CRISPR/Cas (Gen-Schere)

Molekularbiologisches Verfahren, um einen DNA-Strang an einer vorgegebenen Stelle zu durchschneiden und dort gezielt zu verändern. An der Schnittstelle können einzelne DNA-Bausteine eingefügt, entfernt oder modifiziert werden. Das Verfahren funktioniert grundsätzlich bei allen Organismen. Es wird auch in der Tier- und Pflanzenzüchtung und in der Biotechnologie eingesetzt.

Das CRISPR/Cas-System leitet sich von einem natürlichen Mechanismus ab, mit dem sich Bakterien ähnlich einem Immunsystem vor schädlichen Viren schützen. Bei einer Infektion spaltet ein Schneideprotein (Cas) die DNA der eingedrungenen Viren auf. Die Bruchstücke werden in kurzen, sich wiederholenden Fragmenten in einen speziellen Abschnitt (CRISPR = Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) im Bakterien-Erbgut eingefügt. Bei einem erneuten Virenbefall wird deren DNA mit der auf dem CRISPR-Abschnitt gespeicherten verglichen. Stimmt sie überein, tritt das Cas-Protein in Aktion und zerschneidet die Viren-DNA.

Das daraus entwickelte System („programmierbare Gen-Schere“) funktioniert nicht nur in Bakterien, sondern grundsätzlich in allen lebenden Zellen, auch in den von Pflanzen und Tieren. Man kann damit jeden DNA-Strang an einer ganz bestimmten Stelle durchtrennen und im Zuge der anschließenden Reparatur einzelne DNA-Bausteine ausschneiden, austauschen oder auch neu einfügen.

Wie alle Genome Editing-Verfahren läuft auch CRISPR/Cas im Wesentlichen in drei Schritten ab.

CRISPR/Cas


Ziel finden: Das CRISPR-System „erkennt“ mit Hilfe der darin integrierten RNA (guide-RNA) das jeweilige Ziel, eine bestimmte DNA-Sequenz, die „umgeschrieben“ werden soll. Die guide-RNA und die DNA des Ziels passen genau zueinander (siehe Grafik).

Schneiden: Das an den CRISPR-Abschnitt gekoppelte Cas9-Protein schneidet den DNA-Doppelstrang genau an der vorbestimmten Stelle im Erbgut. Dadurch entsteht dort ein „Doppelstrangbruch“.

Reparieren: Nun treten die zelleigenen Reparatursysteme in Aktion und fügen den durchtrennten DNA-Strang wieder zusammen. Dieses kann zufällig (nicht-homolog) oder gezielt (homolog) erfolgen. Bei der nicht-homologen Reparatur werden an der Bruchstelle zufällig einzelne DNA-Bausteine entfernt oder „falsch“ zusammengesetzt. Dadurch kann das betreffende Gen nicht mehr richtig abgelesen werden (Abb. unten rechts). Dadurch wird das jeweilige Genprodukt – ein bestimmtes Protein – nicht mehr gebildet. – Bei der homologen Reparatur kann an der Bruchstelle ein neuer Gen-Abschnitt oder eine veränderte Variante einer kurzen DNA-Sequenz (Mutation) eingefügt werden (Abb. unten links).

Wenn keine neuen Gen-Sequenzen eingefügt werden, entsprechen diese Vorgänge – Bruch des DNA-Strangs und anschließende Reparatur – natürlichen Mutationen, wie sie zufällig und in großer Zahl bei jeder Vermehrung stattfinden oder in der Züchtung durch Strahlung oder chemische Substanzen ausgelöst werden.

Die CRISPR-Werkzeuge – guide-RNA und Schneideprotein Cas9 – werden synthetisch „im Labor“ hergestellt und anschließend in die zu verändernde Zelle eingeführt. Das kann mit bekannten gentechnischen Verfahren – bei Pflanzen etwa eine Transformation mit Agrobakterien – geschehen. Inzwischen sind auch DNA-freie Genom-Editierungen möglich. Dabei werden Proteinkomplexe und RNA direkt in Zellen eingeschleust.

Wenn die CRISPR-Werkzeuge ihren Zweck erfüllt und die beabsichtigte Mutation herbeigeführt haben, werden sie nicht mehr benötigt. Es werden nur solche Nachkommen für die weitere Vermehrung ausgewählt, in denen sie nachweislich nicht mehr vorhanden sind. So entsteht etwa Saatgut, dessen Erbgut zwar die gewünschte Mutation enthält, jedoch in der Regel kein fremdes Genmaterial.

Im Vergleich zu anderen Genome Editing-Verfahren lassen sich die CRISPR/Cas-Elemente viel einfacher, schneller und kostengünstiger herstellen. Zudem arbeiten sie weitaus präziser als andere Züchtungsverfahren: Unbeabsichtigte Schnitte im DNA-Strang außerhalb der Zielregion (Off-target-Effekte) sind sehr selten.

In der Grundlagenforschung ist CRISPR/Cas inzwischen das Standard-Verfahren, um einzelne Gene gezielt abzuschalten und so deren Funktionen aufzuklären. Auch in der Tier- und Pflanzenzüchtung wird die Gen-Schere heute breit eingesetzt. Weltweit sind hunderte Forschungs- und Entwicklungsprojekte publiziert. Außerhalb Europas befinden sich erste Produkte bereits auf den Markt.

In Europa fallen mit Genome Editing gezüchtete Pflanzen und Tiere noch immer unter die Gesetze für gentechnisch veränderte Organismen (GVO). Derzeit wird in der EU an einer Neuregulierung gearbeitet.

Genome Editing und ähnliche Verfahren werden auch als Neue Genomische Techniken (NGT) bezeichnet.

Varianten bzw. Weiterentwicklungen von CRISPR/Cas: Base Editing, Prime Editing

Siehe auch

Genome Editing Genom DNA RNA Mutation Off-target-Effekte