Nach Honig-Urteil zu Gentechnik-Pollen: Deutsche Imker jubeln, international Entsetzen

(19.12.2011) Das Honig-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat zu großer Verwirrung und Unsicherheit in der Honigbranche geführt. Besonders betroffen sind Imker aus Ländern, die Honig in die EU exportieren und in denen gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut oder freigesetzt werden. Ein Großteil der deutschen Imker sieht in dem Urteil dagegen einen wichtigen Etappensieg in Richtung einer gentechnik-freien Landwirtschaft.

Bienenstock

Bienen, Pollen, Honig. Bienen bringen gelegentlich auch Maispollen in den Stock. Nach dem Honig-Urteil des EuGH gilt Pollen im Honig nun als Zutat. Das hat weitreichende Konsequenzen: Honig aus Ländern, in denen gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, findet in Europa kaum noch Abnehmer. Vor allem Imker aus Südamerika sind die Leidtragenden.

Im September 2011 hatte der europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem „Honigurteil“ Pollen aus gentechnisch veränderten (gv-)Pflanzen im Honig als Lebensmittelzutat eingestuft, für die eine gentechnikrechtliche Zulassung erforderlich ist. Bis dahin galt Pollen als natürlicher Bestandteil von Honig und Pollen von gv-Pflanzen allenfalls als zufällige, technisch nicht vermeidbare Beimischung.

In Berlin trafen sich nun Imker und Honighändler, Wissenschaftler und Bienenexperten sowie Vertreter von Ministerien, Behörden und Verbänden zu einem vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ausgerichteten internationalen Workshop, um sich über die Konsequenzen dieses Urteils auszutauschen.

Es herrsche Unsicherheit und Verwirrung, so ein Vertreter des Honigverbandes zu Beginn der Tagung. Honig-Importe, Honig in Lagerhallen und Supermärkten würden auf mögliche „Gentechnik-Spuren“ kontrolliert, bereits ausgelieferte Honige zurückgerufen. Der Honigmarkt sei seit dem Urteil bereits deutlich geschwächt, die Honigversorgung aus der EU sowie aus Drittländern gefährdet. Kanada habe Probleme, Honig in die EU zu liefern, da dort gv-Rapssorten angebaut werden, die in der EU nicht uneingeschränkt als Lebensmittel zugelassen sind. Südamerikanische Länder, die die wichtigsten Importländer für Honig in der EU sind und in denen vor allem großflächig gv-Soja angebaut wird, finden nur begrenzt neue Abnehmer für ihren Honig. Imker und Exporteure weltweit seien fassungslos und enttäuscht. Nur die deutschen Imker jubeln.

148.000 Tonnen Honig werden jährlich in die EU importiert, das sind vierzig Prozent des Verbrauchs. Ein Drittel davon kommt aus China, mehr als zwanzig Prozent aus Argentinien und ebenfalls große Mengen aus Mexiko, Chile und Brasilien. Mehr als 85 Prozent der Honig-Importe in die EU kommt aus Ländern mit GVO-Anbau. Vor diesem Hintergrund plädierte ein Sprecher der Fair-Trade-Organisation GEPA für eine pragmatische Lösung. Handelspartner der GEPA sind kleine Gruppen von Imkern in Lateinamerika. Auch wenn die GEPA nur Produkte ohne Gentechnik anbieten wolle, sei die Vernichtung von gesundheitlich unbedenklichem Honig mit Spuren von GVO-Pollen absurd und nicht akzeptabel.

Auch in der EU werden etwa vierzig Prozent des Honigs dort produziert, wo gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden. Betroffen ist vor allem Spanien. Dort wachsen neunzig Prozent des in der EU angebauten MON810-Maises. Bevor nicht eine umfassende Neuzulassung für MON810 vorliegt, ist der Pollen dieses Maises im Honig nicht zugelassen. Spanien exportiert Honig vor allem nach Frankreich, Deutschland, Italien, Portugal und Großbritannien. Der europäische Honigmarkt sei eingebrochen, berichtet eine Vertreterin des spanischen Umweltministeriums.

Die rechtliche Unsicherheit nach dem Honigurteil ist groß. Klar ist bislang nur, dass Honig mit Pollen von gv-Pflanzen nun unter das Gentechnikrecht für Lebens- und Futtermittel fällt. Solcher Honig ist folglich nur dann verkehrsfähig, wenn der entsprechende GVO uneingeschränkt als Lebensmittel zugelassen ist. Für alle übrigen GVO gilt eine „Nulltoleranz“.

Unklar ist hingegen, ob die vom EuGH vorgenommene Einstufung von Pollen als Lebensmittelzutat zur Konsequenz hat, dass auch alle anderen Pollen in Zukunft als Zutat zu gelten haben oder ob das Urteil nur auf GVO-Pollen anzuwenden ist. Walter Haefeker vom Europäischen Berufsimkerverband interpretierte das Urteil so, dass GVO-Pollen - und nur dieser - wie eine Zutat zu behandeln sei. Dorothée André von der Europäischen Kommission machte hingegen deutlich, dass nach Ansicht der Kommission Pollen nun generell eine Zutat sei und nicht nur GVO-Pollen. Dies dürfte für Imker und Lebensmittelwirtschaft weitreichende Folgen haben. Pollen muss dann in der Zutatenliste aufgeführt werden und folglich jeder Honig auf Pollen analysiert werden.

Klar ist auch, dass Honig, der Pollen von zugelassenen gv-Pflanzen enthält, zukünftig gekennzeichnet werden muss, wenn der Schwellenwert von 0,9 Prozent überschritten wird. Noch nicht abschließend geklärt sei aber, so Dorothée André, ob sich die 0,9 Prozent auf den Gesamtpollen im Honig oder auf den Pollen der jeweiligen Kulturart beziehen werden. Allerdings: Ein Nachweis ist schwierig, denn bislang gibt es keine Methode, mit der es möglich ist, GVO-Pollen von konventionellem Pollen zu unterscheiden.

Ein weiteres Thema der Veranstaltung waren die Konsequenzen des Urteils hinsichtlich der Koexistenz landwirtschaftlichen Anbaus mit und ohne Gentechnik. In der Diskussion gingen die Vorstellungen etwa über zukünftige Abstandsregelungen zwischen Feldern und Bienenstöcken stark auseinander. Auf der einen Seite wurden zehn Kilometer Abstand gefordert, was den Anbau von gv-Pflanzen de facto unmöglich machen würde. Auf der andern Seite wurde auf Zahlen verwiesen, die Werner von der Ohe vom Bieneninstitut Celle in seinem Vortrag genannt hatte, wonach der Maispollenanteil im Honig generell bei nur etwa zwei Prozent liege und von daher keine besonderen Maßnahmen erforderlich seien.