Offener Brief europäischer Pflanzenforscher: Keine politische Blockade bei Versuchen mit Gentechnik-Pflanzen
(31.10.2014) Zwanzig führende Pflanzenwissenschaftler aus mehreren Ländern haben sich in einem offenen Brief an die politischen Entscheider in der EU gewandt. Darin warnen sie vor finanziellen und politischen Einschränkungen für die Pflanzenforschung in Europa. Insbesondere fordern sie, dass Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen grundsätzlich möglich sein müssen.
Professor Stefan Jansson , Pflanzenphysiologe an Universität Umeå (Schweden) hat den offenen Brief der Wissenschaftler initiiert.
Foto: Umeå University
Führende Pflanzenwissenschaftler aus Schweden, Großbritannien, Belgien, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz haben den offenen Brief an die „Entscheider in Europa“ unterzeichnet. Sie warnen davor, Europa könne seine im Forschungsprogramm Horizon 2020 selbst gesteckten Ziele, gute Rahmenbedingungen für Spitzenforschung zu schaffen und Hindernisse für Innovationen abzubauen, verfehlen - und das ausgerechnet in den Pflanzenwissenschaften, bei denen Europa seit Jahrhunderten eine führende Rolle spielt.
Wenn wir heute besser verstehen, wie Pflanzen wachsen, wie sie sich gegen Krankheiten und Umweltstress wehren und welche Faktoren die Erträge in der Land- und Forstwirtschaft limitieren, dann sei das einer guten Grundlagenforschung zu verdanken, so die Wissenschafter in ihrem Brief. Sie habe entscheidend dazu beigetragen, das Verständnis von Natur zu verbessern und daraus Nutzen zu ziehen, aber bei einigen grundlegenden Phänomenen gebe es noch Erkenntnislücken. Daher sei auch in Zukunft eine breite, „von Neugier getriebene Pflanzenwissenschaft“ notwendig.
Die Wissenschaftler, darunter auch drei Direktoren von Max-Planck-Instituten in Potsdam, Tübingen und Jena nennen in ihrem Brief drei Themenbereiche, um die sich die politisch Verantwortlichen stärker kümmern sollten.
Gerade um der globalen Herausforderung einer wachsenden Weltbevölkerung gerecht zu werden, dürften die finanziellen Mittel für Grundlagen- und angewandte Pflanzenforschung nicht eingeschränkt, sondern sollten möglichst erhöht werden. Als wichtige Aufgaben nennen die Wissenschaftler etwa die Anpassung der Nutzpflanzen an den Klimawandel, oder eine Landwirtschaft, die weniger Wasser, Energie, Düngemittel und Pestizide benötigt.
Pflanzenwissenschaftlern müsse es möglich sein, Freilandversuche durchzuführen, auch mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Um die Funktion einzelner Gene zu verstehen oder herauszufinden, welch Rolle sie bei der pflanzeneigen Abwehr von Schädlingen spielen, ist es oft unerlässlich, experimentelle, mit gentechnischen Verfahren modifizierte Pflanzen unter Freilandbedingungen zu beobachten. In vielen EU-Ländern werden solche Versuche mit gv-Pflanzen jedoch blockiert, nicht aus wissenschaftlichen, sondern allein aus politischen Gründen. Immer wieder werden solche Versuche zerstört und Wissenschaftler persönlich bedroht. Die EU-Institutionen müssten dafür sorgen, dass genehmigte und als sicher eingestufte Versuche tatsächlich durchgeführt werden können.
Und, Europa müsse die Nutzung von gv-Pflanzen ohne zeitliche Verzögerung erlauben, wenn die entsprechenden gv-Pflanzen von den zuständigen Behörden nach einer wissenschaftlichen Risikoabschätzung als sicher beurteilt worden sind. Das de facto-Moratorium bei Anbauzulassungen für gv-Pflanzen in der EU habe sich nachteilig auf die angewandte Pflanzenforschung ausgewirkt und gerade für kleine, innovative Unternehmen die Rahmenbedingungen verschlechtert.
Der offene Brief der Wissenschaftler fällt in die Zeit der abschließenden Beratungen über neue EU-Rechtsvorschriften für gv-Pflanzen. Anfang November entscheidet auch das EU-Parlament über die bereits von EU-Kommission und Ministerrat befürwortete Ausstiegsklausel, nach der einzelne Länder den Anbau zugelassener gv-Pflanzen verbieten dürfen. Anti-Gentechnik-Gruppen, aber auch einige der im EU-Parlament vertretenen Parteien versuchen gerade, den im Ministerrat nach jahrelangen Diskussionen beschlossenen Vorschlag zu verschärfen und auf diesem Weg ein weitgehendes Verbot der Grünen Gentechnik durchzusetzen.