Indien: Der Streit um die Grüne Gentechnik spitzt sich zu
(23.10.2012) In Indien sollen zehn Jahre lang keine Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen mehr durchgeführt werden. Das hat eine vom obersten indischen Gerichtshof eingesetzte Expertenkommission vorgeschlagen. Ob das Gericht den Empfehlungen folgt, ist noch offen. Der Anbau von gentechnisch veränderter Bt-Baumwolle - derzeit in Indien auf knapp zehn Millionen Hektar - soll nicht eingeschränkt werden.
Obst, Gemüse, Nahrungspflanzen: In einem Bericht für den Obersten Gerichtshof Indiens hat eine Kommission vorgeschlagen, zehn Jahre keine Freilandversuche und keine Zulassungen von gv-Pflanzen zu erlauben, die als Lebensmittel verzehrt werden.
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Vorerst keine Bt-Aubergine: Anfang 2010 setzte die indische Regierung das Zulassungsverfahren für die gv-Aubergine (in Indien Brinjal) mit einer Resistenz gegen Schädlinge aus. Zunächst sollten weitere Untersuchungen zu Fragen der Sicherheit durchgeführt werden.
Verschiedene Nichtregierungsorganisationen und Einzelpersonen hatten im Frühjahr 2012 vor dem indischen Supreme Court gegen die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen in Indien geklagt. Das Gericht setzte eine Kommission aus fünf Wissenschaftlern ein, die Mitte Oktober 2012 einen Zwischenbericht vorlegte.
Darin bemängelt die Kommission, dass Freilandversuche mit gv-Pflanzen an Subunternehmer vergeben und auf Feldern von Landwirten durchgeführt werden. Dies hat mehrfach zu Protesten geführt. Die Kommission fordert nun, dass für Freilandversuche mit gv-Pflanzen eigene, von den übrigen landwirtschaftlichen Feldern getrennte Versuchsflächen auf den Grundstücken von Agrarforschungsinstituten und Firmen eingerichtet werden.
Außerdem, so die Kommission, fehlten angemessene staatliche Strukturen, um Anträge auf Freilandversuche gründlich und umfassend prüfen zu können. Anstelle der beiden derzeit für die Genehmigung zuständigen Ausschüsse solle eine Regulierungsbehörde mit hauptamtlich tätigen Wissenschaftlern aufgebaut werden, die Experten auf dem Gebiet der biologischen Sicherheit sind. Dabei müsse jeglicher Interessenkonflikt ausgeschlossen werden.
Nach dem Willen der Kommission sollten die Daten und Unterlagen zu allen bisher in Indien durchgeführten Freilandversuchen erneut geprüft werden. Außerdem sollten in Zukunft Fütterungsstudien zur Pflicht werden, um gesundheitliche Gefahren beim Verzehr solcher Nahrungsmittel ausschließen zu können.
Das Fazit des Berichtes lautet, für Freilandversuche von gv-Pflanzen, die potenziell vom Menschen konsumiert werden, ein zehnjähriges Moratorium zu erlassen und in dieser Zeit die vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen. Außerdem solle ein Moratorium über Freilandversuche mit herbizidtoleranten gv-Pflanzen verhängt werden, bis eine noch einzusetzende Expertenkommission über mögliche Auswirkungen dieser Pflanzen auf Gesundheit und Umwelt beraten habe. Bereits im August 2012 hatte sich eine andere, vom indischen Parlament eingesetzte Kommission für ein Gentechnik-Moratorium ausgesprochen.
Der Supreme Court wird am 29. Oktober mit den Beratungen über den Kommissionsbericht beginnen. Derzeit ist nicht abzusehen, wie die Entscheidung des Gerichts ausfallen wird. Viele Wissenschaftler in Indien seien „alarmiert“, so eine indische Wirtschaftszeitung. Der Bericht der Kommission sei nicht „rational“ und führe zu einer internationalen Isolierung indischer Agrarwissenschaftler. Zudem widerspreche er dem Bericht eines von Premierminister Manmohan Singh beauftragten Beratungskomitees, dem mehrere bekannte Wissenschaftler angehörten. Darin wird die Grüne Gentechnik, so das Wissenschaftsmagazin Science, als „Technologie der Zukunft“ eingeschätzt, von „der Landwirtschaft und die Gesundheit der Bevölkerung profitieren“ würden.
Ein Moratorium werde außerdem die dominierende Rolle des US-Agro-Konzerns Monsanto auf dem Markt für Bt-Baumwollsaatgut festigen. Andere Unternehmen könnten dann nicht mehr die für eine Zulassung ihrer eigenen Bt-Sorten erforderlichen Freilandversuche durchführen. Ein Moratorium werde allen Konkurrenten „die Flügel stutzen“, so der Business Standard.
Den seit zehn Jahren zunehmenden Anbau von gentechnisch veränderter Bt-Baumwolle will die vom Supreme Court eingesetzte Kommission nicht einschränken. Offiziellen Angaben zufolge wurde 2011 in Indien damit eine Fläche von 9,8 Millionen Hektar bewirtschaftet, fast neunzig Prozent der Baumwollproduktion des Landes. Nach einer im Sommer veröffentlichten Langzeitstudie der Universität Göttingen hat der Anbau von gentechnisch veränderter Bt-Baumwolle entscheidend dazu beigetragen, sowohl die Ernteerträge, als auch das Einkommen und den Wohlstand der bäuerlichen Haushalte zu steigern.