Bessere Erträge bei Trockenheit: In Argentinien steht Gentechnik-Weizen auf den Feldern
Es war weltweit die erste Zulassung für gentechnisch veränderten Weizen: 2020 erlaubte Argentinien den Anbau von Weizen, der dank eines neu eingeführten Gens aus Sonnenblumen Trockenstress besser verträgt als herkömmliche Sorten. Nun sind Brasilien und die USA gefolgt. Inzwischen haben wichtige Abnehmerländer den Import von Mehl aus dem neuen HB4-Weizen zugelassen. Nach einigen Jahren Versuchsanbau hat in Argentinien nun der reguläre Vertrieb des Saatguts begonnen. Landwirte können unter vier verschiedenen HB4-Weizensorten wählen. Besondere Einschränkungen gibt es nicht. – Ganz neu ist dieser Ansatz nicht: Bereits 2015 wurde eine trockentolerante Sojabohne mit dem gleichen HB4-Gen zugelassen.
Mehr Erträge bei Trockenheit. In Argentinien beginnt der Anbau von gentechnisch veränderten HB4-Weizen.
Foto: Bioceres, großes Foto oben: Mykola Mazuryk, 123RF
Seit mehreren Jahren hat das argentinische Agrarforschungs-Unternehmen Bioceres Crop Solutions die Entwicklung eines neuen Weizens vorangetrieben, der Trockenheit besser verträgt als herkömmliche Sorten. Wie schon bei einem ähnlichen, inzwischen erfolgreich abgeschlossenen Projekt mit Sojabohnen wurde das gleiche Gen auch auf Weizen übertragen – noch mit klassischer Gentechnik. Dieses HB4-Gen stammt aus der Sonnenblume und gehört zu einer Gruppe von Genen, die an Stressreaktionen von Pflanzen beteiligt sind. Sie helfen der Pflanze sich besser an extreme Umwelteinflüsse etwa Wassermangel anzupassen.
Nicht nur in Sonnenblumen, sondern nach einer Transformation auch in anderen Pflanzenarten wie Weizen steuert das HB4-Gen die Expression verschiedener Gene, welche die Trockentoleranz verbessern. So wird die Produktion bestimmter Moleküle erhöht, welche den Zellabbau bei Trockenheit verlangsamen und die Fotosynthese länger aufrecht erhalten. Fest steht: HB4-Weizen liefert bei Trockenstress bessere Erträge als andere Sorten unter ähnlichen Bedingungen. Das wurde in zahlreichen Freilandversuchen bestätigt, die seit 2009 in Argentinien, Paraguay und den USA durchgeführt wurden. Auch in Spanien gab es 2018 eine Freisetzung mit HB4-Weizen.
Als das argentinische Landwirtschaftsministerium 2020 die Zulassung für den Anbau von HB4-Weizens (IND-00412-7) erteilte, waren die Landwirte dort zunächst skeptisch. Sie fürchteten Exporteinbrüche, wenn gv-Weizen – selbst in kleinen, zufälligen Beimischungen – von Empfängerländern mit gentechnik-kritischen Märkten nicht akzeptiert würde. Der Anbau sollte erst beginnen, wenn alle wichtigen Abnehmer argentinischen Weizens, besonders Brasilien, die Sicherheit von HB4-Weizen selbst bewertet und den Import zugelassen hatten. 45 Prozent der argentinischen Weizenernte gehen nach Brasilien. Mit einer Jahresproduktion von 20 Millionen Tonnen (2020) ist Argentinien der wichtigste Weizenproduzent Lateinamerikas. 70 Prozent gehen in den Export.
Ende 2021 ein erster Schritt: Die brasilianische Regierung genehmigte den Import von Mehl aus HB4-Weizen, später folgten Australien, Neuseeland, Kolumbien, Paraguay, Chile, Südafrika, Nigeria und Indonesien. Auch die US-amerikanische Lebensmittelbehörde FDA hatte keine Sicherheitsbedenken und gab grünes Licht. Damit haben alle wichtigen Abnehmerländer für argentinischen Weizen zugestimmt, der Weg war frei für den kommerziellen Anbau von HB4-Weizen in Argentinien.
Zunächst hatten ausgewählte Betriebe den neuen Weizen erhalten, um ihn an verschiedenen Standorten unter kontrollierten Praxisbedingungen zu testen. Durchaus erfolgreich: Unter Trockenstress lieferte der HB4-Weizen 20 Prozent mehr Erträge als herkömmliche Sorten. Nach Angaben von Bioceres wurden aus der Ernte 2022/23 knapp 125.000 Tonnen Mehl gemahlen und vermarktet, weniger als ein Prozent der argentinischen Jahresproduktion. Obwohl gentechnisch verändert, müssen Weizen und Mehl nicht gekennzeichnet werden. Ab 2024 wird Saatgut für HB4-Weizen über den argentinischen Agrarhandel vertrieben. Landwirte, die den neuen trockentoleranten Weizen anbauen wollen, können aus vier verschiedenen Sorten wählen. Besonderen Einschränkungen gibt es nicht.
