Züchtungsverfahren Schema

Von Kreuzen bis Genome Editing: Die Verfahren der Pflanzenzüchtung im Überblick

Wie geht eigentlich Pflanzenzüchtung? Was bedeutet Kreuzungs- und was Mutationszüchtung? Was können neue genomische Verfahren (NGT) wie die Gen-Schere CRISPR/Cas und worin unterscheiden sie sich von der herkömmlichen Gentechnik? Was sind ihre Vor- und Nachteile? Welche Vorschriften gibt es?

Schon immer haben Landwirte einen Teil ihrer Ernte wieder ausgesät und so allmählich unsere Kulturpflanzen hervorgebracht. Wozu brauchet es da noch Molekularbiologen, die Gene verändern und im Erbgut der Pflanzen „herumbasteln“? Die Wissenschaft greift in die „Schöpfung“ ein, ohne wirklich zu überblicken, welche Folgen das haben könnte. Lieber zurück zu Natur und Ursprünglichkeit, so denken viele. Aber kaum jemand weiß, wie Pflanzenzüchter arbeiten, wie sie vorgehen und wie kompliziert die ganze Sache ist.

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Die Verfahren der Pflanzenzüchtung im Überblick. Schematisch dargestellt werden jeweils Phänotyp (oben) und Genotyp (unten) der jeweiligen Pflanze.

An einem praktischen Beispiel sind im Folgenden einige alte und neue Verfahren der Pflanzenzüchtung schematisch und stark vereinfacht dargestellt:

  • In eine bewährte Kultursorte soll eine Resistenz, etwa gegen eine Pilzkrankheit, „eingezüchtet“ werden. Solche Krankheiten führen zu Ernteverlusten und können oft nur mit chemisch-synthetischen Wirkstoffen (Fungizide) bekämpft werden.

Schon seit Jahrtausenden geht es darum, die Widerstandsfähigkeit der Nutzpflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge zu verbessern. Und das wird auch in Zukunft so bleiben und sogar noch an Bedeutung zunehmen. Schädlinge, Pilz- und andere Krankheitserreger sind Nahrungskonkurrenten des Menschen. Viele von ihnen sind sehr wandlungsfähig. Immer wieder gelingt es ihnen, sich an neue Gegebenheiten und klimatischen Bedingungen anzupassen. Die Züchter müssen es schaffen, mit ihren Sorten den biologischen „Gegnern“ einen Schritt voraus zu sein. Das ist leicht gesagt, aber keine einfache Aufgabe.

Kreuzungszüchtung

Kreuzungszüchtung

Voraussetzung: Es gibt im jeweiligen Genpool eine artverwandte Pflanze mit der gewünschten Resistenz-Eigenschaft und dem entsprechenden Gen. Diese Pflanze ist mit der Kultursorte kreuzbar.

Ergebnis: In den Nachkommen vermischen sich die Gene aus der Kultursorte mit den Genen aus der Wildpflanze. Dabei können erwünschte Gene aus der Kultursorte verschwinden oder sich abschwächen. Zugleich gelangen unerwünschte Gene – und damit für Anbau und Produktqualität nachteilige Eigenschaften – aus der Wildpflanze in das Erbgut. Die Züchter müssen nun immer wieder die Nachkommen mit der Ausgangs-Kulturpflanze kreuzen (Rückkreuzung). Das Ziel: Pflanzen, die alle erwünschten Eigenschaften der Kultursorte besitzen, aber bis auf das Resistenz-Gen möglichst wenig Gene aus der Wildsorte.

Nachteil: Die herkömmliche Kreuzungszüchtung ist sehr zeitaufwändig. Je nach Pflanzenart kann es bis 10 bis 30 Jahre dauern, bis eine neue Sorte mit besseren Resistenzeigenschaften auf die Felder kommen kann.

Die traditionelle Kreuzungszüchtung wird heute durch neue molekularbiologische Methoden ergänzt. Dabei werden nicht nur die äußeren Merkmale der Nachkommen (Phänotyp) herangezogen, um ihre Eignung für den weiteren Zuchtgang zu prüfen, sondern es wird bereits bei Keimlingen oder einzelnen Zellen überprüft, ob die gewünschte Gen-Kombinationen (Genotyp) vorhanden ist. Das spart Zeit und erhöht die Effektivität (siehe: Smart Breeding).

