USA: Gentechnik-Süßmais befeuert Kennzeichnungs-Kampagne
(21.03.2012) Im Sommer kommt in den USA gentechnisch veränderter Süßmais in den Handel. Er ist das erste unverarbeitete Gentechnik-Lebensmittel, das direkt den Verbraucher erreicht. Wie in Europa setzen auch in den USA Gentechnik-kritische Gruppen die großen Handelsketten unter Druck, gv-Süßmais erst gar nicht in die Regale zu nehmen. Gleichzeitig gewinnt eine landesweite Kampagne für eine verpflichtende Gentechnik-Kennzeichnung an Bedeutung.
Süßmais, gentechnisch verändert. Auch in der EU ist gentechnisch veränderter Süßmais in Konserven zugelassen. Der Mais (Bt11) wurde von Syngenta entwickelt, wird aber nicht vermarktet.
Walmart unter Druck: Proteste vor den Supermärkten (hier: Ann Arbor / Michigan) sollen die weltweit größte Einzelhandelskette zwingen, keinen gv-Süßmais zu verkaufen.
Foto: Kurt Gleichman
Im vergangenen Herbst hat der Agro-Biotech-Konzern Monsanto erstmals Saatgut für gentechnisch veränderten Süß- oder Zuckermais auf den Markt gebracht. Ab Sommer soll er als Kolben oder in Konserven in den Auslagen der Supermärkte liegen. Die Süßmais-Sorten verfügen über die gleichen Genkonstrukte für Resistenzen gegen Schädlinge oder Herbizide, wie sie in Nordamerika in der Mehrzahl der üblichen Maissorten enthalten sind. Süßmais wird in den USA lediglich auf 140.000 Hektar angebaut, ein Bruchteil der gesamten Maisflächen von 35 Millionen Hektar.
Mit Ausnahme der schon seit Jahren genutzten gentechnisch veränderten Papayas aus Hawaii ist Süßmais das erste weitgehend unverarbeitete Lebensmittel, das direkt von einer gentechnisch veränderten Pflanze stammt und unmittelbar verzehrt wird. Anti-Gentechnik-Gruppen setzen die großen Handelsketten unter Druck, gv-Süßmais erst gar nicht in ihr Sortiment aufzunehmen. Whole Foods und Trader Joe’s, zwei im Bereich Organic Food starke Ketten, versicherten bereits, dass sie keinen gv-Süßmais verkaufen werden.
Nun konzentrieren sich die Aktivisten auf Wal Mart, den weltweit größten Handelskonzern. In mehreren Städten kam es zu Protesten vor den Supermärkten. Noch sei nichts entschieden, versicherte eine Wal Mart-Sprecherin, aber derzeit habe das Unternehmen keine Pläne, den Monsanto-Süßmais zu vertreiben.
Gleichzeit wird die Forderung nach einer Kennzeichnung von GVO-Produkten immer lauter. „Wer Zucker vermeiden will, Aspartam oder Transfettsäuren, der braucht nur auf das Etikett zu schauen. Aber wer GVO vermeiden will, der erfährt dazu nichts“, so Mark Bittman, ein einflussreicher Kolumnist der New York Times. „Es geht um das Recht, so viel zu erfahren wie die Europäer.“ Bei einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters sprachen sich neunzig Prozent der Befragten für eine Kennzeichnung von GVO-Produkten aus. Und gerade haben 55 Senatoren und Kongressabgeordnete in einem offenen Brief an die Lebensmittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) sich für eine Kennzeichnung eingesetzt. Es sei ein fundamentales Recht des Verbrauchers, eine „informierte Entscheidung“ treffen zu können „über das, was er isst“.
Noch gibt sich die FDA unbeeindruckt. Sie hält am Grundsatz einer strikt produktbezogenen Kennzeichnung fest: Ein Hinweis auf dem Etikett sei nur dann gerechtfertigt, wenn eine Gentechnik-Anwendung bei einem Lebensmittel zu veränderten Inhaltsstoffen oder Eigenschaften geführt habe. Eine prozessbezogene Kennzeichnung bei stofflich im wesentlichen unveränderten Produkten - wie bei nahezu allen derzeit angebauten gv-Pflanzen - lehnt die FDA weiterhin als „unwissenschaftlich“ und „irreführend“ ab.
Doch der politische Druck nimmt zu. Im November könnte zusammen mit den Präsidentschaftswahlen in Kalifornien eine Volksabstimmung (Ballot) über eine verpflichtende Gentechnik-Kennzeichnung stattfinden. 800.000 Unterschriften sind dafür erforderlich und nach Angaben der Just label it-Koalition ist diese Zahl bald erreicht. Würde die Forderung in Kalifornien angenommen, erwarten Beobachter einen Domino-Effekt. Andere Bundesstaaten würden sich anschließen. Es wäre kaum vorstellbar, dass der amerikanische Lebensmittelmarkt in Zonen mit und ohne Gentechnik-Kennzeichnung zerfallen würde.
Derzeit, so schätzen es Branchen-Verbände, enthalten drei Viertel aller verarbeiteten Lebensmittel GVO-Zutaten, die wie etwa Öle, Fette, Stärke oder Zucker aus gentechnisch veränderten Pflanzen gewonnen werden.