Ist es wirklich erlaubt, Tiere und Pflanzen zu patentieren?
Frage: Was darf eigentlich patentiert werden?
Antwort: Patente werden für Erfindungen erteilt, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Ausgeschlossen vom Patentschutz sind Pflanzensorten und Tierrassen sowie „im Wesentlichen biologische Züchtungsverfahren“ wie Kreuzung oder Selektion.
Das gilt ebenso für Erfindungen, die ethischen Prinzipien widersprechen, etwa Verfahren zum Klonen von Menschen. Auch bloße Entdeckungen, also bereits vorhandene Dinge oder Teile der Natur, dürfen nicht patentiert werden.
Die Patentierung von „biologischem Material“ wird in der Europäischen Union durch die „Biopatente-Richtlinie“ (98/44/EG) aus dem Jahre 1998 geregelt. Auch das Europäische Patentamt in München arbeitet auf dieser Grundlage.
Was ist ein Patent und wozu ist es da?
Ein Patent gibt dem Erfinder für einen begrenzten Zeitraum – in Deutschland maximal 20 Jahre – das Recht, seine Erfindung bevorrechtigt zu nutzen. Andere Anwender müssen ihm dafür Lizenzgebühren zahlen. Im Gegenzug ist der Patentinhaber verpflichtet, seine Erfindung zu veröffentlichen, damit die Gesellschaft am „technischen Fortschritt“ teilhaben kann.
Die Patentierung soll vor allem in solchen Bereichen einen ökonomischen Anreiz schaffen, wo Forschung und Entwicklung sehr teuer sind und einen erheblichen Finanzaufwand erfordern. Erst durch die Möglichkeit der Patentierung – und damit den Vorteil einer bevorzugten Nutzung oder Einnahme von Lizenzgebühren – können Innovationen finanziert werden.
Kann man sich Gene, Gensequenzen oder das menschliche Genom „einfach so“ patentieren lassen?
Nein – allein die Entdeckung von DNA und Gensequenzen ist keine patentierbare Erfindung. Ohne eine erfinderische Leistung kann niemand ein Patent erhalten.
Wird die Gensequenz jedoch durch ein besonderes technisches Verfahren gewonnen und eine konkrete Beschreibung der bis dahin nicht bekannten Funktion und seiner gewerblichen Anwendbarkeit geliefert, kann auch „biologisches Material“, das in der Natur schon vorhanden war, eine patentierbare Erfindung sein.
Können Patente auf normale Tiere und Pflanzen erteilt werden?
Nach der europäischen Biopatente-Richtlinie können Patente auf Tiere und Pflanzen vergeben werden - allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen: Sie müssen mit einem neuen, als Patent anerkannten mikrobiologischen Verfahren gezüchtet oder erzeugt worden sein. Das trifft vor allem auf die Gentechnik zu. „Im Wesentlichen biologische Züchtungsverfahren“ sind ebenso vom Patentschutz ausgeschlossen wie die so erzeugten Tiere und Pflanzen. Im Juni 2017 hat das Europäische Patentamt klargestellt, dass keine Patente auf Tiere und Pflanzen erteilt werden dürfen, die auf klassische Weise durch Kreuzen und Selektion entstanden sind. Inzwischen werden auch auf markergestützte Züchtungsverfahren keine Patente mehr erteilt.
Allerdings ist es schwierig, klare Grenzen zwischen „im Wesentlichen biologischer“ Züchtung und modernen mikrobiologischen Züchtungsmethoden zu ziehen. Dazu hat es immer wieder - teilweise auch öffentlich ausgetragene - Streitfälle gegeben.
Bei Pflanzen gibt es doch den Sortenschutz. Wozu dann noch Patente?
In der Pflanzenzüchtung gilt der Sortenschutz - und nicht etwa Patente - als bewährtes Konzept zum Schutz geistigen Eigentums. Unter Sortenschutz gestellt werden nur amtlich zugelassene Sorten, während Patente sich auf technische Verfahren beziehen, die sorten- oder artübergreifend angewandt werden.
Der Sortenschutz wird vor allem von Pflanzenzüchtern in Anspruch genommen, Patente von Wissenschaftlern oder internationalen Unternehmen.
Wodurch unterscheiden sich Sorten- und Patentschutz?
