Biosafety Protokoll ausgehandelt
(30.1.2000) Am Samstag morgen haben sich Regierungsdelegationen von 135 Ländern in Montreal auf ein Abkommen über den internationalen Handel mit gentechnisch veränderten Produkten geeinigt. Das Lob ist weltweit: EU, Bundesregierung, Umwelt- und Verbraucherschützer feiern das Biosafety Protokoll als „historischen Durchbruch“ - auch die von Kanada und USA angeführten großen Agrarexport-Nationen zeigen sich zufrieden. Die deutsche Biotechnologie-Industrie hat das Verhandlungsergebnis begrüßt und erwartet davon einen geschäftlichen Schub.
Das Abkommen basiert auf der Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt, die 1992 auf dem UN-Umweltgipfel in Rio verabschiedet worden war. In einem Zusatzabkommen sollten Regeln für den grenzüberschreitenden Handel mit gentechnisch veränderten Organismen vereinbart werden, da ihre unkontrollierte Verbreitung als Gefahr für die Artenvielfalt angesehen wurde.
Nach fünf Jahren zäher Verhandlungen, die in Montreal erneut zu scheitern drohten, wurde nun das Biosafety Protokoll vereinbart. Es betrifft den zwischenstaatlichen Handel mit gentechnisch veränderten Organismus. Vor allem die Entwicklungsländer, aber auch viele osteuropäische Staaten, die noch keine eigenen gesetzlichen Bestimmungen zur Gentechnik erlassen haben, werden durch das neue Abkommen davor geschützt, dass ohne ihr Wissen gentechnisch veränderte Organismen(GVO) ins Land gebracht und in die Umwelt freigesetzt werden.
Jedes Land hat nun das Recht,die Einfuhr von GVOs zu untersagen. Zur Begründung reichen plausible Zweifel an der Sicherheit aus, ohne dass eine erschöpfende wissenschaftliche Beweisführung erforderlich wäre. Zum ersten Mal ist damit das Vorsorgeprinzip grundsätzlich in einem internationalen Handelsabkommen verankert. Lange Zeit haben sich die in der
Miami-Gruppe zusammen geschlossenen großen Agrarexportländer gegen diese Regelung gewehrt. Sie wollten das Abkommen nach den „Spielregeln“ der Welthandelsorganisation WTO gestalten: Dort gelten Importverbote, die mit Sicherheitsbedenken begründet werden, als „unzulässiges Handelshemmnis“ - es sei denn, sie können sich auf wissenschaftlich eindeutige Beweise stützen. In Streitfällen sollen künftig WTO-Bestimmungen und Biosafety Protokoll gleiches Gewicht haben.
Lange strittig war auch die Frage, wie die eingeführten GVO-Produkte gekennzeichnet werden sollen. Das Biosafety Protokoll sieht eine differenzierte Regelung vor:
- Eindeutig zu deklarieren sind lebende, vermehrungsfähige gentechnisch veränderte Organismen, die eingeführt werden, um die zu Forschungszwecken freizusetzen oder daraus Saatgut zu erzeugen.Das ausführende Land muss alle Informationen bereitstellen, damit das einführende Land eine Sicherheitsbewertung durchführen kann.
- Werden jedoch etwa gentechnisch veränderte Pflanzen wie etwa Mais, Soja, Raps oder Baumwolle eingeführt, um sie als Futter- oder Nahrungsmittel zu verarbeiten, ohne sie gezielt in die Umwelt freizusetzen, dann reicht ein Hinweis „könnte gentechnisch veränderte Organismen enthalten“. Eine besondere Meldung an das Einfuhrland ist nicht erforderlich.Nach zwei Jahren soll diese Regelung überprüft werden, ob sie sinnvoll und praktikabel ist. Eine obligatorische Trennung von konventionellen und gentechnisch veränderten Rohstoffe, wie von Umwelt- und Verbraucherverbänden gefordert, konnte nicht durchgesetzt werden.
- Ohne gentechnik-spezifische Kennzeichnung bleiben Produkte, die zwar aus gentechnisch veränderten Organismen stammen, diese jedoch nicht mehr in einer vermehrungsfähigen Form enthalten, etwa Öl aus gentechnisch verändertem Raps oder Soja, Stärke aus Mais oder Zucker aus Zuckerrüben.
- Gentechnisch gewonnene Zusatzstoffe oder Enzyme enthalten ebenfalls keine vermehrungsfähigen, gentechnisch veränderten Mikroorganismen mehr. Daher ist beim internationalen Handel weiterhin keine gentechnik-bezogene Kennzeichnung vorgesehen.
- Generell ausgenommen bleiben Pharmaprodukte.Die Bestimmungen zur Kennzeichnung beziehen sich nur auf den Transport im zwischenstaatlichen Handel, nicht jedoch auf die Abgabe der Produkte im einführenden Land. Für die Konsumenten in der EU ändert das Biosafety Protokoll nichts an den bestehenden gentechnik-spezifischen Rechtsvorschriften zur Zulassung bzw. Kennzeichnung von Lebensmitteln und Zutaten.Rechtskräftig wird das frisch unterzeichnete Biosafety Protokoll allerdings erst, wenn es fünfzig Länder ratifiziert haben.