Sortenschutz: Weniger Exklusivrecht, mehr Open Source
In der Pflanzenzüchtung gibt es schon lange ein Instrument zum Schutz des geistigen Eigentums: den Sortenschutz. Ähnlich wie das Patentrecht gewährt es dem Züchter das exklusive Nutzungsrecht auf seine Sorte. Doch es ist weniger eng gefasst: Andere Züchter dürfen mit der geschützten Sorte weiterzüchten, ohne dafür eine Erlaubnis zu benötigen. Für die Erhaltungszüchtung alter, traditioneller Sorten gibt es ohnehin weniger strenge Vorschriften.
Anzahl von Pflanzensorten in Deutschland, die unter Sortenschutz stehen. Stand: 25.04.2014
Quelle: Bundessortenamt
Allein mit alten Sorten geht es nicht: Immer wieder müssen Nutzpflanzen an sich ändernde Bedingungen und Bedürfnisse angepasst werden - und dazu noch ausreichende Erträge liefern. Züchtung ist ein ständiger Prozess, in den heute immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse einfließen. Kaum eine Branche investiert mehr in Forschung und Entwicklung als die Pflanzenzüchtung. Etwa zehn Jahre - manchmal auch deutlich länger - dauert es, bis eine neue Sorte auf den Markt gebracht werden kann.
Dieser Aufwand ist nur finanzierbar über den Verkauf des Saatguts. Doch anders als technische Produkte oder Gegenstände vermehren sich Pflanzen. Jeder Landwirt kann selbst Saatgut aus seiner Ernte erzeugen, ohne neues kaufen zu müssen. Dennoch müssen die Züchter ausreichende Einnahmen erzielen, um damit ihre Arbeit finanzieren zu können. Bleibt dafür unterm Strich zu wenig übrig, lohnt sich Züchtung nicht mehr.
Um weiter einen Anreiz für Pflanzenzüchtung zu schaffen, gibt es den Sortenschutz. Damit sollen unterschiedliche Interessen ausgeglichen werden: Einerseits die des Züchters, dem ein Exklusivrecht auf sein geistiges Eigentum - die Sorte - gewährt wird, andererseits die anderer Züchter, denen ein freier Zugang zu geschützten Sorten eingeräumt wird, um mit ihnen weiterzüchten zu können („züchterischer Fortschritt“). Nicht zuletzt sollen Landwirte einen Teil ihrer Ernte wieder aussäen („Nachbau“) können, auch wenn sie geschützte Sorten verwenden.
Sortenschutz: Sichert dem Züchter das exklusive Nutzungsrecht auf seine Sorte.
Aber:
-Landwirte dürfen Saatgut nachbauen, müssen dafür aber eine Gebühr entrichten
-Kleinlandwirte sind davon befreit
-Züchter dürfen mit der geschützten Sorte weiter züchten, ohne dafür eine Erlaubnis zu benötigen
-einfachere Regeln für Erhaltungs- und Amateursorten
Hohe Hürden bis zur Sorte
Jeder Züchter oder Entdecker einer neuen Sorten kann die Zulassung beantragen. Voraussetzung dafür ist, dass sie sich von anderen Sorten der gleichen Art unterscheidet, dass sie Homogenität und Beständigkeit aufweist sowie ihr landeskultureller Wert. Darunter versteht man, dass sie in der „Gesamtheit der wertbestimmenden Eigenschaften“ besser abschneidet als die derzeit zugelassenen vergleichbaren Sorten. Ob das zutrifft, muss sich in der Wertprüfung erweisen: Dabei wird die neue Sorte über mindestens zwei, in der Regel drei Jahre an mehreren Standorten angebaut.
Von den in Deutschland jährlich etwa 1000 angemeldeten landwirtschaftlichen Sorten werden am Ende nur etwa 150 tatsächlich zugelassen und in die Sortenlisten eingetragen. Die Sortenzulassung wird für zehn Jahre erteilt. Sie kann auf Antrag verlängert werden. Zuständige Behörde ist das Bundessortenamt.
Landwirteprivileg und Züchtervorbehalt
Für jede zugelassene Sorte kann dort Sortenschutz beantragt werden. Hat der Antrag Erfolg, bekommt der Züchter für 25 Jahre, bei Kartoffeln und anderen Arten 30 Jahre das alleinige Recht, die betreffende Sorte zu vermehren und beim Verkauf eine Lizenzgebühr zu erheben. Im Frühjahr 2014 waren in Deutschland 1747 solche Sorten anerkannt.
- Bei geschützten Sorten müssen die Landwirte in der Regel einen höheren Preis für Saat- oder Pflanzgut bezahlen. Meist nehmen sie das in Kauf, weil sie eine konstante und geprüfte Qualität erwarten können.
- Landwirte, die bei geschützten Pflanzensorten einen Teil ihrer Ernte wieder für die nächste Anbauperiode aussäen (Nachbau), müssen dafür eine Gebühr bezahlen. Diese ist in der Regel deutlich geringer als der Saatgutpreis und beträgt etwa die Hälfte der Lizenzgebühren. Für Hybridsorten gilt dieses „Landwirteprivileg“ nicht. Bei diesen ist der Nachbau allerdings auch wenig sinnvoll, da die Erträge der Nachkommen deutlich geringer sind (Heterosiseffekt). Der Nachbau ist immer nur im eigenen Betrieb erlaubt.
- Kleinlandwirte sind von Nachbaugebühren befreit. Wer als Kleinlandwirt gilt, hängt von der bewirtschafteten Fläche ab. Diese „Kleinerzeugerschwellen“ sind je nach Bundesland und Fruchtart unterschiedlich.
- Andere Züchter dürfen eine geschützte Sorte auch ohne Zustimmung des „Besitzers“ nutzen und die daraus entstehenden neuen Sorten vermarkten. Dieses „Züchterprivileg“ des Sortenrechts sichert allen Züchtern einen freien Zugang zu dem jeweils neuesten genetischen Material - eine wesentliche Voraussetzung für die stetige züchterische Verbesserung und die Vielfalt leistungsfähiger Sorten. Auch hier gibt es für Hybridsorten bestimmte Ausnahmen.
Alte Sorten: Großes Interesse, weniger Regeln
Inzwischen kümmern sich viele Initiativen, Kleinunternehmen und einzelne „Amateure“ um alte Sorten oder Landsorten mit regionaler Bedeutung. In der Regel haben sie für die professionelle Landwirtschaft nur noch eine geringe Bedeutung, sind aber von Interesse für die Erhaltung genetischer Ressourcen.
Zwar gilt auch für alte Sorten grundsätzlich eine Zulassungspflicht, wenn mit ihnen gewerblich gehandelt werden soll. Die Bedingungen für eine Zulassung und den Vertrieb von Erhaltungs- und Amateursorten sind jedoch erheblich einfacher. In Deutschland gibt es dafür eine „Erhaltungssortenverordnung“, in der europäische Vorgaben umgesetzt sind. Seit mehreren Jahren ist es ohne größere Hürden überwinden zu müssen möglich, solche Erhaltungssorten anzubauen und mit ihnen zu handeln.