Schwein mit Virus

Mit der Gen-Schere gegen das PRRS-Virus: Resistente Schweine kommen in den USA wohl bald auf den Markt

Für die Schweine ist es eine Qual, Landwirten beschert es hohe Kosten - das PRRS-Virus, Erreger der weltweit bedeutendsten Schweinekrankheit. Ein wirksames Gegenmittel gibt es bisher nicht. Doch das kann sich bald ändern: Am Roslin Institute in Edinburgh haben Wissenschaftler Schweine entwickelt, die „vollständig immun“ gegen das Virus sind - dank der Gen-Schere CRISPR/Cas. Inzwischen ist das neue Merkmal in verschiedene Zuchtlinien eingebracht. Schon bald werden solche resistenten Schweine auf den Markt kommen - allerdings wohl nicht in der EU. Als erstes Land weltweit hat Kolumbien die Zulassung erteilt, in den USA wird sie 2025 erwartet. Fremdes Erbmaterial besitzen diese Schweine nicht.

Das PRRS-Virus (Porcine Reproductive and Respiratory Syndrome) ist Auslöser für die Schweineseuche mit den weltweit größten Verlusten in der Schweinehaltung. Die Kosten für die Bekämpfung der Seuche und für die Ertragsausfälle in der Landwirtschaft summieren sich weltweit auf gut 1,6 Milliarden Euro (Stand 2018).

Schwein

Gen-editierte Schweine: Ihnen fehlt ein kleiner Bereich eines Proteins, welches das Virus nutzt, um in Zellen einzudringen und sich zu vermehren. Obwohl diese Schweine dem PRRS-Virus ausgesetzt wurden, blieben sie gesund und zeigten keine Anzeichen einer Infektion.

Fotos: Norrie Russell, Roslin Institute; Grafik oben: ahasoft2000/123RF

Erstmals wurde das PRRS-Virus 1987 in Nordamerika identifiziert, in Europa vier Jahre später. Inzwischen soll es in Deutschland in 70 bis 90 Prozent aller Schweinebetriebe nachweisbar sein, allen aufwändigen Schutz- und Hygienemaßnahmen zum Trotz. Es befällt die Immunzellen der Lungen, die Folgen sind Erkrankungen der Atemwege und eine erhöhte Anfälligkeit für andere Infektionen. Noch gravierender sind die Schäden, die das PRRS-Virus im Fortpflanzungsbereich der Tiere hervorruft. Es kommt zum Absterben der Ferkel im letzten Teil der Trächtigkeit der Sau. Oft werden die Ferkel zu früh geboren, sind krank und entwickeln sich schlecht.

Das Virus wird innerhalb der Herden als Tröpfcheninfektion über die Luft verbreitet, kann aber auch durch Wind über einige hundert Meter weit transportiert werden.

Inzwischen gibt es zwar verschiedene Lebend- und Totimpfstoffe, doch die Bekämpfung der PRRS-Seuche ist für Schweinehalter kompliziert und wenig erfolgreich. Das Virus ist wandlungs- und anpassungsfähig: Es existieren verschiedene Typen und zahlreiche, sich immer wieder verändernde genetische Varianten. Es ist schwer und erfordert viel Fachkenntnis, einen Bestand mit der jeweils richtigen Impfstrategie auf Dauer gesund zu halten. In den USA sieht man es als gescheitert an, das Virus mit Impfstoffen kontrollieren zu wollen.

Versuche, mit gentechnischen Verfahren PRRS-resistente Schweine zu erzeugen, hat es in den letzten Jahren mehrere gegeben, aber sie blieben erfolglos. Im Januar 2016 berichteten US-amerikanische Wissenschaftler in Nature Biotechnology, ihnen sei ein Durchbruch gelungen. Sie hatten ein Rezeptor-Protein (CD163) auf der Oberfläche bestimmter Immunzellen im Verdacht, „Einfallstor“ für das Virus zu sein und es vor dem Immunsystem der Tiere zu „verstecken“. Könnte man das CD163-Protein ausschalten, so die Hypothese, blieben die Zellen für das Virus verschlossen und es könnte sich dort nicht vermehren.

Jetzt kannte man zwar ein konkretes Ziel – das Gen für das CD163-Protein –, doch mit klassischer Gentechnik war es nicht möglich, dieses als Schlüssel für eine Immunität gegen PRRS zu nutzen.

„Wir haben bei den Schweinen eine vollständige Immunität erreicht.“

Das änderte sich grundlegend mit der Gen-Schere CRISPR/Cas, dem ambitioniertesten der neuen Genome Editing-Verfahren: Erstmals konnten Wissenschaftler damit eine bestimmte Stelle im Genom ansteuern, um sie gezielt und präzise zu verändern. Und genau das machten sie auch gegen die PRRS-Seuche: In befruchteten Eizellen blockierten sie einen bestimmten DNA-Abschnitt des CD163-Gens – das entsprechende Protein wurde nicht mehr gebildet. Die daraus hervorgegangenen Schweine zeugten Nachkommen, deren Zelloberfläche nachweislich frei von intaktem CD163-Protein war.

