Weinrebe

Riesling, Merlot, Pinot Grigio: Kann die Gen-Schere unsere Lieblingsweine bewahren?

Von Juliette Irmer

Weinreben werden so häufig gespritzt wie kaum eine andere Kulturpflanze, um sie vor gefürchteten Pilzerkrankungen zu schützen. Die Zucht resistenter Pflanzen ist langwierig und führt zu neuen Weinsorten mit verändertem Namen und Geschmacksprofil. Moderne Züchtungstechnologien haben das Potenzial, traditionell beliebte Weinsorten widerstandsfähiger zu machen - und sie so zu bewahren.

Weinreben brauchen viel Pflege, um gut zu gedeihen – und eine häufige Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln: Die Pflanzen wachsen in der EU zwar auf weniger als fünf Prozent der landwirtschaftlichen Fläche, sind aber für 60 Prozent des Fungizideinsatzes verantwortlich, da sie zum Schutz vor Pilzerkrankungen regelmäßig gespritzt werden müssen.

Wein, Echter Mehltau

Weinreben sind häufig von Mehltau befallen, einer Pilzkrankheit. Das bedeutet weniger Ertrag und schlechtere Qualität.

Häufigkeit von Pflanzenschutzanwendungen, Deutschland 2020, JKI

Nach Äpfeln werden im Weinbau am häufigsten Fungiziden eingesetzt. Bei Bio-Wein sind es stattdessen vor allem Kupferpräparate.

Fotos: iStock (großes Foto oben), Syngenta, transgen (Grafik)

Die Erreger des Echten und des Falschen Mehltaus wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts aus Amerika nach Europa eingeschleppt, verbreiteten sich zügig in allen Weinanbaugebieten und sind auch heute noch gefürchtete Schaderreger, die zu Ertragseinbußen führen. Der Klimawandel könnte die Situation weiter verschärfen, da Wetterereignisse wie Starkregen und anhaltende Trockenperioden Schädlingsbefall fördern. Bis heute gibt es nur zwei Gegenmittel gegen die Pilzerreger: Die regelmäßige Anwendung von Fungiziden oder die Zucht resistenter Weinreben.

Die Rebenzucht ist jedoch eine langwierige Sache. Um die Kulturrebe Vitis vinifera, auch edle Weinrebe genannt, widerstandsfähig gegen die Pilzerreger zu machen, nutzt man wilde Rebenarten, die von Natur aus Resistenz-Gene gegen die Krankheiten in ihrem Erbgut tragen. Sie helfen der Pflanze dabei, die Ankunft des Erregers zu erkennen und seine Ausbreitung zu verhindern. Wildreben haben aber den Nachteil, dass sie qualitativ abfallen, das heißt, der Traubenertrag gering ist und der Geschmack zu wünschen übrig lässt.

Das Zuchtziel ist, die positiven Eigenschaften beider Rebenarten – die Resistenzen und ein hoher Ertrag an hochwertigen und geschmackvollen Trauben – zu vereinen. „Das ist aber nicht so einfach“, sagt Oliver Trapp, stellvertretender Leiter des Instituts für Rebenzüchtung des Julius Kühn-Instituts am Geilweilerhof in Siebeldingen. „Kreuzt man Resistenzen erfolgreich ein, riskiert man auch eine Veränderung des Geschmacks, weil auch diese Information miteingekreuzt wird.“ Um die unerwünschten Eigenschaften zu entfernen, sind zahlreiche Rückkreuzungsschritte notwendig. So kann es mehr als dreissig Jahre dauern, bis eine neue, hochwertige Weinsorte erhalten wird.

Erschwerend kommt hinzu, dass Schaderreger dazulernen und einen einzelnen Resistenzmechanismus überwinden können. Züchter versuchen vorzubeugen, indem sie mehrere Resistenzfaktoren in die Reben einbringen.

Riesling, Grauburgunder oder Merlot sind dann allerdings nicht mehr länger Riesling, Grauburgunder und Merlot: Da das genetische Material zweier Reben gemischt wurde, handelt es sich zwangsläufig um eine neue Sorte. Auf diese Weise ist etwa der pilzwiderstandsfähige (PIWI) Johanniter entstanden, der dem Riesling ähnelt und der nicht so häufig gespritzt werden muss. So sinkt die Zahl der erforderlichen Behandlungen von 10-15 (je nach klimatischen Bedingungen) für traditionelle Sorten auf 2-3 für die resistenten Sorten.

