Lachs

Schnell wachsender Gentechnik-Lachs: Stilles Ende nach 30 Jahren Streit

Schon das Zulassungsverfahren zog sich in den USA weit über zwanzig Jahre hin. Dann gab die US-Lebensmittelbehörde nach langem Zögern endlich grünes Licht für das erste gentechnisch veränderte Tier – Lachs, der deutlich größer wurde als gewöhnliche Artgenossen. Besondere Risiken gebe es nicht. Vermehrung und Aufzucht der Fische wurden jedoch nur in abgeschlossenen Anlagen erlaubt, weitab vom Meer. Zwei Jahre später kamen sie zunächst in Kanada in den Handel, danach in den USA. Doch am Markt scheiterte der als „nachhaltig“ beworbene Lachs. Ende 2024 wurden Aufzucht und Verkauf eingestellt.

Salmon, Lachs

Schneller, größer. Aquabounty- und Atlantik-Lachs.

Lachs-Farm in Albany (Indiana)

Lachsfarm in Albany: Aufzucht von gv-Lachs in geschlossenen Anlagen.

Großes Foto oben: Protest-Plakat gegen Gentechnik-Lachs. Übrige Fotos: AquaBounty

Schon Ende der 1980er Jahre begannen kanadische Wissenschaftler, die damals noch neuen gentechnischen Verfahren zu nutzen, um das Größenwachstum von Zuchtlachsen zu stimulieren. Später führte AquaBounty Technologies, ein ambitioniertes Fischzuchtunternehmen, das Projekt fort mit dem Ziel, größere, schnell wachsende Lachse zu entwickeln. Dazu waren zwei „artfremde“ Gene in das Lachs-Genom übertragen worden:

  • ein Gen für ein Wachstumshormon einer anderen Lachsart (Königslachs, Oncorhynchus tschawytscha)
  • ein Regulationsgen eines Fisches (Zoarces americanus), der an kalte Meeresregionen angepasst ist.

Damals war es ein auch bei anderen Tierarten verfolgter Ansatz, durch „Verstärkung“ arteigener Wachstumshormon-Gene oder durch deren Übertragung aus anderen Arten das Wachstum der Tiere zu beschleunigen und ihr Schlachtgewicht zu steigern. Keines diese Projekte aus den Anfangsjahren der Gentechnik war erfolgreich.

Normalerweise bildet der Lachs in kalten Gewässern im Winter keine Wachstumshormone. Daher hatten die Wissenschaftler dem Gen für das Wachstumshormon ein Regulations-Gen für Anti-Frost-Proteine vorgeschaltet. Anti-Frost-Proteine ermöglichen das Überleben in eiskaltem Wasser und sind daher bei niedrigen Temperaturen aktiv. Das Resultat: Die gv-Lachse wuchsen ganzjährig und erreichten daher bereits innerhalb von 18 bis 20 Monaten ihr Schlachtgewicht von etwa sechs Kilogramm. „Normale“ atlantische Lachse brauchen deutlich länger und sind zudem kleiner.

Vor knapp dreißig Jahren reichte Aquabounty den ersten Zulassungsantrag für seine gv-Lachse bei der US-amerikanischen Lebensmittelbehörde FDA ein. Doch sie zögerte eine Entscheidung immer wieder hinaus. Inzwischen waren die gv-Lachse (Markenname: AquAdvantage) in Nordamerika längst zum Symbolprodukt für die wachsende öffentliche Kritik an Genfood geworden. Der politische Rückhalt schwand.