Drei dieser Ferkel wurden gemeinsam mit sieben gewöhnlichen in einen Stall gesperrt und anschließend dem PRRS-Virus ausgesetzt. Nach fünf Tagen bekamen die herkömmlichen Tiere Fieber und zeigten die bekannten Krankheitssymptome, die drei anderen jedoch nicht. Daran änderte sich über die gesamte, 35 Tage dauernde Versuchsperiode nichts. Das CD163-Protein fehlte, so dass die Viren vom Immunsystem zerstört wurden und nicht in das Zellinnere gelangen konnten – die Schweine waren resistent. Nachfolgende Studien bestätigten diese Beobachtungen.

Auch eine Forschergruppe am Roslin Institute im schottischen Edinburgh verfolgte in Zusammenarbeit mit Genus PLC, einem US-Unternehmen für Nutztiergenetik, die gleiche Strategie. Die Wissenschaftler gingen noch einmal präziser vor als die amerikanischen Kollegen: Mit Hilfe des CRISPR/Cas-Systems blockierten sie nicht das gesamte CD163-Protein, sondern nur eine kleine, ganz bestimmte Region (Domäne) in dem verzweigten Molekül, die jedoch für das Eindringen der PRRS-Viren ins Zellinnere und ihre Vermehrung entscheidend ist. Damit konnte die normale Funktion des Rezeptors erhalten und die Gefahr von Nebeneffekten reduziert werden. Nur 450 von etwa drei Milliarden Basenpaaren im Schweinegenom wurden mit der CRISPR-Technik inaktiviert.

Nach ersten Tests mit einzelnen Zellen zogen die Roslin-Wissenschaftler vier Schweine mit verändertem CD163-Protein auf und hielten sie mit vier normalen Schweinen in einem gemeinsamen Stall. Alle Schweine wurden mit dem PRRS-Virus infiziert: Nur die editierten Schweine blieben gesund. Bei ihnen waren auch keine PRRS-Antikörper nachweisbar: Das deutete darauf hin, dass tatsächlich keine Infektion stattgefunden hatte. Auch in anderen Zellgeweben und im Blut fanden sich keine Hinweise auf eine Erkrankung. „Wir bezeichnen das als vollständige Immunität“, so Christine Trait-Burkard, Leiterin der Arbeitsgruppe am Roslin Institute.

Gründerpopulation mit den Nachkommen editierter Schweine

CRISPR bei Tieren

Gezielte Mutationen mit CRISPR/Cas bei Schweinen (schematische Darstellung)

Das Projekt wird inzwischen von Genus PLC und einem weltweit aktiven Schweinezüchter (PIC, Pig Improvement Company) in den USA fortgesetzt. Dort sind die Rahmenbedingungen weniger restriktiv als in Europa. Die CRISPR-gesteuerte Teil-Blockade des CD163-Gens wurde in vier genetisch unterschiedliche Elitezuchtlinien eingeführt. Diese Schweine brachten gesunde PRRS-resistente Ferkel zur Welt. Die Tiere dieser Herde werden auf Gesundheit und mögliche Nebeneffekte untersucht, ebenso die Wirksamkeit der PRRS-Resistenz über mehrere Generationen. Sobald die Behörden keine Einwände haben, soll die Vermehrung für die kommerzielle Zucht beginnen. In den USA befinden sich die Schweine bereits im Zulassungsverfahren, die Freigabe wird 2025 erwartet. Die Unternehmen rechnen, mit der Vermarktung frühestens 2026 beginnen zu können.

Geplant ist, auch in Brasilien, Japan, Kanada und Mexiko die Zulassung für die kommerzielle Produktion und der aus ihnen gewonnenen Lebensmittel zu beantragen. Als weltweit erstes Land hat Kolumbien Ende 2023 die editierten Schweine zugelassen. Allerdings ist noch offen, wann die ersten Tiere tatsächlich in den Zuchtbetrieben stehen werden. Brasilien hat die editierten Schweine bereits „normalen“ Tieren gleichgestellt, die nicht unter die Gentechnik-Regularien fallen.

Seit Mai 2019 besteht eine Kooperation zwischen Genus PLC und Beijing Capital Agribusiness (BCA), einem der wichtigsten Schweinezuchtunternehmen in China: Das Land ist der mit Abstand größte Produzent und Importeur von Schweinefleisch. BCA bemüht sich derzeit um die vollständige Zulassung der virusresistenten Schweine in China.

In Europa ist an eine Zulassung solcher genom-editierter Schweine vorerst nicht zu denken. Die Erleichterungen bei der Zulassung einfacher gen-editierter Pflanzen (NGT), wie sie derzeit in der EU beraten werden, gelten ausdrücklich nicht für Tiere – auch wenn die editierten, PRRS-resistenten Schweine kein fremdes Genmaterial enthalten. Zudem kämen nach einer Zulassung nicht die editierten Tiere selbst, sondern nur ihre Nachkommen aus mehreren Generationen in den Handel. In ihnen ist nur das neue, vererbbare Merkmal – die PRRS-Resistenz – vorhanden, jedoch keine Teile der bei der Editierung genutzten der CRISPR-Werkzeuge.

Diskussion / Kommentare

Kommentare werden geladen…