Abstimmung in Kalifornien: Keine Mehrheit für Kennzeichnung von Gentechnik-Lebensmittel
(07.11.2012) In Kalifornien wird es weiterhin keine Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel geben. Eine von der Right to know-Koalition eingebrachte Gesetzesinitiative fand bei der zusammen mit der Wahl des Präsidenten durchgeführten Volksabstimmung am Dienstag keine Mehrheit. Nach Auszählung aller Stimmbezirke sprachen sich etwa 47 Prozent für eine Kennzeichnung aus, 53 Prozent dagegen.
Prop 37 - Kennzeichnung für gentechnisch veränderte Lebensmittel. Vordergründig geht es um Wahlfreiheit. Dafür werden Gefahren und Risiken manchmal grotesk überzeichnet.
Prop37 -California Right to know Genetically Engineered Food Act Das sollte nach der Gesetzesinitiative der Right to know-Koalition gekennzeichnet werden: Lebensmittel aus gv-Pflanzen, die unverarbeitet verkauft werden als „gentechnisch verändert“; verarbeitete Lebensmittel mit Zutaten aus gentechnisch veränderten Organismen als „teilweise hergestellt mit Gentechnik“ (Partially Produced with Genetic Engineering); solche Lebensmittel dürfen nicht als „natürlich“ oder mit ähnlichen Begriffen vermarktet werden.
Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht:
Lebensmittel von Tieren, die gentechnisch veränderte Futtermittel enthalten haben; Lebensmittel, bei denen der Hersteller ohne es zu wissen oder zufällig gv-Pflanzen verwendet hat; verarbeitete Lebensmittel, die bis zu zwei Zusatzstoffe oder Enzyme enthalten, die mit gv-Mikroorganismen hergestellt sind; verarbeitete Lebensmittel mit GVO-Zutaten, wenn keine einzelne dieser Zutaten mehr als ein halbes Prozent des Gesamtgewichts ausmacht und nicht mehr als zehn GVO-Zutaten in dem Lebensmittel enthalten sind (Übergangsfrist bis 1. Juli 2019).
In Kalifornien standen am 6. November nicht nur Barack Obama und Mitt Romney zur Wahl, sondern auch elf Gesetzesinitiativen (Proposition), darunter Prop37 für eine verpflichtende Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel. In Kalifornien sind solche Volksabstimmungen (Ballots) an Wahltagen üblich. Mit den Unterschriften von etwa einer Million Unterstützern können Bürger- und Interessengruppen ihre Anliegen auf den Stimmzettel bringen. Diesmal ging es etwa um Steuersenkungen, die Todesstrafe, Regeln für Versicherungen und eben auch um die Kennzeichnung von Genfood.
Die von Umwelt- und Verbrauchergruppen sowie Organic Food-Unternehmen getragene Right to know-Kampagne schien noch im Spätsommer der sichere Sieger zu sein. In den Umfragen sprach sich eine deutliche Mehrheit für eine verbindliche Kennzeichnung aus.
Kurz vor dem Wahltermin drehte sich jedoch die Stimmung und die Kennzeichnungs-Gegner lagen vorn. Offenbar hatte ihr Hauptargument, eine verpflichtende Kennzeichnung führe zu einer spürbaren Verteuerung der Lebensmittel, am Ende doch noch die kalifornischen Wähler erreicht. Die Verbraucher müssten den höheren Aufwand für eine Trennung von gentechnisch veränderten und konventionellen Lebensmitteln bezahlen, obwohl es hinsichtlich Sicherheit und Gesundheit keine nennenswerten Unterschiede gebe.
Die Kampagne gegen eine Kennzeichnungspflicht wurde von großen Agro-Unternehmen wie Monsanto, Dupont oder BASF, aber auch von Lebensmittelkonzernen wie Coca Cola, Nestlé, Mars und Kraft Foods unterstützt. Nach offiziellen Angaben haben die Kennzeichnungs-Gegner mehr als vierzig Millionen erhalten, die Befürworter etwa acht Millionen. Sie führen ihre Niederlage daher vor allem auf ihre deutlich geringeren finanziellen Mittel zurück. Die „Gentechnik-Industrie“ habe sich eben durchgesetzt und die Zustimmung der Bürger mit Geld erkauft.
Doch auch der Right to know-Koalition ging es nur vordergründig um Wahlfreiheit. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, stellte sie gentechnisch veränderte Lebensmittel als „unnatürlich“, unsicher und unbeherrschbar dar. Ob Übergewicht, Krebs, Allergien - die Übel der Gentechnik konnten gar nicht schrill genug gezeichnet werden. Doch in einem Land, in dem seit 16 Jahren großflächig gv-Pflanzen angebaut werden, ohne dass gesundheitliche Schäden offenkundig geworden sind, kam diese Strategie nur wenig an.
Im „Wahlkampf“ um die Kennzeichnung wurde vielen Menschen in Kalifornien bewusst, dass sie wie jeder Amerikaner rechnerisch im Jahr etwa achtzig Kilogramm Genfood verzehren. Jeder konnte am eigenen Leibe nachvollziehen, dass die Horrorszenarien der Right to know-Koaltion nicht zutreffen.
Auch einige renommierte Naturwissenschaftler wie die Pflanzengenetikerin Pamela Ronald, der Agrarökonom David Zilberman, beide Professoren an der bekannten University of California in Berkely und viele andere engagierten sich gegen eine Kennzeichnungspflicht. Sie warnten vor einer gesellschaftlichen Stigmatisierung von Gentechnik und biotechnologisch ausgerichteter Pflanzenforschung.