Gericht: Vernichtung von Rapssaatgut wegen Gentechnik-Spuren war rechtswidrig

(19.01.2011) Bereits ausgebrachtes Saatgut muss nicht untergepflügt werden, wenn darin Spuren von gentechnisch veränderten Pflanzen gefunden werden. In einem heute erlassenen Urteil hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel eine Anordnung des Regierungspräsidenten in Gießen aus dem Jahre 2007 für rechtswidrig erklärt.

Rapsblüte

Rapsfeld: Muss nicht in jedem Fall untergepflügt werden, wenn geringfügig mit GVO verunreinigtes Saatgut ausgebracht worden ist.

Damals waren in einer Rapssorte eines Saatgutunternehmens geringe Beimischungen von gv-Raps gefunden worden, der in der EU nicht für den Anbau zugelassen war. Der gemessene GVO-Anteil lag etwa bei 0,03 Prozent und damit unterhalb der technischen Nachweisgrenze.

Dennoch hatten die Behörden mehrerer Bundesländer angeordnet, die mit dem verunreinigten Saatgut bestellten Felder unterzupflügen. Betroffen war auch ein landwirtschaftlicher Betrieb aus Südniedersachsen, der den Raps auf seinen in Hessen gelegenen Feldern ausgebracht hatte. Der Betrieb folgte der Verfügung des Regierungspräsidiums, legte jedoch im Nachhinein Klage ein. Dadurch sei ein Schaden von 25.000 Euro entstanden.

Mit der Aussaat habe der Betrieb gentechnisch veränderte Organismen ohne Genehmigung freigesetzt, so das Regierungspräsidium Gießen. Die Anordnung zur Vernichtung sei daher „erforderlich und angemessen“ gewesen, auch wenn der Betrieb nicht habe wissen können, dass das Saatgut verunreinigt gewesen sei.

In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht Kassel die Klage abgewiesen. Der Betrieb legte Berufung ein und hatte nun vor dem hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) Erfolg. Die Anordnung des Regierungspräsidiums sei „rechtswidrig, weil der Betrieb nicht gezielt gentechnisch verunreinigtes Saatgut ausgebracht hat,“ so das Gericht in seinem heutigen Urteil. Außerdem habe die Behörde „das öffentliche Interesse an der Abwehr von Gefahren nicht hinreichend mit den finanziellen und sonstigen Folgen abgewogen.“

Ähnliche Klagen laufen derzeit in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Auch dort hatten die Behörden wie in Gießen das Unterpflügen der betroffenen Raps-Felder angeordnet.

Mehrfach ist es in den letzten Jahren zu Konflikten um GVO-Spuren im Saatgut gekommen. Wiederholt haben Behörden der für die Überwachung zuständigen Bundesländer eine Vernichtung der Bestände verfügt, wenn verunreinigtes Saatgut bereits ausgesät worden war. Im Frühjahr 2010 war in Maissaatgut des Züchters Pioneer Spuren des gv-Maises NK603 gefunden worden. Die Ergebnisse der Untersuchungen in Niedersachsen waren erst bekannt geworden, nachdem ein großer Teil der betroffenen Saatgut-Partien bereits im Boden war. Auch in diesem Fall haben alle Bundesländer die betroffenen Felder unterpflügen lassen.

Bisher gibt es in der EU - und auch in Deutschland - keine verbindlichen Festlegungen für tolerierbare GVO-Anteile in Saatgut. Allerdings haben einzelne EU-Mitgliedsländer solche Toleranzschwellen erlassen. Im „gentechnik-kritischen“ Österreich liegt sie bei 0,1 Prozent - und damit weit höher als die in Deutschland gemessenen Saatgut-Verunreinigungen.