EU-Kommission: Schon bald Vorschlag für Toleranzwerte für nicht zugelassene GVO in Futtermitteln
(10.06.2008) Die neue EU-Kommissarin für Gesundheit, Androulla Vassiliou, will noch im August einen Vorschlag für zulässige Spureneinträge nicht zugelassener gentechnisch veränderter Pflanzen in Futter- und Lebensmitteln vorlegen.
„Das Problem ist die derzeit vorgeschriebene Nulltoleranz,“ sagt Vassiliou in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters. Wie hoch der Schwellenwert für nicht zugelassene gentechnisch veränderte Organismen (GVO) sein wird, ließ sie offen. „Wir sprechen nicht über hohe Zahlen, sondern über geringfügige Spuren in der Nähe der Nachweisgrenze.“ Der Wert werde sicher deutlich unter 1,0 Prozent liegen.
Bereits im Mai hatte sich die EU-Kommission dafür ausgesprochen, das Problem der Spuren nicht zugelassener GVOs schnell und „auf technischem Weg“ zu lösen. Derzeit gilt für GVO, die in der EU nicht zugelassen sind, eine Null-Toleranz: Jeder Nachweis eines solchen GVO in einer Lieferung mit Agrarrohstoffen, führt dazu, dass diese nicht verkehrfähig sind und daher nicht in die EU eingeführt werden dürfen.
In den USA und Argentinien werden bereits gv-Maislinien angebaut, deren Ernteprodukte in der EU noch nicht abschließend zugelassen worden sind. Zwar ist es grundsätzlich möglich, solche gv-Maisprodukte weitgehend von der konventionellen Erzeugung zu trennen, doch eine Nulltoleranz ist im internationalen Agrarhandel nicht zu garantieren. Vielen Exporteuren ist daher das Risiko von Lieferungen in die EU zu groß.
„Wenn es uns nicht innerhalb kürzester Zeit gelingt, das Problem der Einfuhr von gv-Futtermitteln zu lösen, dann können wir uns nach unseren Einschätzungen von fünfzig Prozent unserer Tier- und Fleischproduktion verabschieden“, sagte Klaus-Dieter Borchardt, Vize-Chef im Kabinett von EU-Agrarkommissarin Fischer Boel am Montag vor der Agrarwirtschaft in Berlin.
Das Problem könnte sich bereits im kommenden Jahr verschärfen, wenn in den USA, möglicherweise auch in Argentinien und Brasilien, eine neue gv-Sojabohne angebaut wird, die dort seit längerem zugelassen ist. In der EU wurde der Zulassungsantrag 2006 eingereicht, eine Entscheidung ist aber noch nicht in Sicht.
Bleibt Europa bei der Nulltoleranz für nicht zugelassene GVO, könnte die Furcht vor möglichen Spuren der neuen gv-Sojabohnen große Teile des Imports blockieren und damit zu einer Futtermittelknappheit führen. Derzeit muss die EU 78 Prozent (44 Millionen Tonnen) der benötigten eiweißhaltigen Futtermittel importieren, zwei Drittel davon als Sojaschrot. Zudem führt die EU weitere 15 Millionen Tonnen Sojabohnen ein, die zu Futtermittel, Sojaöl und weitere Produkten für die Lebensmittelwirtschaft verarbeitet werden.
Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Soja-Futtermittel in China haben die europäischen Absatzmärkte für die Erzeuger in Nord- und Südamerika an Bedeutung verloren. Anders als noch vor einigen Jahren, so die Einschätzung von Experten, ist es den Europäern inzwischen nicht mehr möglich, in den Herkunftsländern den Verzicht auf bestimmte gv-Sorten durchzusetzen.