FDA: Keine Sicherheitsbedenken, aber langes Zögern vor der Zulassungsentscheidung

Nachdem 2009 in den USA Richtlinien für die Zulassung und Sicherheitsbewertung von Lebensmitteln aus gv-Tieren in Kraft getreten waren, wurden sie bei den gv-Lachsen erstmals angewandt: Nach dem Gutachten der amerikanische Lebensmittelbehörde FDA unterscheiden sie sich bis auf das neu eingeführte Merkmal nicht von ihren konventionellen Verwandten. Geprüft wurden etwa Geschmack, Farbe und Gehalt an Vitaminen, Mineralstoffen, Fettsäuren, Eiweißen und anderen Nährstoffen, auch eine veränderte oder erhöhte Allergenität. Ergebnis: Der Verzehr von gv-Lachs ist gesundheitlich unbedenklich.

Zudem habe AquaBounty nachweisen können, dass die eingeführten Gene stabil von Generation zu Generation vererbt werden und die gentechnische Veränderung keine Auswirkungen auf die Tiergesundheit hat.

Viele Umweltgruppen und Fischereiverbände lehnten die Zulassung der gentechnisch veränderten Lachse jedoch aus anderen Gründen ab. Sie befürchteten, dass die Fische aus den Tanks der Zuchtfarmen entweichen und die in den freien Gewässern lebenden weniger großen Artgenossen verdrängen könnten. Dieses Risiko schätzte die FDA bei Einhaltung aller Sicherheitsvorkehrungen jedoch als gering ein. Zudem würde das Unternehmen bei einer Zulassung nur unfruchtbare weibliche Tiere vermarkten, die in geschlossenen, nicht in natürlichen Gewässern gelegenen Aquakulturen aufgezogen würden. Dann wäre eine Fortpflanzung in freier Natur nicht mehr möglich.

Im September 2010 präsentierte die FDA ihre Sicherheitsbewertung im Rahmen einer öffentlichen Anhörung. Nach einer weiteren, verschärften Umweltverträglichkeitsprüfung ordnete die Behörde an, dass eine Aufzucht von gv-Lachsen nur in eigens dafür vorgesehenen Fischfarmen mit abgeschlossenen Tanks ohne Verbindung zu offenen Gewässern erlaubt ist. Jede Anlage muss geprüft und für diesen Zweck zertifiziert werden.

Es dauerte dann noch einmal fast zwei Jahre, bis die FDA grünes Licht für die AquAdvantage-Lachse erteilte. Sie „erfüllten die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung und ihr Verzehr ist gesundheitlich unbedenklich“, so die FDA. Doch zu kaufen waren solche Lachsprodukte noch immer nicht. Erst gab es noch keine zertifizierten Fischfarmen, später wollten die US-Behörden erst die damals laufenden politischen Debatten über die Kennzeichnung von GVO-Produkten abwarten.

Dennoch: AquaBounty wollte endlich seinen Lachs auf den Markt bringen und den Lohn für die Beharrlichkeit einfahren. In Kanada wurden 2017 die ersten fünf Tonnen verkauft, ein Jahr später folgten weitere zehn Tonnen. Anfangs wurden diese Lachse in einer kleinen zertifizierten Produktionsanlage in Panama großgezogen, später auch in einer kanadischen Anlage.

Im April 2018 erteilte die FDA dann endlich die Zulassung für eine abgeschlossene Fischfarm in Albany (Indiana, USA) mit einer jährlichen Produktionskapazität von 1200 Tonnen. Ein Jahr später wurde das bis dahin bestehende Importverbot aufgehoben. Danach konnte in Kanada oder Panama aufgezogener gv-Lachs in die USA eingeführt werden. Allerdings fielen solche Lebensmittel unter die damals in den USA gerade beschlossenen Kennzeichnungsregeln und mussten den vorgeschriebenen Hinweis bioengineered tragen.

Drei Jahre später begann auch in den USA die kommerzielle Produktion von AquAdvantage-Lachs. Zwar musste die für Ende 2020 geplante „Ernte“ wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Als sie im Juni 2021 tatsächlich eingefahren war, sollten solche Lachsprodukte zunächst vor allem über einzelne Supermärkte und Restaurants im Mittleren Westen vermarktet werden. Er sei der „weltweit am nachhaltigsten produzierte Lachs“, warb Aquabounty. Da er schneller wächst, benötige er ein Viertel weniger Futtermittel als in der konventionellen Zucht. Anders als in der Praxis heute üblich, wolle man keine Impfstoffe und Antibiotika verwenden.

