Eurobarometer: Europa ist weiter skeptisch bei Genfood
Die Akzeptanz der Biotechnologie in der europäischen Bevölkerung wächst. Wie die aktuelle Eurobarometer-Umfrage zeigt, ist jeder zweite Bürger zuversichtlich, dass die Anwendungen dieser neuen Technologie die Lebensqualität verbessern werden – vor allem im medizinischen Bereich und in der Industrie. Gentechnisch veränderten Lebensmitteln steht jedoch ein Großteil der Europäer skeptisch gegenüber. In der Regel sehen sie keinen Nutzen in den neuen Kulturpflanzen und Erzeugnissen, es überwiegen moralische Bedenken und die Sorge um mögliche Risiken.
Die Eurobarometer-Umfrage zur Biotechnologie wird seit 1991 regelmäßig durchgeführt. Für diese sechste und letzte Erhebung wurden 25.000 Bürger befragt, in jedem EU-Mitgliedstaat etwa tausend.
Zustimmung für gv-Lebensmittel (in Prozent) nach EU-Ländern. Der europaweite Durchschnitt liegt bei 27 Prozent.
(„“) Zustimmung und Tolerierung von gv-Lebensmitteln in einigen EU-Ländern 1996-2005. Aufgeführt werden jeweils die Anteile der Befragten, die gv-Lebenmitteln zustimmen oder sie akzeptieren. Zur letzteren Gruppe werden solche Bürger gezählt, die der Meinung sind, gv-Lebenmittel seien moralisch akzeptabel, nützlich und sollten gefördert werden, jedoch Vorbehalte hinsichtlich der Sicherheit haben.(Eurobarometer-Umfrage zur Bio- und Gentechnologie 1996, 1999, 2002, 2005)
Mögliche Gründe, die bei einer Kaufentscheidung von gv-Lebensmitteln eine Rolle spielen. Ergebnisse aus allen EU-Ländern
(PSM = Pflanzenschutzmittel)
Bio- und Gentechnologie: Ja, aber keine Lebensmittel
Die Menschen in Europa haben in den vergangenen Jahren eine zunehmend optimistischere Einstellung zur Biotechnologie gewonnen. Dieser Trend ist seit 1999 zu beobachten. Vor allem die Anwendung im medizinischen Bereich, die rote Biotechnologie, wird befürwortet, sofern ein deutlicher Nutzen für die Gesundheit des Menschen besteht. Viele Bürger unterstützen auch die industrielle, so genannte weiße Biotechnologie. Beispiele sind die Herstellung von Biobrennstoffen und -kunststoffen sowie der Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen zur Arzneimittelproduktion, das Molecular Pharming. Auch die Stammzellenforschung erfährt europaweit deutlichen Zuspruch, wenn strenge Vorschriften eingehalten werden.
Das Vertrauen in den Rechtsrahmen der Europäischen Union zur Biotechnologie hat ebenfalls zugenommen, bestätigen die Resultate der Befragung. Doch die neuen Vorschriften zur Vermarktung von gv-Pflanzen und Kennzeichnung von gv-Lebensmitteln, die der Bevölkerung mehr Sicherheit geben sollten, haben nicht zu einer größeren Akzeptanz geführt. Im Gegenteil: Nur 27 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass man die Entwicklung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln fördern sollte. Offenbar ist der Nutzen der neuen Erzeugnisse häufig nicht klar ersichtlich. Zudem fürchten viele Europäer Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt.
Von Tschechien bis Luxemburg: Die EU-Länder im Vergleich
Die Akzeptanz von gentechnisch veränderten Lebensmitteln in Europa hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Nachdem die Zahl der kritischen Stimmen von 1996 bis 1999 kontinuierlich zunahm, fanden die neuen Produkte im Jahr 2002 wieder mehr Unterstützer. Seitdem ist der Zuspruch in der Bevölkerung erneut drastisch gesunken: Für immer mehr Menschen überwiegen die Risiken gegenüber den Vorteilen von Genfood.
Betrachtet man allein diejenigen, die eine klare Einstellung zu diesem Thema haben, liegt der Anteil der Gegner bei 58 Prozent. Nur in Spanien, Portugal, Irland, Italien, Malta, der Tschechischen Republik und Litauen war die Zahl der Befürworter im Jahr 2005 größer als die der Gegner. Im Gegensatz dazu sind die Kritiker von gentechnisch veränderten Lebensmitteln in Österreich, Griechenland, Ungarn, Deutschland und Lettland besonders zahlreich.
Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Junge Menschen stehen Genfood in der Regel aufgeschlossener gegenüber.
Mögliche Nutzen von gv-Lebensmitteln: Gesundheit vor Preis
Die Teilnehmer wurden befragt, unter welcher Bedingung sie Genfood kaufen würden. Das Ergebnis: Für die Gesundheit oder die Umwelt vorteilhafte Produkte landen am ehesten im Einkaufskorb. Auch die Verringerung der Belastung mit Pflanzenschutzmitteln scheint ein wichtiger Faktor zu sein. Allein ein günstiger Preis könnte die Bürger offenbar nicht von gv-Lebensmitteln überzeugen – ebenso wenig die Zulassung durch die zuständigen Behörden. Ist eine wenn auch nur geringe Akzeptanz erreicht, neigen Menschen dazu, zahlreiche Gründe für den Kauf von Genfood zu finden – so der Eindruck der Forscher.