Genom-editierte Pflanzen: Was außerhalb Europas schon auf dem Markt ist (oder kurz davor)
Genome Editing, also das gezielte Umschreiben einzelner DNA-Bausteine, ist ein völlig neues Verfahren in der Pflanzenzüchtung. Es braucht noch etwas Zeit, bis damit entwickelte Produkte so weit sind, dass sie auf den Markt kommen. Doch inzwischen haben es erste solcher Pflanzen geschafft: Außerhalb Europas, vor allem in Nordamerika und Japan gibt es sie zu kaufen - als Saatgut und als Lebensmittel.
Inzwischen sind es einige Pflanzenarten, die mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas und ähnlichen Verfahren erfolgreich editiert wurden und so neue Merkmale erhalten haben, fertig entwickelt, viele bereits in Feldversuchen getestet und einige sogar schon auf dem Markt. Darunter sind Pflanzen, die Vorteile beim Anbau versprechen oder besser mit Krankheiten fertig werden. Bisher sind es vor allem Pflanzen mit neuen Eigenschaften, die sie als Lebensmittel attraktiver machen: Etwa besserer Geschmack, höherer Gesundheitswert oder länger anhaltende Frische.
Alle genom-editierten Pflanzen, die außerhalb Europas bereits auf dem Markt sind - oder kurz davor - basieren auf einem gezielt herbeigeführten Schnitt des DNA-Doppelstrangs an einer vorgegebenen Stelle und einer anschießenden „natürlichen“ und meist fehlerhaften Reparatur. Als Folge davon ist das Zielgen nicht mehr funktionsfähig und wird deaktiviert. Bisher ist bei keiner dieser Pflanzen fremdes Genmaterial eingefügt worden. Das alles ist von natürlichen Mutationen nicht unterscheidbar.
Die so editierten Pflanzen werden in Ländern, die ihre Gentechnik-Gesetze bereits reformiert haben wie den USA, Japan, Argentinien oder England, von allen besonderen Auflagen befreit - und bald wohl auch in der EU: Nach dem Vorschlag der EU-Kommission fallen solche Pflanzen in die Kategorie NGT1, für die künftig eine Anmeldung genügen soll.
Die ersten editierten Pflanzen, die man (theoretisch) schon probieren kann (Beispiele)
Tomaten mit erhöhtem GABA-Gehalt (blutdrucksenkend)
Tomaten enthalten natürlicherweise den Botenstoff GABA (Gamma-Aminobuttersäure), ein Neurotransmitter, der eine beruhigende und blutdrucksenkende Wirkung hat. Allerdings wird in normalen Tomaten die GABA-Bildung durch einen genetischen Schalter begrenzt. Mit Hilfe von CRISPR/Cas wurde dieses Gen ausgeschaltet. Als Folge davon ist in solchen Tomaten der GABA-Gehalt um das Fünf- bis Sechsfache erhöht.
Verfahren: Gezielter Doppelstrangbruch in einem Gen, welches die Bildung von GABA begrenzt, dadurch Knockout des Gens. Status: Nach den Richtlinien für Produkte aus genom-editierten Pflanzen gelten die GABA-Tomaten in Japan nicht als GVO und müssen nicht zugelassen werden. Unternehmen: Sanatech Seed. Vermarktung: In Japan waren die Tomaten (Sicilian Rouge High GABA) zunächst als Pflanzgut für Hobby-Gärtner erhältlich (April 2021), danach begann der kommerzielle Anbau und Vertrieb im Lebensmittelhandel. GABA-Tomaten werden mit dem Hinweis versehen, dass bei ihrer Entwicklung Genome Editing-Technologie genutzt wurde.
Senfgrün, frischer Salat ohne Bittergeschmack
Die grünen Blätter von Senf (Brassica juncea) sind vor allem im Süden der USA als Salat beliebt. Allerdings: Wegen ihres starken Bittergeschmacks müssen sie gekocht werden. Dadurch gehen Vitamine und Nährstoffe verloren. Mit CRISPR/Cas ist das für den Bittergeschmack verantwortliche Gen ausgeschaltet worden. Die Blätter des editierten Senfs können frisch verzehrt werden.
Verfahren: Doppelstrangbruch an einer vorgegebenen Stelle mit anschließender zufälliger Reparatur, dadurch Knockout des Gens, das für den unerwünschten Bitterstoff verantwortlich ist. Status: In den USA ohne Auflagen freigegeben (Juli 2022). Unternehmen: Pairwise Plant Services. Vermarktung: Seit Mai 2023 erhältlich in ausgewählten Restaurants, in Supermärkten an der Pazifikküste ab Sommer 2023 (Markenname: Conscious Greens). Das Unternehmen hat angekündigt, demnächst kernlose Blau- und Himbeeren auf den Markt zu bringen. Auch diese mit CRISPR-editierten Pflanzen sind in den USA bereits dereguliert.
Salat, der nicht braun wird
Mit Hilfe von CRISPR/Cas ist bei Salat ein Gen ausgeschaltet worden, das die enzymatische Oxidation steuert, eine chemische Reaktion bei Verletzung oder Alterung von Zellen. Der editierte Salat bleibt länger frisch und wird weniger schnell braun. Es wird weniger weggeworfen und es entstehen weniger Lebensmittelabfälle.
Verfahren: Gezielter Doppelstrangbruch und Knockout des Gens, das die enzymatische Oxidation in Gang setzt. Status: In den USA ohne Auflagen freigegeben. Unternehmen: Green Venus LLC. Vermarktung: Der nicht bräunende Romana-Salat soll bereits in einigen Regionen der USA erhältlich sein. Derzeit bereitet Green Venus die Markteinführung von fünf weiteren editierten Salatsorten vor. Später sollen auch genom-editierte Avocados mit längerer Haltbarkeit folgen.
Orangenbäume, die resistent gegen Zitruskrebs sind
Zitruskrebs (Citrus canker) ist eine krebsähnliche Krankheit, die Zitrusfrüchte befällt und große Schäden verursacht. Sie wird von Bakterien (Xanthonomas citri) ausgelöst, die in vielen Anbauregionen endemisch sind. Fast alle gängigen Zitrussorten sind anfällig. Meist wird die Krankheit mit antimikrobiellen Mitteln auf Kupferbasis bekämpft. Nachhaltiger und umweltverträglicher ist die Züchtung resistenter Zitruspflanzen. Diese ist jedoch aufwändig und langwierig: Von der Einkreuzung von Resistenzgenen aus Artverwandten bis zu einer fertigen resistenten Kultursorte kann es etwa 20 Jahre dauern.
Mit Hilfe einer neuartigen CRISPR/Cas-Variante ist es gelungen, eine Resistenz gegen Zitruskrebs direkt in Zitruspflanzen hinein zu editieren. Dafür wurde ein bestimmtes Krebsempfindlichkeits-Gen (LOB1) deaktiviert. Die Bakterien nutzen es, um in die Zitruszellen einzudringen und dort bestimmte Gene so umzuprogrammieren, dass krebsartige Wucherungen entstehen. Die CRISPR-basierte Entwicklung von resistenten Zitruspflanzen benötigte nur 10 Monate.
Verfahren: Das neue CRISPR-Verfahren blockiert direkt die Aktivität des LOB1-Gens und verschließt so die Eintrittspforte, über die die Bakterien in die Pflanzenzellen eindringen. Anders als bei den meisten CRISPR-Verfahren werden dafür keine genetischen Konstrukte benötigt, die vorübergehend in die Zellen eingebaut werden. Die so editierten Zitruspflanzen sind transgen-frei. Status: Die Canker-resistenten Zitrusbäume (und Früchte) sind von den zuständigen US-Behörden ohne Auflagen freigegeben worden (Dez. 2022). Entwickler: University of Florida. Vermarktung: Derzeit werden editierte Zitrusbäume aufgezogen bzw. aufgepfropft. Erste Früchte sollen in ca. drei Jahren in den Handel kommen.
Mais mit veränderter Stärkezusammensetzung (Waxy Corn)
Im Mais liegt Stärke als eine Mischung der beiden Kohlenhydrate Amylopektin und Amylose vor. Für bestimmte Anwendungen im Lebensmittelbereich sowie in der Textil- und Papierindustrie ist die wachsartige Amylopektin-Stärke besser geeignet. Mit Hilfe des CRISPR/Cas-Systems wurde ein Gen, welches die Amylose-Bildung steuert, ausgeschaltet. Bei diesem waxy-Mais, der ausschließlich Amylopektin-Stärke enthält, kann die technisch aufwändige Trennung der Stärketypen entfallen.
Verfahren: Gezielter Doppelstrangbruch in einem Gen, welches die Bildung von Amylose steuert. Der so editierte Mais enthält fast ausschließlich Amylopektin-Stärke. Status: In den USA seit 2016 ohne Auflagen freigegeben, inzwischen auch in Japan (April 2023). Unternehmen: Corteva Agriscience. Vermarktung: Nach Auswertung von Anbauversuchen steht der waxy-Mais vor der Markteinführung in den USA.
Speiseöl aus Sojabohnen mit einem höheren Anteil an Ölsäuren
Pflanzliche Öle enthalten in der Regel hohe Anteile an einfachen und mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Als gesundheitlich besonders wertvoll gelten einfach ungesättigte Fettsäuren wie die Ölsäure. Bei vielen ölhaltigen Pflanzenarten wird an der Veränderung der Fettsäurezusammensetzung gearbeitet, so auch bei Sojabohnen. Ziel dabei ist die Steigerung des Gesundheitswerts, aber auch verbesserte technologische Eigenschaften.
Verfahren: Gen-Editierung zweier Sojabohnen-Gene mit Hilfe des TALEN-Verfahrens. Dadurch wird das Fettsäurespektrum verändert: Es entstehen weniger gesättigte Fettsäuren und mehr gesundheitlich wertvolle Ölsäure. Status: In den USA seit 2015 von allen GVO-Auflagen befreit. Unternehmen: Calyxt, inzwischen mit Cibus fusioniert. Vermarktung: Das Speiseöl (Markenname Calyno) aus editierten Sojabohnen ist in den USA seit einigen Jahren auf dem Markt. Es wird als Non-GMO deklariert.
Fotos: The Ultimators, Sanatech, Gloryfoods/flickr, iStock, 123RF
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Themen
Im Web
- Pairwise commerzializes „first gene edited food“ in US with CRISPR-altered salad blend; Food ingredients, 18 May 2023
- First Genome Edited Tomato with Increased GABA In the World, Sanatech-Seed
- Green Venus LLC
- Hang Su et al; Generation of the transgene-free canker-resistant Citrus sinensis using Cas12a/crRNA ribonucleoprotein in the T0 generation; Nature communications 14, 05 July 2023
- European Commission, Joint Research Centre, Parisi, C., Rodríguez-Cerezo, E., Current and future market applications of new genomic techniques, 2021
- EU Commission, New genomic techniques; Interactive dashboard; May 2021