Anbau von Gentechnik-Pflanzen: Fast alle wollen die Ausstiegsklausel - Deutschland zögert noch

(03.03.2014) Die Möglichkeit für EU-Mitgliedsstaaten, den Anbau EU-weit zugelassener gentechnisch veränderter Pflanzen bei sich zu verbieten, rückt näher. Nachdem ein erster Anlauf für nationale Ausstiegsklauseln vor zwei Jahren gescheitert war, hat sich der Rat der EU-Umweltminister heute erneut damit beschäftigt. Beschlüsse wurden nicht gefasst. Jedoch hat sich eine deutliche Mehrheit dafür ausgesprochen, die derzeitigen EU-Rechtsvorschriften zu überarbeiten und darin Ausstiegsklauseln vorzusehen. Deutschland hat sich noch nicht eindeutig festgelegt. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) stellte in Aussicht, dass sich die Bundesregierung bald der Mehrheit der Mitgliedsländer anschließen werde.

Barbara Hendricks

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ist wie ihre Partei „gegen den Anbau von Genmais in Deutschland“.Doch die Bundesregierung ist bei nationalen Ausstiegsklauseln immer noch unentschlossen. Vor zwei Jahren war sie noch strikt dagegen.

Foto: Bundesregierung / Sandra Steins

Anbau von gv-Mais MON810 in Europa

Anbau von Genmais: Gespaltenes Europa. Bisher wird gentechnisch veränderter Mais (MON810) fast ausschließlich in Spanien angebaut. Daran wird sich auch mit Ausstiegsklauseln wenig ändern.

Grafik: Statista.com, Zahlen: transGEN

Die bevorstehende Anbauzulassung für den gentechnisch veränderten Mais 1507 hat ein schon längst gescheitertes Projekt wieder mit Nachdruck auf die politische Tagesordnung in Brüssel gesetzt: Die nationale Ausstiegsklausel (opt-out). Einzelne EU-Mitgliedsstaaten sollen den Anbau von gv-Pflanzen bei sich verbieten dürfen, auch wenn die betreffende gv-Pflanzen in der EU zugelassen und damit nach dem Stand des Wissens als sicher eingestuft worden ist.

Damit sollen politisch motivierte nationale Verbote unmittelbar umgesetzt werden können, ohne wissenschaftliche Risikoargumente dafür heranziehen zu müssen.

Der damalige EU-Verbraucherschutzkommissar John Dalli hatte schon 2010 eine entsprechende Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht, war damit aber an der erforderlichen qualifizierten Mehrheit der Mitgliedsstaaten gescheitert. Nach einem letzten vergeblichen Einigungsversuch lag das Vorhaben seit zwei Jahren brach.

Doch nun hat Griechenland, das derzeit die EU-Präsidentschaft innehat, den damals von Dänemark ausgearbeiteten Kompromissvorschlag nur leicht verändert wieder aus der Schublade herausgeholt.

Danach kann ein Mitgliedsstaat, der eine im Zulassungsverfahren befindliche gv-Pflanze nicht auf seinen Feldern haben will, von dem betreffenden Unternehmen verlangen, aus dem Antrag herausgenommen zu werden und so von der späteren Anbauzulassung ausgespart zu bleiben. Sollte sich das Unternehmen dem Wunsch verweigern, könnte das Land dennoch den Anbau auf seinem Gebiet ganz oder teilweise verbieten, wenn es dafür sozioökonomische Gründe anführen kann. Das könnten etwa unerwünschte Beeinträchtigungen der vorhandenen landwirtschaftlichen Struktur oder der Biodiversität sein.

Für den gv-Mais MON810, der bereits 1998 zugelassen wurde und über dessen Neuzulassung in Kürze zu entscheiden ist, soll es eine spezielle Regelung geben. Einzelne Länder könnten den Anbau bei sich aus politischen Gründen verbieten, ohne sich auf wissenschaftlich umstrittene Studien zu neuen Umweltrisiken berufen zu müssen, wie es etwa bei den aktuellen nationalen MON810-Verboten in Deutschland und Frankreich der Fall ist.

Fast alle europäischen Umweltminister begrüßten die griechische Initiative als „gute Grundlage“, um „so schnell wie möglich“ verbindliche Regelungen für Ausstiegsklauseln auszuarbeiten. Die meisten Länder unterstützen diesen Kurs, auch „gentechnik-freundliche“ Länder wie Spanien und Großbritannien, das bisher eine Re-Nationalisierung beim Anbau von gv-Pflanzen blockiert hat. Einzig und allein Belgien ist noch strikt gegen eine opt-out-Lösung. Deutschland habe sich „noch nicht richtig entschieden“, so Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) in Brüssel. Die Bundesregierung prüfe noch, gehöre aber nicht mehr zu „Blockademinderheit“. Hendricks gab sich zuversichtlich, dass sich Deutschland bis zum Sommer der Mehrheit für eine Ausstiegsklausel anschießen werde.

Frankreich brachte einen eigenen Vorschlag für ein von Grund auf neues zweistufiges EU-Zulassungsverfahren ein: Erst solle auf EU-Ebene über die Zulassung von gv-Pflanzen entschieden werden, dann solle eine weitere Zulassung durch die Mitgliedsstaaten erfolgen, bei der auch weitere Aspekte der Umwelt und gesundheitlichen Sicherheit einbezogen werden können.

Große Chancen hat der französische Vorschlag nicht. Denn viele Länder und auch EU-Verbraucherschutzkommissar Tonio Borg drängen darauf, die nach der Diskussion um den 1507-Mais günstige politische Situation zu nutzen und die Ausstiegsklausel „schnell und zügig“ - das heißt bis zur Anbausaison 2015 - in den EU-Rechtsvorschriften zu verankern. Eine grundlegende Revision des gesamten Zulassungsverfahrens, wie Frankreich es fordert, würde mehrere Jahre dauern.

Einer überarbeiteten, um die Ausstiegsklausel erweiterten Freisetzungs-Richtlinie 2001/18 müssten nicht nur der Ministerrat, sondern auch das EU-Parlament und die EU-Kommission zustimmen. Beide haben bereits erkennen lassen, dass sie keine grundsätzlichen Vorbehalte haben. Doch im Mai wird das EU-Parlament neu gewählt und anschließend - erstmals nach dem Lissabon-Vertrag - auch die EU-Kommission.

Zudem sind einige immer wieder vorgebrachte Einwände noch nicht gänzlich ausgeräumt: Die nationalen Ausstiegsklauseln müssen so gefasst sein, dass sie nicht gegen den europäischen Binnenmarkt und internationale Verträge verstoßen. Auch sehen es einzelne Mitgliedsstaaten weiter kritisch, wenn EU-weit zugelassene Produkte von nationalen Regierungen allein aus politischen Gründen oder unter Verweis auf nur schwer fassbare sozioökonomisch Kriterien verboten werden dürfen.