Gentechnik-Verbote: Politiker streiten, Wissenschaftler mahnen
(29.06.2015) Erbittert streiten die politischen Parteien darüber, wer Anbauverbote für gentechnisch veränderte Pflanzen verhängen soll: Der Bund oder die Bundesländer. Dass es stichhaltige Gründe für solche Verbote gibt, wird dabei als selbstverständlich angenommen. Dagegen haben sich die großen Wissenschaftsorganisation mit Nachdruck gegen „wissenschaftlich unbegründete pauschale Anbauverbote“ für gv-Pflanzen ausgesprochen. In einem Video haben sich nun auch fünf junge Pflanzenforscher zu Wort gemeldet.
Die EU-Richtlinie (2015/412), mit der die Mitgliedstaaten den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen bei sich verbieten können, ist schon seit einiger Zeit in Kraft. Bis zum Herbst soll das deutsche Gentechnik-Gesetz entsprechend geändert werden. Zuständig dafür ist Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU).
Video: Ohne Gentechnik? Was junge Pflanzenforscher dazu sagen. Dreharbeiten am Institut für Forstgenetik in Großhansdorf bei Hamburg.
Eigentlich sind sich die im Bundestag vertretenen Parteien weitgehend einig: Der Anbau von gv-Pflanzen soll in Deutschland nicht erlaubt werden. Dennoch ist darüber ein heftiger Grundsatzstreit entbrannt. Auf der einen Seite wollen Schmidt und die CDU/CSU die Entscheidung den Bundesländern überlassen, auf der anderen Seite haben sich SPD - und noch unerbittlicher Grüne und Linke - auf einheitliche nationale Verbote festgelegt. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) verspricht sogar eine „Garantie“ auf Gentechnik-Freiheit. Gv-Pflanzen sollen „unter keinen Umständen“ genutzt werden.
Doch ganz so einfach ist es nicht. Ein nationales Anbauverbot, so schreibt es die EU-Richtlinie vor, muss „begründet, verhältnismäßig und nicht diskriminierend sein“ und sich „auf zwingende Gründe stützen“, etwa umwelt- oder agrarpolitische Ziele oder „sozioökonomische Auswirkungen“. Die Richtlinie listet sieben „weiche“, überwiegend politische Gründe auf. Doch „in keinem Fall“ darf sich ein nationales Verbot über das Ergebnis der wissenschaftlichen Sicherheitsüberprüfung durch die EFSA hinwegsetzen. Denn - auch wenn es wenig logisch erscheint: Verboten werden darf nur, was in der EU für den Anbau zugelassen ist. Und eine Zulassung wird nur erteilt, wenn die betreffende gv-Pflanze nach wissenschaftlichen Kriterien genau so sicher ist wie eine vergleichbare konventionelle.
Deswegen sei es schwierig, triftige Verbotsgründe anzuführen, die gleichermaßen auf alle Bundesländer zuträfen, hatte Landwirtschaftsminister Schmidt argumentiert. Bundesweite Verbote seien weniger rechtssicher und könnten bei Klagen von den Gerichten schnell wieder gekippt werden. Die Gegenseite warnte vor einem „Flickenteppich“, bei dem in einem Bundesland eine gv-Pflanzen angebaut werden dürfte, in dem anderen nicht.
Die hitzige politische Debatte wird geführt, als sei es alternativlos, den Anbau einer Pflanze allein deswegen zu verbieten, weil ihr Erbgut mit gentechnischen Verfahren verändert wurde. Dagegen haben Wissenschaftler immer vor den Folgen einer undifferenzierten Verbotsdiskussion gewarnt. Damit werde eine Technologie moralisch diskreditiert, die sowohl in der Grundlagenforschung wie bei der Entwicklung neuer Pflanzensorten überall auf der Welt genutzt wird.
Gerade hat sich das Zukunftsforum Biotechnologie der Dechema (Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie) in einer „gemeinsamen Stellungnahme“ für eine „verantwortungsvoll genutzte Grüne Gentechnik“ ausgesprochen. Nicht zuletzt die in Deutschland über viele Jahre öffentlich geförderte Sicherheitsforschung habe gezeigt, dass sie keine Risikotechnologie sei. Dennoch sei die öffentliche und politische Ablehnung weiter gesunken. Es gebe „Stimmen in Deutschland, die die Grüne Gentechnik als nicht willkommen im Land und als riskant für Umwelt und Natur bezeichnen“. „Wir Biotechnologen“, so das Dechema-Zukunftsforum, „müssen aufhören, in der Diskussion mit Fördermittelgebern und der Politik das Potenzial der Gentechnik schamhaft auszuklammern. Nur durch die offensive Befürwortung dieser Technik und die klare Aussage, dass manche (politische) Ziele anders nicht erreicht werden können, bleiben wir glaubwürdig.“
Ähnlich hatten sich Im Frühjahr auch die drei wissenschaftlichen Akademien - Leopoldina, Acatech, Union der Deutschen Akademien der Wissenschaft - geäußert. In einer gemeinsamen Stellungnahme sprachen sie sich gegen „wissenschaftlich unbegründete pauschale Anbauverbote von GVO“ aus. Die Akademien sehen durch Anbauverbote die Forschungs- und Berufsfreiheit - und damit auch die Chancen der Erforschung, Weiterentwicklung und kommerziellen Nutzung der Grünen Gentechnik bedroht.
Wie das Dechema-Zukunftsforum empfehlen auch die Akademien, die „Risikobewertung künftig vor allem auf die spezifischen Eigenschaften neuer Pflanzensorten und nicht auf den Prozess ihrer Erzeugung abzustellen“.
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Themen
Im Web
- Grüne Gentechnik - der Ratio eine Chance. Erklärung des Zukunftsforums der Dechema (Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie, e.V.)
- Akademien nehmen Stellung zu Fortschritten der molekularen Züchtung und zum erwogenen nationalen Anbauverbot gentechnisch veränderter Pflanzen (Leopoldina, Acatech, Union der Deutschen Akademien der Wissenschaft, 26.03.2015)
- Richtlinie (EU) 2015/412 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG zu der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit, den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen