Weizen in der Hitze

Bessere Erträge bei Trockenheit: In Argentinien kommt gentechnisch veränderter Weizen auf die Felder

Es war weltweit die erste Zulassung für gentechnisch veränderten Weizen: 2020 erlaubte Argentinien den Anbau von Weizen, der dank eines neu eingeführten Gens aus Sonnenblumen Trockenstress besser verträgt als herkömmliche Sorten. Später haben wichtige Abnehmerländer, etwa Australien, Nigeria und die USA, den Import von Mehl aus dem neuen HB4-Weizen zugelassen. Nach einigen Jahren Versuchsanbau hat nun der reguläre Vertrieb des Saatguts über den argentinischen Agrarhandel begonnen. Landwirte können unter vier verschiedenen HB4-Weizensorten wählen. Besondere Einschränkungen gibt es nicht. - Bereits 2015 wurde eine trockentolerante Sojabohne mit dem gleichen HB4-Gen zugelassen.

HB4 Weizen

Mehr Erträge bei Trockenheit. In Argentinien beginnt der Anbau von gentechnisch veränderten HB4-Weizen.
Foto: Bioceres, großes Foto oben: Iakov Kalinin, 123RF

Mit einer Jahresproduktion von 20 Millionen Tonnen (2020) ist Argentinien der wichtigste Weizenproduzent Lateinamerikas. 70 Prozent gehen in den Export.

Als das argentinische Landwirtschaftsministerium dem Biotech-Unternehmen Bioceres 2020 die Zulassung für den Anbau seines gentechnisch veränderten HB4-Weizens (IND-00412-7) erteilte, waren Landwirte zunächst skeptisch. Sie fürchteten Exporteinbrüche, wenn gv-Weizen – auch in zufälligen Beimischungen – von den Exportländern mit gentechnik-kritischen Märkten nicht akzeptiert würde. Der Anbau sollte erst beginnen, wenn alle wichtigen Abnehmer argentinischen Weizens, besonders Brasilien, die Sicherheit von HB4-Weizen selbst bewertet und den Import zugelassen haben. 45 Prozent der argentinischen Weizenernte gehen nach Brasilien.

Ende 2021 ein erster Schritt: Die brasilianische Regierung genehmigte den Import von Mehl aus HB4-Weizen, später folgten Australien, Neuseeland, Kolumbien, Südafrika, Nigeria und Indonesien. Auch die US-amerikanische Lebensmittelbehörde FDA hatte keine Sicherheitsbedenken und gab grünes Licht. Damit hatten alle wichtigen Abnehmerländer für argentinischen Weizen zugestimmt, der Weg war frei für den kommerziellen Anbau von HB4-Weizen in Argentinien.

Zunächst erhielten ausgewählte Betriebe den neuen Weizen, um ihn an verschiedenen Standorten unter kontrollierten Praxisbedingungen zu testen. Durchaus erfolgreich: Unter Trockenstress lieferte der HB4-Weizen 20 Prozent mehr Erträge als herkömmliche Sorten. Nach Angaben von Bioceres wurden aus der Ernte 2022/23 knapp 125.000 Tonnen Mehl gemahlen und vermarktet, weniger als ein Prozent der argentinischen Jahresproduktion. Obwohl gentechnisch verändert, müssen Weizen und Mehl nicht gekennzeichnet werden. Ab 2024 wird Saatgut für HB4-Weizen über den argentinischen Agrarhandel vertrieben. Landwirte, die den neuen trockentoleranten Weizen anbauen wollen, können aus vier verschiedenen Sorten wählen. Besonderen Einschränkungen gibt es nicht.

Anfang 2023 hat auch die brasilianische Kommission für biologische Sicherheit (CTNBio) grünes Licht für den Anbau und die Kommerzialisierung von HB4-Weizen in Brasilien gegeben. Die Entscheidung treibt auch die Zusammenarbeit von Bioceres mit der brasilianischen Agrarforschungsgesellschaft EMBRAPA voran, gemeinsam regional angepasste Weizensorten zu entwickeln.

Ob HB4-Weizen nun in größerem Stil auf die Felder kommt, hängt nicht allein davon ab, ob er bei Trockenheit tatsächlich bessere Erträge bringt und sich deswegen für die Landwirte rechnet. Entscheidend ist, ob die in den Importländern gentechnisch veränderter Weizen akzeptiert wird – denn anders als bei Mais oder Soja, wo seit vielen Jahren ein großer Teil der Welterzeugung auf gentechnisch veränderte Sorten entfällt, ist Weizen bisher „gentechnik-frei“ geblieben.

