstoffen und Enzymen ist eine GVO-Kontrolle jedoch schwierig.

In dem Bericht werden die Erfahrungen mit der 2009 in Kraft getretenen EU-Öko-Verordnung (834/2007) ausgewertet. Ein zentrales Thema war die Frage, ob das „Gentechnik-Verbot“ bei Öko-Lebensmitteln eingehalten wird. Dazu hatte die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten und zahlreiche Akteure vor allem aus der ökologischen Lebensmittelwirtschaft befragt.

Fast alle Mitgliedsstaaten und die meisten Akteure beurteilen „den derzeitigen Rechtsrahmen als ausreichend, um die Einhaltung des Verbots von GVO in der ökologischen Erzeugung sicherzustellen“. Mehrheitlich wird „die Beibehaltung eines einheitlichen Schwellenwert von 0,9 Prozent für das zufällige Vorhandensein von GVO in Öko-Produkten befürwortet.“

Von den Unternehmen der Öko-Branche, so der Bericht der EU-Kommission, werden jedoch „erhebliche Anstrengungen unternommen“, um das zufällige Vorhandensein von GVO in ihren Produkten zu verhindern. Zudem könnten die Mitgliedsstaaten den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen einschränken, um GVO-Einträge zu minimieren. Dennoch sei „bei Futtermitteln die Gefahr eines zufälligen Vorhandenseins von GVO besonders groß“. Bei Soja und Mais wurden in einigen Fällen geringe Mengen zugelassener GVO festgestellt, die unterhalb der Nachweisgrenze von 0,1 Prozent lagen.

Das Verbot, gentechnisch veränderte Pflanzen und daraus hergestellte Lebens- und Futtermittel in Öko-Produkten zu verwenden, könne in den Mitgliedsstaaten „ohne größere Probleme“ kontrolliert und überwacht werden.

Schwieriger wird es bei Zusatzstoffen, Vitaminen und Enzyme, die mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen hergestellt worden sind. Zwar ist auch hier deren Verwendung bei Öko-Produkten grundsätzlich nicht erlaubt. Ausnahmen sind jedoch möglich, wenn ein bestimmter Stoff nur noch mit GVO erzeugt auf dem Markt ist. Zwar sind solche Ausnahmen offiziell bisher nicht erteilt worden, dennoch führt der Bericht der Kommission die Vitamine B2 und B12, sowie die Enzyme Chymosin (Käse) und Phytase (Futtermittel) auf, die „regelmäßig als nicht anders als durch GVO hergestellt“ angegeben werden. Die Kommission will daher die „Verfügbarkeit bestimmter Produkte in GVO-freier Form“ beobachten.

Anders als bei pflanzlichen Rohstoffen und Zutaten besteht bei mit gv-Mikroorganismen gewonnenen Zusatz- und Hilfsstoffen keine Kennzeichnungs- und Rückverfolgbarkeitspflicht. Beim Einkauf muss ein ökologischer Betrieb eine Erklärung des Vorlieferanten verlangen, in der dieser bestätigt, dass der betreffende Stoff nicht mit GVO hergestellt wurde.

In der Praxis treten dabei jedoch Probleme auf. Viele Unternehmen verstünden die Erklärung nicht, so der Kommissionsbericht, andere seien nicht bereit, sie zu verwenden, „während andere sie allzu leichtfertig unterzeichnen“. Einige Mitgliedsstaaten berichten zudem, „dass es für sie aufgrund fehlender Mittel und Analysemöglichkeiten schwierig ist, die Zuverlässigkeit der Erklärung zu überprüfen“.

„Im Hinblick auf die Zuverlässigkeit und Wirksamkeit der Erklärung des Verkäufers“, so das Fazit der Kommission, „bestehen Bedenken“. Weitere Untersuchungen seien erforderlich.