Freisetzung mit gentechnisch verändertem Weizen genehmigt - Weitere Freilandversuche im nächsten Jahr?
(05.12.2012) In Deutschland könnte es im nächsten Jahr wieder Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen geben. Heute das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die Freisetzung von gv-Weizen mit verändertem Proteingehalt genehmigt. Über einen weiteren Antrag wird die Behörde im Frühjahr entschieden, bei dem es um gv-Kartoffeln geht. Hinzu kommen bereits in den Vorjahren erteilte Genehmigungen, die Freisetzungen auch für die Anbausaison 2013 einschließen. Derzeit ist jedoch nicht klar, ob die Versuche tatsächlich durchgeführt werden.
Versuch genehmigt: Gv-Tabak. An der Universität Rostock wird an neuen Möglichkeiten gearbeitet, Gene in Pflanzenzellen (Plastide) einzubringen, ohne dass sie bei der Fortpflanzung weitergegeben werden. Nun soll anhand der Modellpflanzen Tabak untersucht werden, ob das Konzept funktioniert.
Versuch genehmigt. Der gv-Winterweizen sollte schon im November ausgesät werden. Dabei geht es um einen besseren Transport von Protein-Bausteinen in die Weizenkörner. Wenn es funktioniert, hätten diese einen höheren Proteingehalt. Der gv-Weizen ist weit von einer möglichen Produktreife entfernt.
Neuer Antrag, neuer Versuch: Gv-Kartoffel mit Resistenzgenen gegen die Kraut- und Knollenfäule. Befallene (vorn) und resistente Kartoffeln (hinten.)
Im Rathaus der Gemeinde Limburgerhof (Rheinland-Pfalz) liegen noch bis zum 11. Januar 2013 die Antragsunterlagen für die geplante Freisetzung von zwei gentechnisch veränderten Kartoffeln auf dem nahe gelegenen Versuchsgelände der BASF Plant Science aus.
Für beide gv-Kartoffeln ist eine EU-weite Anbauzulassung beantragt. Zwar hatte die BASF im Januar 2012 ihre Pläne für eine Markteinführung von gv-Kartoffeln in Europa aufgegeben, dennoch will das Unternehmen die schon vorher eingeleiteten Zulassungsverfahren fortführen. Dafür müssen Daten vorgelegt werden, die nur im Freiland unter realitätsnahen Versuchsbedingungen erhoben werden können, etwa zu Wirksamkeit, Sicherheit und den agronomischen Eigenschaften der beiden gv-Kartoffeln.
Eine der Kartoffeln ist eine verbesserte Variante der Amflora-Kartoffel, die 2010 in der EU für den Anbau zugelassen, von BASF wegen fehlender Akzeptanz jedoch wieder vom Markt genommen wurde. Die neue, zusammen mit dem niederländischen Stärkekonzern AVEBE entwickelte Kartoffel (Modena) weist ebenfalls eine veränderte Stärkezusammensetzung auf, besitzt jedoch - anders als Amflora - kein Antibiotikaresistez-Markergen. Auch die Modena-Kartoffel liefert ausschließlich Amylopektin-Stärke für bestimmte industrielle Verwendungszwecke.
Die zweite gv-Kartoffel, die auf dem Gelände in Limburgerhof freisetzt werden soll, ist ebenfalls keine Unbekannte mehr: In die Fortuna-Kartoffel sind zwei Gene aus einer Wildkartoffelart eingeführt worden, die eine Resistenz gegen Phytophthora infestans vermitteln sollen, den Erreger der gefürchteten Kraut- und Knollenfäule. Vor allem an feuchten Standorten haben viele Landwirte in Deutschland Probleme mit dieser Krankheit. Meist werden mehrfach chemische Pflanzenschutzmittel (Fungizide) ausgebracht, im ökologischen Landbau schwer abbaubare Kupferpräparate.
Schon in den Vorjahren hat es Freilandversuche mit Fortuna-Kartoffeln in mehreren europäischen Ländern gegeben, auch in Deutschland. Nach Ablauf des Genehmigungszeitraums muss nun ein neuer Antrag gestellt werden.
Mit einer Entscheidung durch die zuständige Behörde (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL) ist nicht vor Frühjahr 2013 zu rechnen. Bereits genehmigt ist dagegen ein anderer Freisetzungsantrag. Gestellt hat ihn das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK). Die Wissenschaftler wollen einen von ihnen entwickelten gv-Weizen testen, in den sie Gene aus Gerste und Ackerbohnen für bestimmte Transportproteine eingeführt haben. Dadurch soll der Proteingehalt in den Weizenkörnern erhöht werden, ein wichtiges, mit konventionellen Methoden bisher aber nicht erreichbares Züchtungsziel.
Die ersten Freilandversuche mit diesem gv-Weizen auf dem Institutsgelände in Gatersleben wurden 2008 von radikalen Gentechnik-Gegnern zerstört. Nun ist eine Fortsetzung der Versuchsreihe auf einer 0,8 Hektar großen Parzelle im 50 Kilometer entfernten Üplingen (Sachsen-Anhalt) geplant. Erneut warnen Kritiker vor Auskreuzungen auf konventionelle Weizenpflanzen. Die Verantwortlichen des Instituts und andere Wissenschaftler verweisen jedoch auf die biologischen Eigenschaften von Weizenpflanzen: Sie sind Selbstbefruchter und Auskreuzungen sogar in unmittelbarer Nachbarschaft höchst unwahrscheinlich.
Nach langem Zögern genehmigte das BVL am 05. Dezember 2012 den Versuch. Inzwischen ist die Freisetzungsfläche im öffentlichen Standortregister des BVL eingetragen, so dass der gv-Winterweizen noch in diesem Jahr ausgesät werden kann.
2013 sind weitere Freilandversuche mit gv-Pflanzen wie Zuckerrübe, Mais, Kartoffeln oder Tabak möglich, da die bereits erteilten Genehmigungen einen mehrjährigen Versuchszeitraum einschließen. Ob diese Versuche jedoch durchgeführt werden, erscheint angesichts des ablehnenden Meinungsklimas und möglicher Zerstörungsaktionen durch radikale Gentechnik-Gegner fraglich.