Wohlduftender Reis. Oder: Was macht eine Pflanze zu einer “gentechnisch veränderten”?
Ein zentraler Punkt in der Kontroverse um die Gentechnik ist, ob die Methoden wichtig sind, wie eine neue Pflanzensorte gemacht wird, oder, ob die Eigenschaften der neuen Pflanzensorte entscheidend sind. Die Problematik lässt sich am Beispiel des Reises veranschaulichen.
Wohlduftender Reis wie zum Beispiel Basmati ist bei vielen Konsumenten sehr beliebt, für andere ist er eher ungewohnt oder sogar ekelig. Der aromatische Duft beruht vorwiegend auf dem Geruchsstoff 2AP (2-acetyl-1-pyrroline) und wird durch eine Mutation im Gen BADH2 hervorgerufen, das für ein Enzym codiert. Da wohlduftender Reis häufig zu besseren Preisen vermarktet werden kann, wünschen sich Reisbauern, ihre bewährten Reissorten mit dem besonderen Duft zu ergänzen. Deshalb gibt es Zuchtprogramme, um durch Einkreuzen des mutierten BADH2-Gens aus Basmati-Reis den entsprechenden aromatischen Reis herzustellen. Solche Zuchtprogramme sind aber langwierig. Bei der ersten Kreuzung werden ja neben dem Duft stets auch viele andere Eigenschaften des Basmati-Reises eingekreuzt, die nicht erwünscht sind. Man muss also über mehrere Generationen viele Kreuzungen machen, um Reis mit den bewährten Eigenschaften zu erhalten, der gleichzeitig den erwünschten Duft ausströmt.
Eine chinesische Forschergruppe hat nun einen wesentlich eleganteren Weg gefunden, um dieses Ziel zu erreichen. Sie hat mit gezielter Mutagenese in einer bewährten Reissorte das BADH2-Gen ausgeschaltet. Um das BADH2-Gen unter den Zehntausenden Genen der Reispflanze zu finden, hat sie ein speziell konstruiertes Protein hergestellt, das als TALEN bezeichnet wird. Dieses Protein hat sie so hergestellt, dass es ganz spezifisch eine bestimmte DNA-Sequenz im BADH2-Gen erkennt und schneidet.
(Abbildung: G. Ryffel)
Ein Schnitt in der DNA ist für eine Zelle verheerend, da das Chromosom gebrochen ist und auseinander zu fallen droht. Da es in einer Zelle aber häufig Brüche in der DNA gibt, hat die Zelle ein ausgeklügeltes Reparatursystem, mit dem sie Bruchstellen verbindet. Diese neue Verbindung ist nicht immer perfekt, da an der Bruchstelle einzelne Basen verloren gehen können. Dadurch kann der Leserahmen des BADH2-Gens zerstört werden. Die chinesischen Forscher haben nun Pflanzen ausgewählt, in denen der Leserahmen des BADH2-Gens und somit die Funktion des Enzyms zerstört ist (Abbildung). Da die Forscher zusätzlich nur solche Pflanzen ausgewählt haben, in denen das TALEN-Protein verloren gegangen ist, haben sie eine Pflanze hergestellt, in der ausschließlich das BADH2-Gen mutiert ist. Die Tatsache, dass die mit Gentechnik veränderte Reissorte den für Basmati typischen Duft aufweist, zeigt auf eindrückliche Weise, dass das gezielte Ausschalten eines einzigen Gens in Zehntausenden von unterschiedlichen Genen in der Tat die Duftnote des Reises festlegt.
Der mit Gentechnik hergestellte Reis entspricht einer durch klassische Züchtung erhaltenen Pflanze, wobei aber all die bewährten Eigenschaften der ursprünglichen Reissorte erhalten geblieben sind. Da dieser gentechnisch veränderter Reis aber keine Fremd-DNA enthält, sondern nur eine Mutation von wenigen Basen im BADH2-Gen und diese Veränderung auch durch natürliche Mutation entstehen kann, sollte man diesen Reis nicht als ein GVO (gentechnisch veränderter Organismus) einstufen. Diese Ansicht ist zurzeit noch etwas umstritten, obwohl die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) in einer Stellungnahme 2012 zu dem Ergebnis gekommen ist, dass solche Pflanzen auch nach den aktuellen EU-Rechtsvorschriften nicht als GVO anzusehen sind.
