Weizen-Versuch in Großbritannien: Polizei verhindert Zerstörung durch Gentechnik-Gegner
(28.05.2012) Die angekündigte Zerstörung eines Versuchsfeldes mit gentechnisch verändertem Weizen in Harpenden nördlich von London ist ausgeblieben. Ein großes Polizeiaufgebot hat am Pfingstwochenende das Gelände des Rothamsted Research Instituts gegen die Gentechnik-Gegner abgeschirmt. In den vergangenen Wochen hatten sich die Wissenschaftler des Instituts an die Öffentlichkeit gewandt und die Ziele ihres Forschungsprojekts erläutert. Ihr Appell Don’t destroy research wurde bisher von mehr als 6000 Personen unterzeichnet. Der Konflikt um den Weizenversuch führte in Großbritannien zu einer intensiven öffentlichen Diskussion um die Grüne Gentechnik.
Protest gegen Versuche mit gv-Weizen: Die Polizei verhinderte, dass Gentechnik-Gegner bis zu den Versuchsfeldern gelangen konnten.
Foto: Dave Harris
Kuh-Gen im Weizen: Da ein in den Weizen eingeführtes Gen-Element dem aus einer Kuh (aber auch vielen anderen Organismen) ähnelt, hat Take the flour back dieses Kuh-Brot zum Markenzeichen der Kampagne gegen die Weizen-Versuche gemacht.
Grafik: Take the flour back
Die Große Getreideblattlaus (Sitobion avenae) ist ein Problem vor allem im Weizenanbau. Sie wird heute intensiv mit Insektiziden bekämpft. Ein neuer Ansatz könnten Duftstoffe sein, wie sie in dem gv-Weizen gebildet werden. Ob dieses Konzept funktioniert und weiterverfolgt werden kann, soll nun im Freiland überprüft werden.
Foto: Rothamsted Research Institute
Dem Aufruf der Aktionsgruppe Take the flour back, das Versuchsfeld mit gentechnisch verändertem Weizen am Pfingstwochenende zu zerstören, waren nach Angaben der Veranstalter etwa 400 Personen gefolgt, darunter Politiker der Green Party sowie Gentechnik-Gegner aus Frankreich und Deutschland.
Nachdem die Behörden der Grafschaft Hertfordshire kurzfristig den Zugang zum Gelände des Instituts eingeschränkt hatten, umstellte eine Polizeikette das Areal mit den Weizen-Parzellen und trennte so Gentechnik-Gegner und die zahlreichen Wissenschaftler, die für den Versuch und eine auch mit gentechnischen Methoden arbeitende Pflanzenforschung eintraten. Der Protest blieb auf beiden Seiten friedlich und das Versuchsfeld an diesem Wochenende unbehelligt.
Der Konflikt um das Weizen-Forschungsprojekt war Anfang Mai eskaliert, als die Gegner zu einer öffentlichen Zerstörung des Versuchs am 27. Mai aufriefen. Vier an dem Projekt beteiligte Wissenschaftler wandten sich in einem Youtube-Video an die Öffentlichkeit. Ihr Weizen-Projekt sei ein Beispiel für die „zweite Generation gentechnisch veränderter Pflanzen“, die sich ohne chemische Hilfsmittel gegen Schädlinge und Krankheiten wehren und so zu einer nachhaltigen Landwirtschaft beitragen könnten. Sie baten die Gentechnik-Gegner, davon abzulassen, die Pflanzen - und das Ergebnis jahrelanger Arbeit - „unwiderruflich zu zerstören“.
Das Team um die isländische Biologin Gia Aradottir hat in Weizen neben technischen Konstrukten ein Gen für einen Duftstoff eingebracht, wie er auch in anderen Pflanzen, etwa Minze gebildet wird. Mit dem gleichen Duftstoff warnen Läuse ihre Artgenossen vor Feinden. Ob der gv-Weizen wie bei den vorangegangenen Labor-Versuchen auch unter Feldbedingungen funktioniert und er tatsächlich Läuse vertreibt, soll in den 2012 begonnenen Freilandversuchen überprüft werden.
Im Weizenanbau gelten Läusen als großes Problem, da sie Viren übertragen und damit Krankheiten auslösen können. In Großbritannien setzen konventionelle Landwirte breit wirkende Insektizide gegen Läuse ein, die zwangsläufig auch andere Insektenarten schädigen.
Doch auch in Großbritannien ist die Grüne Gentechnik umstritten. Neben eher allgemeinen, gv-Pflanzen insgesamt betreffenden Vorbehalten lehnen Kritiker den Weizen-Versuch ab, weil die Erfahrung gezeigt habe, dass gentechnisch vermittelte Resistenzen nicht dauerhaft seien und nach einiger Zeit zu einem erhöhten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln führten. Da ein in den Weizen eingebrachtes Gen-Element dem Gen einer Kuh ähnelt, schüren die Gegner mit dem Bild eines Mischwesens aus Kuh und Brot das in der Öffentlichkeit verbreitete Unbehagen an gentechnisch veränderten Organismen.
Auch die Rothamsted-Wissenschaftler suchten die Öffentlichkeit: Sie stellten den bisher von mehr als 6000 Personen unterzeichneten Appell Don’t destroy research ins Internet, nutzten Blogs und Twitter, um ihre Argumente zu verbreiten. Zudem lud das Institut die Kritiker von_Take the flour back_ zu einer öffentlichen Diskussion an einem neutralen Ort ein, doch diese sagten kurzfristig ab.
Auch die großen Medien - Fernsehen und Zeitungen - berichteten über die Auseinandersetzungen um die Weizen-Versuche. Die Newsnight von BBC2 und andere Fernsehkanäle sendeten Diskussionen zwischen den Rothamsted-Wissenschaftlern und ihren Kritikern.
Viele britische Zeitungen werten in ihren Kommentaren das Scheitern der geplanten Zerstörungsaktion als Niederlage für die Gentechnik-Gegner. Zudem habe sich das Meinungsklima gewandelt und die Ablehnung der Gentechnik sei weniger stark als in den Jahren nach der BSE-Krise. Das habe es den Wissenschaftlern leichter gemacht, mit ihren Argumenten die Öffentlichkeit zu erreichen.