Durchwachsene Silphie

Pflanzenzüchtung für Bioenergie: Mehr Effizienz, weniger Flächen, mehr Vielfalt

Eigentlich eine bestechende Idee: Pflanzen ersetzen die fossilen Energieträger Kohle, Gas und Erdöl. Der Vorteil: Es wird nur die Menge an Kohlendioxid freigesetzt, die in der Vegetationsperiode gebunden wurde. Doch inzwischen ist die Euphorie verflogen: Hier die Klage über die „Vermaisung“ der Landschaft, dort die Konkurrenz zum Anbau von Nahrungspflanzen. Und auch die Klimabilanz der Bioenergie ist nicht so gut wie anfangs gedacht. Können Pflanzenforschung und -züchtung dazu beitragen, Wirkungsgrade und Ökobilanzen zu verbessern? Jenseits von Mais und Raps gibt es verschiedene Ansätze.

Mais

Energiemais (rechts) produziert mehr Biomasse als Körnermais (links). Dafür wurden „Kurztagsgene“ aus südamerikanischen Maissorten eingekreuzt, so dass die Pflanzen erst im Herbst blühen. Bis dahin bilden sie deutlich mehr Biomasse als Sorten, die schon im Sommer blühen.

Foto: KWS

Miscanthus sinensis

Miscanthus (Chinaschilf), ein Süßgras, liefert als mehrjährige C4-Pflanzen viel Biomasse. In den USA sind neue Sorten entwickelt worden, die auch auf versalzten Böden und bei Trockenheit hohe Erträge liefern.

Foto: Wikimedia, Myia.m; CC BY-SA 3.0

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts basieren Wirtschaft und Alltag in den Industrie- und Schwellenländern auf der Nutzung fossiler Energieträger: Erdöl, Kohle und Erdgas. Es gilt als erwiesen, dass das bei ihrer Verbrennung freigesetzte Kohlendioxid eine wichtige Ursache ist für den Treibhauseffekt und damit für den Klimawandel. Seit rund zwanzig Jahren wird die Nutzung erneuerbarer Energien vorangetrieben: Sonnen- und Windenergie, Wasserkraft, Erdwärme und Energie aus Biomasse.

Unter den „Erneuerbaren“ sind nur die Energieträger aus Biomasse speicherbar und damit grundlastfähig: Wie Brennholz können auch Biogas und Biotreibstoffe gelagert werden und stehen - anders als Wind- und Sonnenenergie - dann zur Verfügung, wenn Bedarf besteht. Zu der energetisch nutzbaren Biomasse zählen verschiedene organische Abfälle, die größte Bedeutung hat aber pflanzliches Material.

Weltweit werden in zunehmendem Maße Nutzpflanzen angebaut, die eigens für die Energiegewinnung bestimmt sind. In Deutschland wurden solche Pflanzen 2020 auf 2,3 Mio. Hektar angebaut, das entspricht rund 14 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen. Dabei handelt es sich vor allem um Mais für die Biogasproduktion und Raps zur Erzeugung von Biodiesel.

Doch die anfängliche Euphorie, angeheizt durch üppige öffentliche Förderung, hat sich inzwischen eingetrübt. Das Bedauern über die „Vermaisung“ der Landschaft wendet sich gegen große, eintönige Flächen auf Kosten der Biodiversität. In Zeiten einer wachsenden Nachfrage nach Lebensmitteln - und wieder mehr hungernden Menschen in vielen Weltregionen - scheint es zunehmend fragwürdig, wertvollen Ackerflächen für die Erzeugung von Biotreibstoffen zu nutzen. Die Flächenkonkurrenz zwischen Energie- und Nahrungspflanzen führt zu Knappheit und steigenden Lebensmittelpreisen, besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern. Und auch die Klimabilanz der Bioenergie ist aufgrund des Flächenverbrauchs wohl doch nicht so positiv wie ursprünglich gedacht.

Züchtungsziele bei Energiepflanzen

Pflanzenforscher und –züchter arbeiten an Energiepflanzen, die eine möglichst hohe Energieausbeute, einen möglichst geringen Flächen- und Ressourcenverbrauch und eine größere Agrobiodiversität ermöglichen. Dabei kommen verschiedene Züchtungsmethoden zum Einsatz: von konventioneller Züchtung über Hybridzüchtung, Smart Breeding (markergestützte Selektion) und klassischer Gentechnik bis hin zu den neuen, präzisen Genome Editing-Verfahren.

Optimierung von Inhaltsstoffen. Biokraftstoffe „der ersten Generation“ werden aus verschiedenen Inhaltsstoffen von Pflanzen wie Öl, Stärke oder Zucker, hergestellt. Der Rest der Pflanze wird anderweitig verwertet, beispielsweise als Tierfutter. Eine Möglichkeit, die Gewinnung von Biotreibstoffen zu verbessern, ist eine Veränderung der Inhaltsstoffe, etwa eine Steigerung des Zuckergehalts, denn Zucker lässt sich besonders gut zu Bioethanol oder Biogas umsetzen. - Die brasilianische Agrarforschungsgesellschaft Embrapa hat mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas eine Zuckerrohrsorte entwickelt, die einen deutlich erhöhten Zuckergehalt aufweist und damit die Bioethanolproduktion effizienter macht.