Zufälligkeit: Kreuzungszüchtung bringt Nachkommen hervor, bei denen sich nach dem Zufallsprinzip Gene aus Vater- und Mutterpflanzen vermischt haben. Dabei gelangen neue Gene oder Gen-Varianten (Allele) in die gezüchtete Sorte. Dem Züchter fallen sie nur dann auf, wenn sie in Form veränderter Pflanzeneigenschaften erkennbar sind. Oft gehen dabei nach und nach einzelne Gene, die nicht dem jeweiligen Züchtungsziel entsprechen, verloren, etwa Aromaeigenschaften.

Gesetzliche Regulierung: Keine.

Mutagenese

Mutationszüchtung

Technik: Eine Kulturpflanze mit guten Eigenschaften wird einer Strahlenquelle ausgesetzt oder mit erbgutschädigenden Chemikalien behandelt. Sie lösen in der Pflanze zufällige, ungerichtete Mutationen aus – viel zahlreicher und extremer als unter natürlichen Bedingungen.

Ergebnis: Bei dieser (Mutagenese) werden Pflanzen mit mehreren Zehntausend verschiedenen Mutationen erzeugt. Nun müssen diejenigen Pflanzenindividuen gefunden werden, bei denen auf diese Weise das erwünschte Resistenz-Gen entstanden ist, die vorhandenen – erwünschten – Pflanzeneigenschaften aber nicht durch weitere Mutationen unterdrückt oder nachteilig verändert wurden. Dafür sind aufwändige Reihenuntersuchungen (Screening) notwendig. Früher wurden sie am Phänotyp (äußere Eigenschaften) durchgeführt, heute immer mehr am Genotyp (Gen-Analyse).

Nachteil: Die durch äußere Einflüsse hervorgerufenen Mutationen sind zufällig und ungesteuert, die davon betroffenen Orte im Genom nicht bekannt. Es ist gut möglich, dass einige dieser Mutationen unerkannt in die spätere Kultursorte gelangen. In einzelnen Fällen sind als Folge davon ungewollt Nahrungspflanzen entstanden, in denen schädliche Stoffe gebildet wurden (beispielsweise bei Kartoffeln).

Zufälligkeit: Mutationszüchtung ist immer ein ungerichtetes „Schrotschussexperiment“: Auch bei den Nachkommen, die für die weitere Sortenzüchtung ausgewählt werden, sind immer noch unzählige zufällige Mutationen vorhanden, die im einzelnen nicht bekannt sind.

Gesetzliche Regulierung: In der Praxis keine.

Durch Mutationszüchtung erzeugte Pflanzen werden in den Gentechnik-Gesetzen der EU zwar den „gentechnisch veränderten Organismen“ (GVO) zugerechnet, doch zugleich sind sie von allen gentechnik-spezifischen Zulassungs- und Kennzeichnungsvorschriften befreit. Sie können also ohne besondere gesetzliche Auflagen genutzt werden. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Juli 2018 gilt diese Ausnahme allerdings nur für die seit längerem angewandte ungerichtete Mutationszüchtung, nicht aber für die neuen präzisen Genome Editing- Verfahren (siehe unten).

Genome Editing 3

Genome Editing, insbesondere CRISPR/Cas („Gen-Schere“)

Voraussetzung: In einer Kultursorte ist ein ähnliches Gen wie das gewünschte Resistenz-Gen vorhanden, das jedoch nicht oder nur schwach aktiv ist. Oder man kennt den genetischen Hintergrund, um die natürliche Abwehrreaktion der Pflanze gegen einen Erreger zu stärken.

Technik: Mit Genome Editing-Verfahren kann ein vorhandenes, aber inaktives oder verkümmertes Gen zu einem funktionierenden Resistenz-Gen „umgeschrieben“ werden. Oder es können bestimmte Gene abgeschaltet werden, welche beim Eindringen der Erreger in die Pflanze eine Rolle spielen.

Dazu müssen verschiedene Elemente in den Kern einer Pflanzenzelle eingebracht werden: Eine molekulare Sonde, die genau zur jeweiligen Zielsequenz passt, ein spezielles Protein, das den DNA-Strang genau dort schneidet und in einigen Fällen auch DNA-Sequenzen.

CRISPR/Cas

Die molekularen Sonden sind so konstruiert, dass sie im riesigen Genom der zu verändernden Pflanzen genau jene Zielsequenz finden, die „umgeschrieben“ werden soll. Genau dort durchtrennt das angeheftete Schneide-Protein den DNA-Strang. Die zelleigenen Reparatursysteme fügen nun den Bruch wieder zusammen. Dabei können einzelne DNA-Bausteine entfernt oder ausgetauscht werden. Als Folge einer fehlerhaften Reparatur kann das betreffende Gen auch abgeschaltet und damit inaktiviert werden. Es ist auch möglich, im Zuge der Reparatur einzelne DNA-Bausteine oder kleine Sequenzen an der Bruchstelle einzufügen.

