Gentechnisch veränderter Mais: Französische Wissenschaftler zweifeln an der Unbedenklichkeit
(20.09.2012) Französische Wissenschaftler von der Universität Caen haben Zweifel an der Unbedenklichkeit des gentechnisch veränderten Maises NK603 geäußert. In Tierversuchen hatten mit diesem Mais gefütterte Ratten eine deutlich höhere Sterblichkeit. Die Studie ist im Journal „Food and Chemical Toxicology“ veröffentlicht worden. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat angekündigt, dass sie die Ergebnisse wissenschaftlich prüfen und für eine Stellungnahme deren Relevanz einschätzen wird. Der gentechnisch veränderte Mais NK603 ist in der Europäischen Union als Lebens- und Futtermittel zugelassen.
GV-Mais NK603 enthält ein Gen, durch das die Maispflanzen unempfindlich gegenüber dem Herbizidwirkstoff Glyphosat werden. Laut EFSA ist der gv-Mais so sicher wie konventioneller Mais.
Infolge eines neu eingeführten Gens ist der gv-Mais NK603 resistent gegen den Wirkstoff Glyphosat, der unter dem Markennamen Roundup als Breitbandherbizid zur Unkrautbekämpfung eingesetzt wird.
Eine Forschergruppe um Gilles-Eric Séralini von der Universität Caen hatte 200 Ratten über ihre gesamte Lebensspanne, nämlich rund zwei Jahre, beobachtet. Sie teilten die Tiere in mehrere Gruppen ein: Ein Teil der Tiere wurde mit dem gv-Mais NK603 gefüttert, der elf, 22 oder 33 Prozent des Futters ausmachte. Eine Gruppe bekam mit Roundup versetztes Wasser in unterschiedlichen Konzentrationen, wobei die höchste Dosis dem in den USA erlaubtem Grenzwert für einige gentechnisch veränderte Lebensmittel entsprach. Ein Teil der Tiere erhielt mit Roundup behandelten gv-Mais und die Kontrollgruppe konventionellen Mais und unbelastetes Wasser.
Das Fazit: Bis zu fünfzig Prozent der Rattenmännchen und siebzig Prozent der Weibchen, die gv-Mais gefressen hatten, starben frühzeitig. In der Kontrollgruppe waren es nur dreißig beziehungsweise zwanzig Prozent. Die Aufnahme des mit Herbizid versetzten Wassers führte zu ähnlichen negativen Effekten. Die Männchen litten oft an Leber- und Nierenschäden, während bei den weiblichen Tieren Brustkrebs verbreitet war. Die Forscher führen dies auf hormonelle Störungen durch das Herbizid Roundup beziehungsweise auf Stoffwechselprozesse zurück, die durch das neu eingeführte Gen ausgelöst werden. Weitere Langzeitstudien sollen folgen, um mögliche toxische Effekte genauer untersuchen zu können.
Während Gentechnikkritiker in der Fütterungsstudie den Beweis sehen, dass gentechnisch veränderte Pflanzen toxisch sind, wird unter Wissenschaftlern über die Interpretation der Daten diskutiert. So gibt Ernährungsforscher Tom Sanders vom King´s College London zu bedenken, dass die untersuchte Rattenart unter bestimmten Bedingungen sehr anfällig für Brustkrebs ist. Dabei spiele auch die Futtermenge eine große Rolle. Mark Tester von der australischen Universität Adelaide stellt die statistischen Methoden der Forschergruppe in Frage. Außerdem müssten die negativen Effekte laut Tester auch in Nordamerika festzustellen sein, falls die Resultate auf den Menschen übertragbar wären. Dort sind gentechnisch veränderte Lebensmittel seit mehr als einem Jahrzehnt auf den Markt und trotzdem steigt die Lebenserwartung kontinuierlich an.
Der gv-Mais NK603 wurde 2004 bzw. 2005 in der Europäischen Union als Futter- und Lebensmittel zugelassen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) war in ihrem Wissenschaftlichen Gutachten zur Sicherheitsbewertung zu dem Schluss gekommen, dass NK603 genauso sicher ist wie konventioneller Mais. Nun hat die EFSA angekündigt, die Ergebnisse wissenschaftlich unter Berücksichtigung der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und einschließlich jüngster Studien zu prüfen und für eine Stellungnahme deren Relevanz einzuschätzen.
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Themen
Im Web
- Food and Chemical Toxicology, Online-Vorabveröffentlichung vom 19. September 2012 (Abstract)
- Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) wird Stellungnahme zur Séralini-Studie veröffentlichen (19. September 2012)
- „Eine Studie, die Fragen offen lässt“, ein Kommentar auf spektrum.de von Lars Fischer