Es wird auch versucht, Pflanzen wie Hirse und Zuckerrohr so zu verändern, dass sie statt Zucker (in der Zellulose) Öl bilden und in den Blättern speichern. Öl hat eine höhere Energiedichte als Kohlenhydrate. Die Biomasse könnte dann sowohl Öl für Biodiesel als auch Zellulose für Bioethanol liefern.

Für die Gewinnung von Biokraftstoffen „der zweiten Generation“ werden die kompletten Pflanzen verwertet. Dabei kann auch Zellulose aus Holz zu Biodiesel und Stroh zu Bioethanol verarbeitet werden. Um Bioethanol auch aus verholzten Pflanzen gewinnen zu können, muss zuerst ein Hindernis überwunden werden: das in verholzten Pflanzenteilen enthaltene Lignin. Es setzt den Methangehalt von Biogas herab, so dass für die Produktion von Bioethanol ganze Pflanzen nicht genutzt werden können. Daher arbeiten Wissenschaftler daran, den Ligningehalt zu senken. In Deutschland, Schweden und in mehreren anderen Ländern laufen dazu zahlreiche Forschungsprojekte.

Mehr Biomasse. Pflanzen, die als Ganzes für die Energieerzeugung eingesetzt werden, wie es etwa bei der Vergärung in Biogasanlagen der Fall ist, müssen möglichst viel Gesamttrockenmasse produzieren. Hier ist die Biomasseleistung ein wichtiges Züchtungsziel.

Einige Pflanzenarten wie Mais, Zuckerrohr, Hirse oder Chinaschilf (Miscanthus) können aufgrund einer besonderen Variante der Fotosynthese (C4-Pflanzen) Sonnenlicht, Wasser und Stickstoff wesentlich effektiver verwerten und deutlich mehr Biomasse bilden als Pflanzen mit „gewöhnlicher“ Fotosynthese. Die meisten dieser C4-Pflanzen stammen aus tropischen Regionen. Um ihre Fähigkeiten auch in Mitteleuropa nutzen zu können, müssen sie mit züchterischen Mitteln an die klimatischen Bedingungen gemäßigter Breiten angepasst werden.

Interessant wäre es, Pflanzenarten für Bioenergiezwecke nutzen zu können, die viel Biomasse liefern, nur geringe Ansprüche an ihren Standort stellen und damit auch auf Flächen kultiviert werden können, die für Nahrungspflanzen ungeeignet sind. So erforscht man bei Pappeln den genetischen Hintergrund für die Biomassebildung, um mit diesem Wissen züchterisch zu schnellwachsenden Bäumen zu kommen. Dabei werden auch die neuen Genome Editing-Verfahren eingesetzt. Gleichzeitig soll die stoffliche Zusammensetzung der Biomasse verbessert werden.

Ein anderer Ansatz zielt darauf, Pflanzen mit hoher Biomasseleistung an ungünstige Standorte anzupassen. So hat ein junges Biotechnologie-Unternehmen in den USA (Ceres) das mehrjährige, immergrüne Süßgras Miscanthus gentechnisch so verändert, dass es auch auf salzhaltigen Böden wächst und weniger Wasser benötigt.

Vielfältige Landwirtschaft. Da der Anbau in Monokulturen negative Folgen für die Biodiversität mit sich bringt, ist ein Ziel der Züchter, andere Pflanzenarten für die Bioenergiegewinnung nutzbar zu machen und so verschiedene Fruchtfolgen und Mischkulturen zu ermöglichen. Statt Raps und Mais sollen etwa Roggen, Zuckerrüben, Hirse und Sonnenblumen energetisch genutzt werden können.

Sogar blühende, mehrjährige Pflanzenarten wie die Durchwachsene Silphie (großes Foto oben) oder die Sidapflanze könnten in Biogasanlagen verwertet werden. Beide sind eigentlich ideale Bioenergiepflanzen: Sie stellen wenig Ansprüche an Klima und Boden, sie sind mehrjährig und ihre Blüten sind attraktiv für Bienen. Doch bisher sind sie kaum gezüchtet worden. Und ohne züchterische Verbesserungen rechnet sich ein landwirtschaftlicher Anbau oft nicht, wenn etwa die Energieerträge hinter den etablierten Kulturarten zurückliegen. Das größte Potential hat derzeit die Durchwachsene Silphie, die ähnlich hohe Biomasseerträge und Biogasausbeuten liefert wie Energiemais.

Neben der züchterischen Bearbeitung von Energiepflanzen sind noch andere Ansätze notwendig, etwa die Optimierung von Anbautechniken und Verfahren zur energetischen Nutzung von Biomasse. Pflanzenzüchtung ist ein Beitrag unter mehreren, um Wirkungsgrade und Ökobilanzen von Energiepflanzen zu verbessern.