Markergene in gentechnisch veränderten Pflanzen: Werden Antibiotika unwirksam?
Sie stecken in vielen gentechnisch veränderten Pflanzen: Antibiotikaresistenz-Gene. Im Labor sind diese „Marker“ ein notwendiges technisches Hilfsmittel, in der öffentlichen Diskussion dagegen ein Anlass zur Besorgnis. Dass Krankheitserreger resistent werden gegen Antibiotika, ist ein zunehmendes Problem. Doch die Markergene in gv-Pflanzen sind daran schuldlos.
Markergene: Markierung für transformierte Pflanzenzellen. Meist nehmen nur wenige Pflanzenzellen das neu eingeführte Gen tatsächlich auf. Um diese Zellen zu finden, werden transformierte Blattstückchen auf ein Nährmedium gesetzt, das ein Antibiotikum enthält. Zellen, die ein entsprechendes Markergen besitzen, bleiben vital. Zellen ohne Marker sterben nach einiger Zeit ab, erkennbar an der braunen Färbung des Pflanzengewebes.
Erreger von Infektionskrankheiten, die gegen Antibiotika resistent sind, breiten sich aus. Deswegen Markergene in gv-Pflanzen verbieten?
Im menschlichen Darm sind etwa ein Viertel der Bakterien antibiotikaresistent, bei Rindern und Schweinen etwa drei Viertel. Die Ursachen liegen vor allem in einer extensiven Anwendung von Antibiotika in der Tier- und Humanmedizin wie sie früher weit verbreitet war.
Bis 2006 wurden Tierfutter standardmäßig Antiobiotoka als Wachstumsförderer zugesetzt. Inzwischen ist der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung streng reglementiert.
Die Übertragung eines Gens aus einer gv-Pflanze auf Bakterien ist ein extrem seltenes Ereignis. Markergene in gv-Pflanzen tragen nicht zu einer weiteren Verbreitung von Antibiotikaresistenzen bei.
Antibiotikaresistente Krankheitserreger haben sich ausbreiten können - lange bevor es gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen mit Antibiotikaresistenz-Markern gab. Dennoch, so wurde es in der Diskussion um Gentechnik anfangs häufig geäußert, könnte sich das Problem resistenter Krankheitskeime weiter verschärfen, sollte es zu einem großflächigen Anbau solcher gv-Pflanzen kommen.
So sei es denkbar, dass beim Verrotten von gv-Pflanzen auf dem Feld deren Markergen von Bodenbakterien aufgenommen und weiterverbreitet wird. Ähnliches könnte beim Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln oder Futter passieren, wenn die Resistenzgene von Bakterien im Darm aufgenommen werden und von dort auf Krankheitserreger übergehen. Die gegen diese Infektionen eingesetzten Medikamente könnten dann unwirksam werden.
Ein extrem seltenes Ereignis
Damit sich ein solches Szenario tatsächlich ereignet, muss das entsprechende Gen aus der Pflanze in das Erbgut eines Bakteriums integriert werden. Allerdings ist ein solcher horizontaler Gentransfer nach den bisherigen Erkenntnissen ein unter natürlichen Bedingungen äußerst seltenes Ereignis. Bis heute ist es jedenfalls nicht gelungen, ihn in der Natur nachzuweisen. Nur im Labor konnte bisher ein Gentransfer von Pflanze zu Bakterien beobachtet werden - allerdings nur, wenn zuvor ideale Bedingungen für einen Gentransfer „künstlich“ erzeugt worden waren.
Es muss also eine Menge zusammenkommen, damit ein horizontaler Gentransfer tatsächlich stattfindet. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bakterium ein Pflanzen-Gen aufnimmt, ist äußerst gering. Dennoch: Völlig auszuschließen ist ein solcher Gentransfer nicht, vor allem wenn bestimmte Bedingungen zutreffen, die seine Wahrscheinlichkeit erhöhen.
Antibiotikaresistenzen: Bei Bakterien verbreitet
Allerdings sind solche Resistenzen bei Bakterien ohnehin weit verbreitet. Viele der in Ackerböden anzutreffenden Bakterien besitzen eine Resistenz gegen das Antibiotikum Kanamycin. In drei Vierteln aller aus Schweinen und Rindern isolierten Proben wurden Ampicillin-resistente Bakterien gefunden.
Und im menschlichen Darm sind durchschnittlich 27 Prozent aller E. coli-Bakterien resistent gegenüber Ampicillin. Es ist viel wahrscheinlicher, dass solche Resistenzen im direkten Transfer zwischen Bakterien ausgetauscht werden, als dass sie über den „Umweg“ transgene Pflanze übernommen werden.
Wenn sich zunehmend antibiotikaresistente Infektionserreger ausbreiten, dann liegt das nicht an Markergenen in gv-Pflanzen, sondern an der früheren extensiven Anwendung von Antibiotika in der Human- und Tiermedizin, aber auch in der Tierhaltung. Bis vor wenigen Jahren wurden Antibiotika vor allem bei Schweinen standardmäßig dem Futter zugesetzt, um das Wachstum anzuregen. Dadurch wurde eine Ausbreitung resistenter Bakterien systematisch gefördert. Inzwischen werden Antiobiotika in der Tierhaltung nur noch zu medizinischen Zwecken eingesetzt.
EU: Markergene nur noch eingeschränkt verwendbar
In der seit 2002 geltenden Freisetzungsrichtlinie wurde die Verwendung von gv-Pflanzen mit Antiobiotikaresistenz-Markern in der EU schrittweise eingeschränkt. Seit 2008 dürfen keine gv-Pflanzen mehr zugelassen werden, wenn sie Antiobiotikaresiszenz-Marker enthalten, „die schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt haben können.“
Inzwischen sind kommerziell genutzte gv-Pflanzen mit Antibiotikaresistenz-Markern die Ausnahme. Die allermeisten der in der EU für den Import zugelassenen gv-Pflanzen kommen ohne solche Marker aus.
Themen
Es war ein Meilenstein: Vor dreißig Jahren gelang es Wissenschaftlern in Köln und Gent erstmals, ein „fremdes“ Gen in das Erbgut einer Pflanze einzuschleusen. Dazu nutzten sie ein weit verbreitetes Bodenbakterium und dessen besondere Fähigkeit, Pflanzenzellen umprogrammieren zu können.