Das zurzeit in der EU geltende Recht richtet sich primär danach, ob eine neue Pflanze mit gentechnischen Methoden hergestellt wird, um zu entscheiden, ob eine Pflanze ein GVO ist. Ein aus heutiger Sicht wohl besseres Kriterium sollte zunächst die veränderte Pflanze bewerten. Eine Pflanze, die keine Fremd-DNA enthält, sollte grundsätzlich als kein GVO eingestuft werden. Dies sollte auch gelten, wenn bei der Herstellung gentechnische Verfahren eingesetzt wurden. Diese Art der Bewertung würde für eine Reihe neuer Pflanzenzuchtverfahren ein wissenschaftlich fundiertes Kriterium darstellen.
Eine auf die Pflanze fokussierte Bewertung sollte die Eigenschaften der neu hergestellten Pflanze als Entscheidungsgrundlage einbeziehen. Neben Pflanzen, die als GVO einer Regulation unterworfen werden sollten, wenn sie in der Tat Fremd-DNA enthalten, müsste man konsequenterweise in bestimmten Fällen auch klassisch gezüchtete Pflanzen einer kritischen Prüfung unterziehen. Auch hier bietet der Reis ein sehr anschauliches Beispiel.
Vor einigen Jahren wurden Reissorten entwickelt, die gegen das Unkrautvertilgungsmittel Imidazolinon resistent sind. Diese resistenten Reissorten (z. B. Clearfield, BASF) sind keine gentechnisch veränderten Pflanzen, sondern wurden mit konventionellen Methoden ausgewählt, in dem nach chemischer Mutagenese Reispflanzen mit Imidazolinon behandelt wurden. Die überlebenden Pflanzen hatten Mutationen in einem Gen, das für das Enzym ALS codiert, so dass Imidazolinon dieses Enzym nicht mehr hemmen kann.
Dieser Ansatz war sehr vielversprechend, da nun die Reisbauern mit Imidazolinon das Unkraut in den Reisfeldern sehr leicht bekämpfen konnten – insbesondere wilden Reis, der häufig als unerwünschte Begleitpflanze in Reisfeldern wächst. Aber schon nach wenigen Jahren zeigte sich, dass wilder Reis durch Kreuzung mit den Imidazolinon-resistenten Reissorten selbst resistent wurde. Dieses Auskreuzen der Resistenz auf wilden Reis hat in vielen Regionen die Unkrautbekämpfung mit Imidazolinon verunmöglicht. Das Entweichen der Resistenz gegen Imidazolinon in wilden Reis ist nicht erstaunlich, da das Kreuzen zwischen verschiedenen Reissorten wohl bekannt ist. Vielleicht wäre es besser gewesen, man hätte den Imidazolinon resistenten Reis einer Regulation unterworfen. Man hätte so vor dem weltweiten Anpflanzen von resistentem Reis, die große Wahrscheinlichkeit des Auskreuzens des Resistenzgens berücksichtigt. Das wenig nachhaltige Ausbringen des Unkrautvertilgers Imidazolinon wäre vielleicht verhindert worden.
Die Beispiele am Reis zeigen, dass eine Bewertung, ob eine Pflanzensorte einer Regulation unterworfen werden soll, sich wohl besser auf die Eigenschaften der neuen Pflanzensorte abstützt – nicht allein auf das eingesetzte Züchtungsverfahren.
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Von: Gerhart Ryffel
Prof. Dr. Gerhart U. Ryffel leitete bis 2011 die Arbeitsgruppe Entwicklungsbiologie des Instituts für Zellbiologie (Tumorforschung) am Universitätsklinikum Essen. 2012 schrieb er für den Synthesebericht des Schweizer Nationalen Forschungsprogrammes “Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen” einen Beitrag zu biogenen Pflanzen.