Die Gen-Schere CRISPR/Cas ist das am wenigsten aufwändige und zudem zuverlässige Genome Editing-Verfahren (siehe Grafik links). Zusammen mit weiteren Varianten hat sie sich in der Pflanzenforschung und -entwicklung durchgesetzt (etwa Prime Editing).

Der molekulare Mechanismus – Doppelstrangbruch und schließende Reparatur des Strangs an der Bruchstelle – ist der gleiche wie bei jeder natürlichen Mutation. Der Unterschied: Beim Genome Editing sind der Ort und die betroffenen DNA-Bausteine genau bekannt, bei der Mutagenese nicht.

Vorteil: Es können in einer bewährten Kultursorte direkt einzelne DNA-Bausteine umgeschrieben werden, ohne das vorhandene Erbgut – und damit alle übrigen Eigenschaften der Pflanzen – zu verändern. Bei einigen Genome Editing -Verfahren ist es zudem möglich, gleichzeitig DNA-Bausteine in mehreren Gen-Regionen zu editieren. Mit der Technik können auch einzelne Gene „abgeschaltet“ werden.

Nachteil: Um neue Eigenschaften „editieren“ zu können, müssen die betreffenden Zielgene – bzw. die genauen Gensequenzen – bekannt sein. Und man muss wissen, wie sie umgeschrieben werden müssen, um die gewünschte Eigenschaft zu erhalten. Das setzt viel Genom- und Pflanzenforschung voraus.

Zufälligkeit: Mit Genome Editing wird gezielt und an genau bestimmten Stellen Punkt-Mutationen hervorgerufen, viel schneller und präziser als bei der Mutationszüchtung. Zufällige, im einzelnen nicht bekannte Nebeneffekte wie bei den klassischen Verfahren gibt es nicht. Theoretisch möglich sind nicht beabsichtigte Strangbrüche an weiteren, nicht dafür vorgesehenen Stellen im Genom (off-target-Effekte). Durch eine geeignete Konstruktion der molekularen Werkzeuge lassen sich solche Fehlschnitte weitgehend vermeiden. Außerdem können editierte Pflanzen auf solche off-target-Ereignisse untersucht werden (etwa durch Sequenz-Analysen).

Gesetzliche Regulierung: Noch immer fallen mit Genome Editing-Verfahren erzeugte Pflanzen in der EU unter die geltenden Gentechnik-Gesetze, so hat es der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Juli 2018 entschieden. Ihre Verwendung, aber auch ihre Freisetzung in die Umwelt müssen genehmigt werden, daraus hergestellte Lebens- und Futtermittel sind kennzeichnungspflichtig.

In der EU wird derzeit eine Neuregulierung von Pflanzen vorbereitet, die mit neuen genomischen Techniken (NGT) erzeugt wurden. Dazu zählen auch Genome Editing-Verfahren. Handelt es sich dabei um Pflanzen, in die kein fremdes Genmaterial eingeführt wurde und die auch durch zufällige „natürliche“ Mutation oder konventionell gezüchtet hätten entstehen können, sollen sie nicht mehr zugelassen, sondern nur noch angemeldet werden. Zudem sollen sie von vielen für GVO-Pflanzen geltenden Vorschriften befreit werden. Wie das neue Gesetz im einzelnen aussehen wird und wann es in Kraft tritt, ist derzeit nicht abzusehen (März 2024).



Cisgenetik

Cisgenetik

Voraussetzung wie bei der klassischen Kreuzungszüchtung: Es gibt eine artverwandte und damit kreuzbare Pflanze mit dem gewünschten Resistenz-Gen.

Technik: Das Resistenz-Gen wird isoliert und mit gentechnischen Verfahren (z.B. Transformation mit Agrobakterien) direkt in das Erbgut der Kulturpflanze eingeführt. Die Kultursorte enthält damit nur Erbgut aus dem Genpool der jeweiligen Art. Sind aus technischen Gründen weitere „artfremde“ Gen-Elemente (etwa Markergene oder Promotoren) erforderlich, werden sie anschließend wieder aus der Pflanze entfernt.