HB4-Weizen ist schon seit vielen Jahren in der Entwicklung. Daran beteiligt ist neben Bioceres die französische Firma Florimond Desprez sowie auch die argentinische Technik- und Wissenschaftsbehörde. Es wurde – noch mit klassischer Gentechnik – ein fremdes Gen übertragen. Das HB4-Gen stammt aus der Sonnenblume und gehört zu einer Gruppe von Genen, die an Stressreaktionen von Pflanzen beteiligt sind. Sie helfen der Pflanze extreme Umwelteinflüsse etwa Wassermangel auszugleichen. Warum das genau bei Weizen funktioniert, ist noch weitgehend unbekannt. Fest steht: HB4-Weizen bietet auch unter Anbaubedingungen, die normalerweise den Weizen-Ertrag verringern würden, einen Vorteil. Das wurde in zahlreichen Freilandversuchen bestätigt, die seit 2009 in Argentinien, Paraguay und den USA durchgeführt wurden. Auch in Spanien gab es 2018 eine Freisetzung mit HB4-Weizen.

HB4-Weizen enthält außer dem HaHB4-Gen ein weiteres fremdes Gen aus einem Bakterium (bar), das eine Toleranz gegenüber dem Herbizid Glufosinat bewirkt.

Pionierprojekt mit HB4-Gen: Trockentolerante Sojabohnen

Mit einer anderen HB4-Pflanze ist man unterdessen schon einen Schritt weiter. Auch die HB4-Sojabohne wurde ursprünglich in Argentinien entwickelt und unter dem Dach von Verdeca, einem Zusammenschluss von Bioceres (Argentinien) und Arcadia Biosciences (USA) vermarktet. Sie wurde bereits 2015 für den Anbau in Argentinien zugelassen. Inzwischen sind in Argentinien, Brasilien, Paraguay, USA und seit 2021 auch in Kanada die mehrstufigen Zulassungsprozesse abgeschlossen und ein Anbau in absehbarer Zeit zu erwarten. In den fünf Ländern werden auf etwa 90 Millionen Hektar Sojabohnen angebaut, davon zwischen 84 und 100 Prozent gentechnisch verändert.

Da im April 2022 China, der bei weitem wichtigste Abnehmer für Sojabohnen aus Nord- und Südamerika, die Importzulassung für HB4-Sojabohnen erteilt hat, geht Bioceres davon aus, dass der kommerzielle Anbau schon bald beginnen kann. Anders als bei Weizen sind gentechnisch veränderte Sojabohnen in vielen Landern der Welt etabliert.

Es wird nun angestrebt u.a. in Zusammenarbeit mit dem Agro-Unternehmen Dow AgroSciences das HB4-Merkmal mit auf dem Markt befindlichen herbizidtoleranten Sojabohnensorten zu kombinieren, um so die Erträge unter verschiedenen Umweltbedingungen zu verbessern. Laut Zulassungsdatenbank International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications (ISAAA) ist bereits ein Kombination von HB4 mit der gv-Sojabohne GTS 40-3-2 (Glyphosat-Toleranz) in Argentinien und Brasilien zugelassen.

In der EU wurde für die Sojabohne HB4 (IND-00410-5) 2020 ein Antrag auf Importzulassung gestellt. Die EU importiert jährlich mehr als 30 Mio Tonnen Sojabohnen und -schrot, davon mehr als 85 Prozent aus Brasilien, Argentinien und den USA.

Pflanzen gegen Trockenheit zu wappnen, wird in Zeiten des Klimawandels ein immer dringlicheres Ziel in der Pflanzenzüchtung. Lediglich zwei weitere gentechnisch veränderte trockentolerante Pflanzen wurden bisher zugelassen: Der noch von Monsanto entwickelte DroughtGard-Mais in den USA und trockentolerantes Zuckerrohr in Indonesien. Bei beiden wurden mit klassischer Gentechnik einzelne bakterielle Gene eingeführt, die die Pflanze bei Trockenstress stabilisieren. Da Trockentoleranz ein sehr komplexes Merkmal ist, an dem viele Gene beteiligt sind, stoßen jedoch die klassischen Züchtungsmethoden – Kreuzungszüchtung ebenso wie die klassische Gentechnik – schnell an ihre Grenzen. Deshalb werden in Zukunft neue molekularbiologische Techniken – auch die Genschere CRISPR/Cas eine wichtige Rolle spielen.

Internationale Zulassungen (ISAAA, GM Approval Database)

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