Der Fall Artuis
Eigentlich war die Zulassung der ersten Sorte aus einer gentechnisch veränderten Pflanzen durch das Bundessortenamt im Juni 2001 eine reine Formsache. Doch es kam anders als geplant.
Artuis, eine neue Maissorte der KWS Saat AG (Einbeck), dem größten deutschen Züchtungsunternehmen, besitzt neben anderen Eigenschaften eine Resistenz gegen Herbizide mit dem Wirkstoff Glufosinat.
Dieses Merkmal stammt aus einem gentechnisch veränderten Mais (T25), der von dem Agrounternehmen Aventis (heute Bayer Crop Science) entwickelt und 1998 in der EU nach den damals gültigen gesetzlichen Vorschriften genehmigt worden ist. Neben der gentechnik-rechtlichen Zulassung benötigt jede neue Sorte unabhängig vom Züchtungsverfahren eine Zulassung vom Bundessortenamt.
Bei der Sortenzulassung wird eine neue Sorte darauf überprüft, ob sie bestimmte Kriterien erfüllt. Die sich aus der Anwendung der Gentechnik ergebenden Aspekte stehen nicht mehr zur Debatte. Diese standen im Mittelpunkt des EU-weiten Zulassungsverfahrens nach der Freisetzungs-Richtlinie.
Greenpeace warnt. Mitte April 2001 machte Greenpeace mobil.Eine uneingeschränkten Zulassung und damit der Anbau transgener Pflanze sei mit der von Verbraucherschutzministerin Renate Künast eingeleiteten „Agarwende“ nicht vereinbar.
Daraufhin erklärte die KWS, dass sie von einer Kommerzialisierung von Artuis absehe. Der Mais solle nur im Rahmen des von Kanzler Schröder vorgeschlagenen, inzwischen jedoch abgesagten Untersuchungsprogramms auf begrenzten Flächen angebaut werden. Dabei sollten sowohl Fragen der Produkt- und Umweltsicherheit experimentell überprüft, als auch Erfahrungen im praktischen Anbau gesammelt werden.
Künast zieht die Notbremse. Das Verbraucherministerium wies das Bundessortenamt an, die Sortenzulassung vorerst um zwei bis drei Wochen zu verschieben.
Die offiziellen Begründungen für diesen Schritt blieben nebulös. Konkrete Zweifel an der Sicherheit des Artuis-Mais wurden vom Verbraucherschutzministerien nicht benannt. Mit dem Hinweis auf noch nicht abgeschlossenen Prüfungen hieß es, „aus Gründen eines vorsorgenden Verbraucherschutzes dürfe eine Zulassung nicht übereilt erfolgen“.
Offenbar sah das Ministerium den Artuis-Mais im Hinblick auf seinen „unbeabsichtigten Verwendungszweck“ - nämlich als Lebensmittel - noch nicht ausreichend geprüft. Beabsichtigt war eine ausschließliche Verwendung als Futtermittel.
KWS zieht zurück. Ende Juni bat das Unternehmen die zuständige Behörde, das Genehmigungsverfahren zu unterbrechen. Obwohl aus Sicht der KWS „alle Voraussetzungen für eine Sortenzulassungen gegeben waren“, sollte der vorläufigen Verzicht das Interesse unterstreichen, „mit allen beteiligten Stellen einen offenen und konstruktiven Dialog zur Klärung anstehender Fragen der Grünen Gentechnik zu führen“.
Die KWS verstand ihre Entscheidung als Zeichen, „um der Bundesregierung die Möglichkeit zu geben, ihre, über die Frage einer einzelnen Sorte hinausgehende, breiter angelegte Initiative zur Grünen Gentechnik neu aufzugreifen und zu intensivieren.“
Künast lädt ein. Im Dezember 2001 begann der Diskurs Grüne Gentechnik, an dem sich ein breites Spektrum gesellschaftlicher Gruppen beteiligte. Der Fall Artuis hatte den Anstoß gegeben.