Nationale Verbote beim Gentechnik-Anbau: Keine „Bittsteller bei Monsanto“

(01.12.2014) Die Verhandlungen zwischen EU-Ministerrat und Europa-Parlament über nationale Ausstiegsklauseln beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen kommen in die entscheidende Phase. Weitgehend unstrittig ist, dass die Mitgliedsstaaten künftig solche Verbote aussprechen können sollen. Doch beim Wie liegen die Vorstellungen noch weit auseinander. Während sich der Ministerrat mit großer Mehrheit für ein zweistufiges Verfahren entschieden hat, wollen Teile des EU-Parlaments und viele NGOs umfassende, „rechtssichere“ Verbote der Grünen Gentechnik, ohne dafür im Einzelnen überprüfbare Gründe anführen zu müssen. Anfang Januar soll über die neuen Vorschriften endgültig entschieden werden.

Bittsteller bei Monsanto

Bittsteller bei Monsanto? Die Kampagnen-Plattform Campact unterstellt, Regierungen seien vom Wohlwollen der Konzerne abhängig, wenn sie den Anbau von gv-Pflanzen verbieten wollten.

Campact: Gentech-Verbot

Christian Schmidt

Christian Schmidt (CSU), Bundeslandwirtschafts- minister: Soll mit einem „Machtwort“ die „Bittsteller-Klausel“ verhindern.

Foto: MEL/photohek.net/Ronny Hartmann

Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen: Nationale Ausstiegsklauseln (opt-out); Vorschlag EU-Ministerrat

-Während des Antragsverfahrens: Länder melden bei der Kommission Verbotsabsichten an.

-Falls Unternehmen zustimmen: Bei der Zulassung werden Verbotsländer ausgenommen.

-Länder können unabhängig von einer Zustimmung der Unternehmen Verbote aussprechen.

-Solche nationalen Verbote müssen begründet werden.

Schon 2010 hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, die Entscheidungskompetenz bei der Nutzung der Grünen Gentechnik wieder an die Mitgliedsstaaten zurückzugeben. Jedes Land sollte selbst bestimmen können, ob es den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bei sich erlauben will - oder eben nicht. Damit sollte die seit Jahren andauernde politische Blockade in der EU überwunden werden.

Doch so plausibel die Idee, so schwierig ihre Umsetzung - politisch und rechtlich. Denn eine nationale Ausstiegsklausel steht in Konflikt mit geschlossenen Verträgen und bestehenden Rechtsgrundsätzen.

  • Der gemeinsame Binnenmarkt ist Kernstück der EU-Verträge. Für alle in der EU gehandelten Produkte gelten die gleichen Regeln - auch für gv-Pflanzen.
  • Die EU hat 2003 mit großer Mehrheit - und mit Zustimmung der damaligen rot-grünen Bundesregierung - beschlossen, die Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen grundsätzlich und unter sehr restriktiven Bedingungen zuzulassen. Wenn diese erfüllt sind, hat der Hersteller einer gv-Pflanze einen Rechtsanspruch darauf, diese auf den Markt bringen zu können.
  • In den geltenden Gesetzen ist festgelegt, dass es in der EU für gv-Pflanzen ein gemeinsames, an wissenschaftlichen Grundsätzen ausgerichtetes Zulassungsverfahren gibt, in das die zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten einbezogen sind. Wenn eine gv-Pflanze in der EU zugelassen wird, ist sie nach derzeitigem Stand des Wissens - und unter Beachtung des Vorsorgeprinzips - genau so sicher wie eine vergleichbare konventionelle Pflanze. Nationale Anbauverbote können sich daher nicht auf einen unzureichenden Sicherheitsnachweis berufen.
  • Die EU hat die Verträge für die Welthandelsabkommen (WTO) unterzeichnet. Einfuhrverbote gelten danach als unzulässige Handelshemmnisse. Ein Ausschluss internationaler Produkte vom EU-Binnenmarkt ist nur unter bestimmten, vertraglich festgelegten Voraussetzungen möglich.

Die künftige Ausstiegsklausel soll nicht gegen diese Gesetze und Verträge verstoßen. Keine einfache Aufgabe - und daher gab es verschiedene Anläufe, „gerichtsfeste“ und zugleich politisch mehrheitsfähige Lösungen zu finden. Nach langen Verhandlungen gelang es Dänemark und Griechenland einen gangbaren Kompromiss zu finden, dem am Ende bis auf Luxemburg und Belgien alle Mitgliedsstaaten zustimmten.

Danach soll es ein zweistufiges Verfahren geben (siehe Kasten): Wenn ein Land den Anbau einer sich im Zulassungsverfahren befindlichen gv-Pflanze nicht dulden will, muss es das an die EU-Kommission melden. Diese wirkt auf den Antragsteller ein, dass er die betreffenden Länder in seinem Zulassungsantrag ausnimmt. Entspricht das Unternehmen diesem Wunsch, bekommt das Land, was es will: Der Anbau der gv-Pflanze bleibt auf seinem Gebiet verboten.

Widersetzt sich jedoch das Unternehmen, kann das Land dennoch seinen politischen Willen durchsetzen. Es kann den Anbau verbieten, muss sich dafür jedoch auf soziökonomische oder ethische Gründe berufen. Anders als es etwa die Kampagnen-Plattform Campact behauptet, ist eine Zustimmung des Unternehmens nicht erforderlich.

Vielen gentechnik-kritischen Parteien und Organisationen geht der im Ministerrat ausgehandelte Kompromiss nicht weit genug. Sie fordern „rechtssichere“ Verbote, die jeder Mitgliedsstaat unmittelbar aussprechen kann.

Das EU-Parlament schloss sich einigen dieser Vorbehalte an. Bei der ersten Lesung des Ministerrats-Konzepts folgte das Parlament mehrheitlich dem Bericht der liberalen belgischen Abgeordneten Frédérique Ries. Danach soll es das zweistufige Verfahren nicht mehr geben. Ein Mitgliedsstaat soll unmittelbar den Anbau einer gv-Pflanze verbieten und dafür auch Umweltschutzgründe anführen können - selbst dann, wenn das Zulassungsverfahren ergeben hat, dass ein Anbau der betreffenden gv-Pflanze ohne Gefahr für die Umwelt ist.

Nun versuchen Unterhändler von Ministerrat und EU-Parlament erneut, einen für beide Seiten tragfähigen Kompromiss zu finden. Doch das dürfte nicht einfach sein. Den Mitgliedsstaaten freizustellen, unkompliziert umfassende Gentechnik-Verbote erteilen zu können, und zwar in einem rechtlich einwandfreien Verfahren ohne politische Willkür und ohne gegen bestehende Verträge und Gesetze zu verstoßen - das scheint wie eine Quadratur des Kreises.

Noch im Dezember sollen die Verhandlungen abgeschlossen werden. Dann müssen noch Parlament und Ministerrat mit den erforderlichen Mehrheiten zustimmen. Geht das - wie derzeit geplant - Anfang 2015 über die politische Bühne, könnten die neuen Regelungen rechtzeitig zur kommenden Anbausaison in Kraft treten.