Die Industriestärke-Kartoffel Amflora: Langes Zulassungsverfahren, kurzes Ende
Der erste Zulassungsantrag für die gentechnisch veränderte Amflora-Kartoffel wurde schon 1996 eingereicht. Dreizehn Jahre später genehmigte die EU-Kommission sowohl den Anbau in Europa als auch ihre Verwendung als Futtermittel. 2012 verlagerte die BASF ihre Gentechnik-Sparte in die USA und stellte die weitere Vermarktung der Amflora-Kartoffel ein. Es fehle bei Verbrauchern, Landwirten und Politikern an Akzeptanz für Produkte der Grünen Gentechnik.
Um die Zulassung der Amflora-Kartoffel wurde über viele Jahren eine erbitterte Auseinandersetzung geführt. Auch wenn Gentechnik-Kritiker immer wieder auf Sicherheitsbedenken verwiesen - tatsächlich ging es um eine politische Frage von hohem symbolischen Wert: Amflora war die erste gentechnisch veränderte Pflanze, die seit 1998 in der EU eine Anbau-Zulassung erhielt.
Amflora-Kartoffel. Nur Amylopektin-Stärke in den Knollen. Die aufwändige Trennung der verschiedenen Stärke- bestandteile bzw. die Optimierung der Kartoffelstärke durch chemische Modifikation entfällt.
Amflora-Anbau: Auspflanzung (Großes Foto oben), Ernte (unten)
Fotos: BASF Plant Science
Rohstoff-Aufkommen für die Stärke-Produktion in Europa 2010 (22 Mio. t)
Die zwei Formen der Stärke
In Europa stammen etwa 15 Prozent der verarbeiteten Stärke aus Kartoffeln, in Deutschland über vierzig Prozent. Stärke wird sowohl in der Lebensmittelindustrie eingesetzt, ist aber auch als nachwachsender Rohstoff Bestandteil vieler Produkte im Non-Food-Bereich.
Pflanzliche Stärke besteht aus zwei verschiedenen Formen, Amylose und Amylopektin. Bei der Kartoffel beträgt das Verhältnis von Amylose zu Amylopektin etwa 1:4. Beide Stärkeformen haben unterschiedliche Eigenschaften: Während Amylose geliert, kann Amylopektin verdicken und verbinden. Die Kleistereigenschaften des Amylopektins werden in vielen Produkten genutzt. Daher wird diese Stärkeform häufiger nachgefragt.
Amylopektin wird etwa in der Papier- und Textilstoffindustrie sowie bei der Kleb- und Bausstoffherstellung verwendet. Aus Amylose dagegen lassen sich biologisch abbaubare Folien und Filme herstellen. Vor jeder industriellen Verwendung musste früher die Kartoffelstärke in diese beiden Komponenten getrennt werden. Dies geschah unter hohem Verbrauch von Energie und Wasser. Heute ist es auch möglich, die gewünschte Stärkeform über eine chemische Modifikation zu erzeugen.
Ein Gen abschalten: Nur noch Amylopektin-Stärke
Durch Einsatz gentechnischer Verfahren ist eine Kartoffel entwickelt worden, die ausschließlich Amylopektin produziert und damit den Schritt der Stärketrennung bzw. -modifizierung überflüssig machen soll. In der Kartoffel wurde das für die Bildung von Amylose verantwortliche Gen blockiert, indem Teile des Gens in umgekehrter Orientierung ins Genom eingeführt wurden (Antisense-Technik).
Entwickelt wurde die gv-Kartoffel, die später den Markennamen Amflora erhielt, von BASF Plant Science. Erste Zulassungsanträge wurden bereits 1996 gestellt, doch es dauerte bis 2010, bis sowohl der Anbau der Amflora-Kartoffel in der EU erlaubt wurde, als auch Futtermittel, die aus den bei der Stärkeverarbeitung anfallenden Reststoffen (Pülpe) gewonnen werden.
Mehrfach haben verschiedene Expertengremien der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Amflora-Kartoffel überprüft. Obwohl sie dabei wiederholt als „sicher für die Umwelt sowie die menschliche und tierische Gesundheit“ eingestuft wurde, konnte sich die EU-Kommission ebenso wie die Mitgliedsstaaten politisch nicht auf eine Zulassung verständigen.
Hauptgrund war ein in der Amflora-Kartoffel vorhandenes Antibiotikaresistenz-Gen. Zu dieser Problematik hat die EFSA im Juni 2009 erneut eine Stellungnahme abgegeben, wonach eine Gefährdung durch dieses Markergen „unwahrscheinlich“ sei.
Obwohl die Amflora-Kartoffel ausschließlich als Rohstoff für die Stärkeindustrie gedacht war, wurde auch eine Genehmigung als Lebens- und Futtermittel beantragt. Ein Teil der bei der Verarbeitung anfallenden Reststoffe sollte als Futtermittel verwertet werden. Die Zulassung als Lebensmittel wurde vorsorglich für den Fall angestrebt, dass einzelne der gv-Kartoffeln versehentlich in die Lebensmittelverarbeitung gelangen.
Anbau in Europa: Zwei Jahre in drei Ländern.
2010 begann der Anbau der Amflora-Kartoffel zunächst auf kleineren Flächen. Nur in Tschechien (150 ha) wurde die Ernte in einer Stärkefabrik verarbeitet, in Schweden (80 ha) und Deutschland (15 ha) sollten Pflanzenkartoffeln für die nächsten Jahre erzeugt werden. 2011 beschränkte sich der Amflora-Anbau auf Schweden (15 ha) und Deutschland (2 ha). Die beteiligten Landwirte, die Amflora-Kartoffeln anbauten, mussten sich zur Einhaltung bestimmter vertraglicher Regeln verpflichten. Diese sollen ausschließen, dass gv-Kartoffeln in die Futter- und Lebensmittelkette gelangen und sich mit herkömmlichen Kartoffeln oder Kartoffelprodukten vermischen.
2012 stellte die BASF Plant Science mit dem Umzug ihrer Gentechnik-Sparte in die USA auch die Vermarktung der Amflora-Kartoffel ein. Ebenso wurden die weitere Entwicklung ähnlicher Stärkekartoffeln und alle auf den europäischen Markt ausgerichteten Projekte gestoppt.
Im Dezember 2013 hob der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Zulassung der Amflora-Kartoffel auf, nachdem die ungarische Regierung dagegen geklagt hatte. Grund für das Urteil waren Verfahrensfehler bei der Zulassung durch die EU-Kommission. So sei ein neues Gutachten der Europäischen Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bei der Zulassung berücksichtigt worden, dem zuständigen Ausschuss der EU-Staaten sei aber keine Gelegenheit gegeben worden, dazu Stellung zu nehmen.
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Dauerkonflikt um Amflora . Es dauerte 13 Jahre, bis die gentechnisch veränderte Amflora-Kartoffel zum Anbau in Europa zugelassen wurde. Doch damit waren die Auseinandersetzungen nicht zu Ende. Nach zwei Jahren Anbau auf kleinen Flächen gab BASF die weitere Vermarktung auf.