Neu-Zulassung von gentechnisch veränderten Sojabohnen: Herbizid Glyphosat unter Druck

(15.11.2011) Die EU-Mitgliedsstaaten können sich nicht über die fällige Neuzulassung der seit 1997 genutzten gentechnisch veränderten Sojabohne einigen. Im „Ständigen Ausschuss“ erhielt gestern keine Seite die erforderliche qualifizierte Mehrheit. Umweltverbände und Gentechnik-Kritiker fordern, die Zulassung zu verweigern und zudem die beim Anbau der Sojabohnen erforderlichen Herbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat zu verbieten. Sie berufen sich dabei vor allem auf Untersuchungen eines argentinischen Embryologen. Doch dessen Ergebnisse werden von den meisten Fachleuten zurückgewiesen.

Sojabohnen

RoundupReady-Sojabohnen werden in den USA seit 1997 in großem Stil angebaut. Auf sie - und inzwischen auch auf weitere gentechnisch veränderte Sojabohnen - entfallen heute 94 Prozent der US-Sojaproduktion. Auf den Flächen werden zur Unkrautbekämpfung seitdem regelmäßig Herbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat ausgebracht. Inzwischen sind verstärkt Unkräuter aufgetreten, die eine Resistenz gegen Glyphosat entwickelt haben.

Seit 1997 werden Sojabohnen mit einer gentechnisch vermittelten Resistenz gegen Herbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat (Markenname RoundupReady) angebaut, zuerst in den USA, dann auch in Argentinien, Brasilien und weiteren Ländern. Im Jahr zuvor erhielten sie eine Zulassung als Lebens- und Futtermittel in der EU.

Sojabohnen sind Rohstoff für zahlreiche Lebensmittelzutaten und Zusatzstoffe, vor allem aber werden sie als proteinreiches Futtermittel benötigt. Die EU führt jährlich 35 bis vierzig Millionen Tonnen Sojarohstoffe ein, die zu einem großen Teil aus herbizidresistenten gentechnisch veränderten Sojabohnen bestehen. Bisher, so die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), sind keine nachteiligen Wirkungen für Mensch und Tier bekannt geworden.

Wie bei allen GVO-Produkten ist auch die EU-Zulassung für RoundupReady-Sojabohnen (Eventbezeichnung 40-3-2) nach zehn Jahren ausgelaufen und muss nach den inzwischen verschärften und präzisierten Rechtsvorschriften erneuert werden. Ende November 2010 schloss die EFSA die Sicherheitsüberprüfung ab. Das Expertengremium stellte fest, dass es keine neuen Hinweise oder Erkenntnisse gebe, welche eine erneute Zulassung als Lebens- und Futtermittel in Frage stellen könnten.

Auf dieser Grundlage legte die EU-Kommission einen Entscheidungsvorschlag vor, über den nun die bei der europäischen Gentechnik-Politik heillos zerstrittenen Mitgliedsstaaten abstimmen müssen. Seit Jahren blockieren sie sich gegenseitig, so dass keine Seite die für eine Entscheidung erforderliche qualifizierte Mehrheit zusammenbringen kann. Auch die RoundupReady- Sojabohne scheiterte im zuständigen „Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette“. Nun soll zunächst ein Ausschuss eine Lösung suchen. Ändern sich die Mehrheiten nicht, muss am Ende die EU-Kommission ihren eigenen Vorschlag umsetzen und die erneute Zulassung aussprechen.

Umweltverbände wie der NABU und das Beratungsunternehmen Testbiotech fordern unterdessen, eine Zulassung zu verweigern. Sie begründen das in erster Linie nicht mit den gv-Sojabohnen selbst, sondern mit dem Herbizid-Wirkstoff Glyphosat, der in Kombination mit den dazu passenden herbizidresistenten gv-Sorten zur Unkrautbekämpfung eingesetzt wird. Jüngste Studien, so die Verbände, „weisen darauf hin, dass Glyphosatmischungen zu Störungen der embryonalen Entwicklung führen können.“ Sie stützen sich dabei in erster Linie auf Untersuchungen des argentinischen Embryologen Prof. Carrasco, der Glyphosat direkt in Froschembryos gespritzt hatte.

Die Schlussfolgerung, Glyphosat die Zulassung zu entziehen, teilt das unabhängige Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) dagegen nicht. Es hat den allgemeinen Wissensstand zur toxikologischen Bewertung des umstrittenen Herbizids aktuell in „Fragen und Antworten“ zusammengefasst. Danach zeigte Glyphosat in Tierversuchen „eine geringe akute Toxizität“, jedoch „ergaben standardisierte Tests keine erbgutverändernden Eigenschaften“. Langzeitstudien an Ratten und Mäusen lieferten „keine Anhaltspunkte für eine krebserzeugende Wirkung.“ Die von Prof. Carrasco angewandte Methode sei kein standardisiertes, nachprüfbares Verfahren und entspreche nicht „den für Menschen relevanten Expositionsbedingungen“. Ähnlich hatte sich auch die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen geäußert.

Schon länger unter Verdacht steht nicht der Glyphosat-Wirkstoff selbst, sondern Tallowamin, ein in den Herbizid-Präparaten beigemischter wirkungsverstärkender Zusatzstoff. In Deutschland sind die Hersteller inzwischen verpflichtet, Tallowamin durch andere Netzmittel zu ersetzen. Zudem darf pflanzliches Ernte- oder Mähgut nicht mehr verfüttert werden, wenn es von einem mit tallowamin-haltigen Pflanzenschutzmitteln gespritzten Feld stammt.

Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Herbizid - unabhängig von den dazu passenden gv-Pflanzen. Allein in Deutschland wurden 2010 5000 Tonnen gespritzt, ein knappes Drittel der gesamten Herbizidmenge. Es wird in Kleingärten oder an Bahndämmen ausgebracht, vor allem aber im pfluglosen Ackerbau, wenn vor der neuen Aussaat das auf einem Feld vorhandene Unkraut beseitigt werden muss.

Ein weiterer Entscheidungsvorschlag der EU-Kommission erhielt im „Ständigen Ausschuss“ nicht die Unterstützung der Mitgliedsstaaten. Dabei ging es um Futter- und Lebensmittel aus einer von Bayer CropScience entwickelten gv-Sojabohne (A5547-127) mit eine Resistenz gegen den Herbizid-Wirkstoff Glufosinat. Er ist für Landwirte in den USA und Südamerika eine Alternative zu Glyphosat.