Anfang 2023 erteilte die brasilianische Kommission für biologische Sicherheit (CTNBio) grünes Licht für den Anbau und die Kommerzialisierung von HB4-Weizen in Brasilien. Inzwischen hat auch die US-Landwirtschaftsbehörde (USDA) die Sicherheitsüberprüfung von HB4-Weizen abgeschlossen und ihn ohne Beschränkungen freigegeben. Es wird zwar noch etwas dauern, bis Sorten mit dem HB4-Merkmal in den USA erhältlich sind. Dennoch: Wenn HB4-Weizen in der Praxis tatsächlich hält, was seine Entwickler versprechen, wird er in absehbarer Zeit in vielen Anbauländern auf die Felder kommen.
Der trockentolerante gv-Weizen enthält außer dem HB4-Gen ein weiteres fremdes Gen aus einem Bakterium (bar), das eine Toleranz gegenüber dem Herbizid Glufosinat bewirkt.
Pionierprojekt mit HB4-Gen: Trockentolerante Sojabohnen
Mit einer anderen HB4-Pflanze ist man unterdessen schon einen Schritt weiter. Auch die HB4-Sojabohne wurde ursprünglich in Argentinien entwickelt und unter dem Dach von Verdeca, einem Zusammenschluss von Bioceres (Argentinien) und Arcadia Biosciences (USA) vermarktet. Sie wurde bereits 2015 für den Anbau in Argentinien zugelassen. Inzwischen haben mehrere Länder den Import von Futter- und Lebensmitteln aus der HB4-Sojabohne freigegeben, seit 2022 auch China, der bei weitem wichtigste Abnehmer für Sojabohnen aus Nord- und Südamerika. Neben Argentinien ist auch in Brasilien, USA und Paraguay der Anbau von HB$-Sojabohnen erlaubt.
In der EU wurde für die HB4-Sojabohne (IND-00410-5) 2020 ein Antrag auf Importzulassung als Lebens- und Futtermittel gestellt, inzwischen jedoch wieder zurückgezogen Die EU importiert jährlich mehr als 30 Mio Tonnen Sojabohnen und -schrot, davon mehr als 85 Prozent aus Brasilien, Argentinien und den USA.
Pflanzen gegen Trockenheit zu wappnen, wird in Zeiten des Klimawandels ein immer dringlicheres Ziel in der Pflanzenzüchtung. Lediglich zwei weitere gentechnisch veränderte trockentolerante Pflanzen wurden bisher zugelassen: Der noch von Monsanto entwickelte DroughtGard-Mais in den USA und trockentolerantes Zuckerrohr in Indonesien. Bei beiden wurden mit klassischer Gentechnik einzelne bakterielle Gene eingeführt, die die Pflanze bei Trockenstress stabilisieren. Da Trockentoleranz ein sehr komplexes Merkmal ist, an dem viele Gene beteiligt sind, stoßen jedoch die klassischen Züchtungsmethoden – Kreuzungszüchtung ebenso wie die klassische Gentechnik – schnell an ihre Grenzen. Deshalb werden in Zukunft neue molekularbiologische Techniken (NGT) – auch die Genschere CRISPR/Cas – eine wichtige Rolle spielen.
Datenbank Zulassungen EU
Internationale Zulassungen (ISAAA, GM Approval Database)
Diskussion / Kommentare
Themen
Im Web
- Bioceres Crop Solutions Announces Brazil´s Regulatory Approval of Drought Tolerant HB4 Wheat for Commercialization and Cultivation (03.03.2023)
- Bioceres Crop Solutions Receives Green Light for Cultivation of Drought Tolerant HB4 Wheat in the United States; Bioceres 28. Aug 2024
- Food Standards Australia New Zealand (FSANZ): Approval report, Food derived from drought-tolerant wheat line IND-00412-7 (06.05.2022)
- Bioceres Crop Solutions Announces Regulatory Approval of HB4® Soy in China (29.04.2022)
- Gonzáles f. G. et al. (2019) Field-grown transgenic wheat expressing the sunflower gene HaHB4 significantly outyields the wild type, Journal of Experimental Botany, Vol.70
- GM wheat seed sales begin in Argentina, Reuters News Servive, 16 May 2024
- Freisetzungsantrag für HB4-Weizen in Spanien, Notification report, JRC
- First stress-tolerant soybean gets go-ahead in Argentina, Nature America Vol.33, Juli 2015