Doch die Strategie ging nicht auf. Weder Lachsfarmen, noch die Verbraucher ließen sich von den Vorzügen des AquAdvantage-Lachs überzeugen. Nach einigen wirtschaftlich schwierigen Jahren stellte das Unternehmen im Dezember 2024 den vollständig Betrieb ein. „AquaBounty wird sofort mit der Abwicklung seines Betriebs Bay Fortune, seiner einzigen verbleibenden aktiven Farm, beginnen, einschließlich der Keulung aller verbleibenden Fische und einer Reduzierung des gesamten Personals im Laufe der nächsten Wochen.“ Die lange Geschichte hat doch noch ein Ende gefunden – aus Sicht der Unternehmens kein gutes.

Vom Labor auf den Tisch : Eine unendliche Geschichte
1989: Kanadische Wissenschaftler entwickeln gentechnisch veränderten Lachs, der mehr Wachstumshormone produziert.
1995: Erster Zulassungsantrag von AquaBounty für gv-Lachs in den USA
2001: Untersuchungen zu Fragen der Umwelt- und gesundheitlichen Sicherheit
2009: Neue Richtlinien der US-Lebensmittelbehörde FDA für Zulassung von gv-Tieren; Ergänzung des Zulassungsantrags
2010: Sicherheitsbewertung der FDA: Lebensmittel aus gv-Lachs sind unbedenklich
2012: FDA schließt erweiterte Überprüfung der Umweltsicherheit von gv-Lachsen ab.
2013: Kanada erlaubt die Produktion von jährlich 100.000 Fischeiern.
2015: Die US-Lebensmittelbehörde FDA erteilt die Zulassung der Lachsprodukte für den menschlichen Verzehr.
2016: Die FDA untersagt den Import von Produkten aus gv-Lachs, bis verbindliche Regeln zur Kennzeichnung erlassen sind.
2016: Auch in Kanada wird die Zulassung erteilt für gv-Lachs als Lebensmittel.
2017: Zertifizierte Fischfarmen zur Aufzucht der gv-Lachse gibt es in Panama (Aufzucht) und Kanada (Fischeier).
2017: In Kanada werden die ersten fünf Tonnen gv-Lachs verkauft.
2018: In Kanada sind weitere 10 Tonnen verkauft worden. Die FDA genehmigt eine Fischfarm in Albany (Indiana), die zunächst 1200 Tonnen gv-Lachs pro Jahr produzieren soll. Der Import (auch der Fischeier für die Produktion) ist weiterhin nicht erlaubt aufgrund der ungeklärten Kennzeichnung.
2019: Die FDA hebt das Importverbot auf. Gv-Lachs kann damit auch in USA produziert und vermarktet werden. Lebensmittel müssen als bioengineered gekennzeichnet werden.
2020: Die Fischfarm in Indiana geht in Betrieb, zunächst mit der Produktion von konventionellem Lachs. Die für Ende 2020 angekündigte erste Ernte von gv-Lachs verzögert sich infolge der SARS-CoV-2-Pandemie.
2021: Im April 2021 beginnt in den USA die Vermarktung, vor allem im Mittleren Westen. Die Fischfarm in Indiana soll monatlich 100 Tonnen gv-Lachs produzieren.
2021: Brasilien lässt den Verkauf von gv-Lachs zu. Nun beginnt die Suche nach Produktions- und Vertriebspartnern in Brasilien.
Dezember 2024: AquaBounty stellt den Betrieb ein und schließt die letzte verbliebene Zuchtfarm für gv-Lachse.
In der EU ist für gv-Lachs kein Zulassungsantrag gestellt und auch nicht zu erwarten.

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