Die Nachfrage nach PIWIs nimmt zu, grundsätzlich haben die neuen Sorten aber zu kämpfen, denn die Kunden greifen oft lieber zu altbewährten Sorten. Und auch manche Winzer haben Vorbehalte: „In konservativen Weingegenden sind PIWIs zum Teil als qualitativ minderwertige Hybride verschrien, ein Terminus, der sehr negativ behaftet ist“, erklärt Trapp. Zu Unrecht, wie in Blindverkostungen schon gezeigt wurde.

Schon die klassische Gentechnik böte hier Vorteile: Die direkte Übertragung der Resistenz-Gene gegen Echten und Falschen Mehltau, von denen einige bereits in der Wildrebe identifiziert wurden, könnten die genetische Identität beliebter Weinsorten bewahren, da die Struktur des Reben-Genoms weitgehend erhalten bliebe.

Das bedeutet, der Riesling, wenn man ihn an einer entsprechenden Stelle verändert, wäre anschließend resistent und würde noch genauso schmecken und sich im Weinberg genauso verhalten wie der Riesling vorher.

Dr. Oliver Trapp, JKI-Institut für Rebenzüchtung, Geilweilerhof

Eine zusätzliche Chance bieten Genom Editing-Technologien wie CRISPR/Cas9, mit der das Erbgut gezielt und punktuell verändert werden kann. In den USA und China, aber auch in Italien, gibt es erste Experimente mit vielversprechenden Ergebnissen. Durch Inaktivierung von Anfälligkeits-Genen, also Genen, die die Erreger benötigen, um in die Pflanzenzellen einzudringen, könnten ebenfalls Resistenzen vermittelt werden.

„Das bedeutet, der Riesling, wenn man ihn an einer entsprechenden Stelle verändert, wäre anschließend resistent und würde noch genauso schmecken und sich im Weinberg genauso verhalten wie der Riesling vorher“, so Trapp. Die Diskussion, ob womöglich vor Generationen eine Wildrebe hineingekreuzt wurde oder nicht, erübrige sich damit. „Das ist gerade in den konservativen Weinbauländern wie etwa Italien eine große Motivation mit dem Genome Editing voranzugehen.“

Neben dem Vorteil, dass die Sortenspezifität erhalten bliebe, ließe sich außerdem Zeit gewinnen. „Ich schätze, wir könnten etwa 10 Jahre einsparen“, sagt Trapp, „das ist eine Technik, die theoretisch das Potenzial hat, uns bei der Züchtung zu helfen.“

Der Einsatz der Gen-Schere ist bei Weinreben aber kein Selbstläufer: Obwohl das Genom von Vitis vinifera schon 2007 sequenziert wurde, sind Gen-Merkmals-Verbindungen nicht so gut erforscht wie etwa in Mais oder Soja. „Das macht es schwierig Editierungs-Ziele zu definieren“, so Trapp. Hinzu kommt, dass auch das molekularbiologische Arbeiten erschwert ist: „Die Techniken sind anspruchsvoll. Es gibt im Vergleich zu Soja oder Mais viel weniger ausgereifte Protokolle für diese Arbeiten.“

In der Grundlagenforschung trägt CRISPR/Cas9 dazu bei, die Gen-Merkmals Beziehungen aufzuklären. Ist mehr bekannt über die Wirkweise von Resistenz- und Anfälligkeitsgenen oder über andere wichtige Aspekte der Traubenentwicklung, etwa die Regulierung der Traubenarchitektur, die zu locker oder dicht stehenden Beeren führt, was sich auf die Schimmelanfälligkeit auswirkt, werden Editierungsziele einfacher zu formulieren sein.

Neben den technischen Herausforderungen ist aber die fehlende gesellschaftliche Akzeptanz der Technologien das Haupthindernis: Sowohl die klassische Gentechnik als auch das Genome-Editing spielen in der Rebenzüchtung in Deutschland keine Rolle, weil für solche Produkte derzeit kein Markt existiert.

Weinrecht und Genome Editing
In Deutschland spielt bei der Zulassung oder Einordnung einer Weinsorte das Weinrecht eine große Rolle: So wird eine Weinsorte durch bestimmte Registermerkmale gekennzeichnet. Produziert ein Züchter etwa einen Riesling mit lockerbeerigeren Weintrauben, die zu weit von der Traubenarchitektur des Standardrieslings abweichen, dann darf diese Sorte nicht mehr als Riesling bezeichnet werden. Selbst wenn das Merkmal auf eine einzelne Punktmutation zurückzuführen ist: Prägt sich diese Punktmutation phänotypisch zu stark aus, wird die Weinrebe nicht mehr zur Ausgangssorte gezählt. Auch wenn das noch in ferner Zukunft liegt: Das Weinrecht könnte die Anwendung des Genome Editings zusätzlich erschweren.


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