Vorteil: Das Ergebnis – eine Pflanze mit arteigenem Resistenz-Gen – ist am Ende das gleiche wie bei der klassischen Züchtung. Cisgenetik ist jedoch schneller und präziser. Denn mit diesem Verfahren bleiben alle erwünschten Anbau- und Produkteigenschaften der Pflanzen erhalten. Aufwändige Rückkreuzungs-Programme sind daher nicht erforderlich. Die Züchtung cisgener Pflanzen benötigt deutlich weniger Zeit als mit herkömmlichen Verfahren.

Nachteil: Derzeit wird cisgenen Pflanzen wenig Marktchancen eingeräumt, da sie als „gentechnisch verändert“ wahrgenommen werden. Deswegen ist in der EU etwa für fertig entwickelte cisgene Kartoffeln mit mehreren Resistenzgenen aus Wildkartoffeln gegen die Kraut- und Knollenfäule bisher kein Zulassungsantrag gestellt worden. In mehrjährigen Feldversuchen erwies sich das Konzept als wirksam, der Einsatz von Fungiziden konnte um 80 Prozent reduziert werden.

Zufälligkeit: Es wird nur das Resistenz-Gen hinzugefügt. Allerdings ist der Ort, an dem es in das Erbgut der Pflanze eingebaut wird, nicht steuerbar. Theoretisch könnten dadurch andere Gene in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Mit modernen molekularbiologischen Verfahren ist es jedoch möglich, unter den transformierten cisgenen Pflanzen (bzw. Zellen) jene zu identifizierten, bei denen der Integrationsort für das neue Resistenzgen optimal ist. Unerwünschte Nebeneffekte lassen sich so weitgehend ausschließen.

Gesetzliche Regulierung: Auch cisgene Pflanzen fallen in der EU weiterhin unter die geltenden Gentechnik-Gesetze.

In der EU wird derzeit eine Neuregulierung von Pflanzen vorbereitet, die mit neuen genomischen Techniken (NGT) erzeugt wurden. Dazu zählen auch cisgene Pflanzen, wenn nur arteigenes Genmaterial eingeführt wurde. Wie das neue Gesetz im einzelnen aussehen wird und wann es in Kraft tritt, ist derzeit nicht abzusehen (März 2024).

Gentechnik

Klassische Gentechnik

Voraussetzung: Es ist ein Gen für die gewünschte Resistenz bekannt. Im Prinzip kann es aus jedem beliebigen Organismus stammen.

Technik: Mit verschiedenen Verfahren – etwa mit Hilfe von Agrobakterien – wird das Gen in das Erbgut der Kulturpflanzen eingeführt. Damit das Gen dort wirksam ist, werden in der Regel weitere Elemente wie Markergene oder Promotoren mit dem zu übertragenden Gen zu einem Genkonstrukt zusammengefügt.

Vorteil: Mit der Gentechnik können auch „artfremde“ Resistenz-Gene übertragen werden. Wenn im Genpool einer Art keine geeigneten Resistenz-Gene vorhanden sind, kann die Gentechnik oft die einzige Möglichkeit sein, wirksame Resistenzen in Kulturpflanzen hineinzubringen. Ein Beispiel sind Bt-Proteine, die aus einem Bodenbakterium stammen und für viele Fraßinsekten tödlich sind. Wird das entsprechende Gen auf Pflanzen übertragen, können sie selbst Schädlinge abwehren. Das ist etwa bei Mais, Baumwolle, Auberginen oder Bohnen gemacht worden.

Nachteil: Der Aufwand, eine Pflanzenzelle erfolgreich zu transformieren, ist hoch. Zudem sind die Zulassungsverfahren für gv-Pflanzen aufwändig und sehr teuer. Heute können es sich nur große, weltweit tätige Konzerne leisten, gv-Pflanzen auf den Markt zu bringen.

Zufälligkeit: In der Regel ist sowohl der Ort im Genom, an dem ein Gen eingefügt wird, wie auch die Anzahl der Kopien, nur bedingt kontrollierbar. Meist sind mehrere Transformationen nötig, um eine Pflanze mit den gewünschten Eigenschaften zu erhalten.

Gesetzliche Regulierung: Für gentechnisch veränderte Pflanzen gibt es fast überall auf der Welt besondere Bestimmungen. Um zugelassen zu werden, müssen die Hersteller die Sicherheit ihrer Produkte nachweisen. Dazu sind Sequenzanalysen sowie umfangreiche Untersuchungen bis zu Fütterungsstudien erforderlich. In der EU sind daraus hergestellte Lebensmittel kennzeichnungspflichtig.

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