Der Sortenschutz ist das primäre Schutzrecht für Pflanzensorten. Entscheidend sind die Eigenschaften der Sorte, nicht dafür genutzte Züchtungsverfahren. Dagegen bezieht sich der Patentschutz auf Erfindungen bei technischen, molekularbiologischen Verfahren, unabhängig von Pflanzenart oder Sorte. Beide Instrumente gestehen dem „Besitzer“ das alleinige Verwertungsrecht einer Sorte bzw. eines Patents zu.
Allerdings ist der Sortenschutz offener: Auch bei geschützten Sorten dürfen Landwirte einen Teil ihrer Ernte für die Aussaat im folgenden Jahr verwenden (Nachbau). Dafür müssen sie jedoch dem Schutzrechtsinhaber eine angemessene Entschädigung zahlen. Vor allem aber dürfen andere Züchter geschützte Sorte für ihre züchterische Tätigkeit frei nutzen, ohne dafür eine Erlaubnis einholen zu müssen. Dadurch soll ein Stillstand in der Züchtung vermieden werden.
Wer muss für die Nutzung patentierter Pflanzen bezahlen?
Für die Nutzung eines im Zusammenhang mit einer bestimmten Anwendung patentierten Gens – etwa ein Gen für eine Herbizidresistenz – zahlt der Pflanzenzüchter die Gebühr direkt an das Technologieunternehmen. Das hat zur Folge, dass Saatgut einer gv-Sorte teurer ist als das vergleichbarer Sorten, die das patentierte Gen nicht besitzen. Der Landwirt bezahlt für die Patentlizenzen indirekt über einen Aufschlag auf den Saatgutpreis.
Auch wenn es von Gentechnik-Gegnern häufig behauptet wird: Sollte es zu unbeabsichtigten Einkreuzungen von patentierten Pflanzen in konventionelle Pflanzen kommen, muss der betroffene Landwirte keine Patentgebühren bezahlen.
Geraten Landwirte durch patentiertes Saatgut in eine zunehmende Abhängigkeit von großen Konzernen?
Ob patentiert oder nicht - zumindest in Europa ändert sich für die Landwirte kaum etwas. Viele nutzen heute schon zertifiziertes Saatgut. Das bedeutet auch: Wenn sie einen Teil der Ernte für die Aussaat im Folgejahr zurückhalten, müssen sie dafür Nachbaugebühren zahlen. Außerdem werden in vielen Kulturarten zunehmend Hybridsorten verwendet. Diese sind ertragreicher und robuster als herkömmliche Sorten - allerdings nur im Jahr der Aussaat. Hybrid-Saatgut müssen die Landwirte immer wieder neu kaufen.
Landwirte, die nicht-zertifiziertes, „samenfestes“ Saatgut nutzen, unterliegen diesen Einschränkungen nicht.
Ist die moderne, allein wirtschaftlich orientierte Pflanzenzüchtung nicht Schuld daran, dass alte Sorten verschwunden und nur noch wenige Hochleistungssorten übrig geblieben sind?
Allein in Deutschland gibt es derzeit ca. 1750 zugelassene Sorten, die unter Sortenschutz stehen. So wenig ist das nicht.
Für alte Sorten - sogenannte Amateur- oder Erhaltungssorten - gibt es besondere Bestimmungen. Eine Zulassung ist hier sehr viel leichter als für „moderne“ Sorten und ohne großen Aufwand möglich. Im Prinzip kann jeder solche Sorten anbauen und mit ihnen handeln. Das wird inzwischen auch von verschiedenen Initiativen, Kleinunternehmen und Hobbyzüchtern gemacht.
Beschleunigt die Patentierung von Saatgut den Konzentrationsprozess in der Branche?
Neue Sorten mit anspruchsvollen Zielen in Qualität oder Pflanzenschutz sind ohne intensive Forschung und Entwicklung nicht möglich. Die Züchtung einer neuen Sorte dauert fünfzehn, manchmal bis dreißig Jahre und kostet viel Geld. Das können sich kleine Züchter kaum leisten. Weltweit gibt es, wie in anderen forschungsintensiven Bereichen, bei der Züchtung einen Konzentrationsprozess – auch ohne Patentierung. Umso wichtiger wird die öffentliche Agrarforschung, gerade auf internationaler Ebene.
Deutschland hat eine vielfältige Züchtungslandschaft mit etwa achtzig Unternehmen. Schon seit mehr als hundert Jahren kooperieren die Firmen in der Forschung und wirken dadurch auch dem Konzentrationsprozess in der Branche entgegen.