Gentechnik: EU-Kommission für 0,1 Prozent Toleranz bei Futtermittel-Importen
(27.10.2010) Die EU-Kommission hat ihren seit langem angekündigten Vorschlag für Toleranzwerte nicht zugelassener gentechnisch veränderter Organismen in Agrarimporten vorgelegt: Künftig sollen zufällige Verunreinigungen bis 0,1 Prozent erlaubt sein - aber nur bei Futtermitteln. Die Mitgliedstaaten müssen noch zustimmen.
EU-Verbraucher- schutzkommissar John Dalli: Keine Abkehr von der Nulltoleranz, aber „praktikable Anwendung“.
Foto: EU-Kommission
Wiederholt hatte EU-Verbraucherschutz- kommissar John Dalli „technische Lösungen“ für das Problem „geringfügiger, technisch nicht vermeidbarer“ GVO-Beimischungen in Agrarimporten angekündigt. In den letzten Jahren waren mehrfach Mais- und Sojalieferungen aus USA, Argentinien und Brasilen bei der Einfuhr in die EU gestoppt worden, weil in ihnen Spuren von in der EU nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen nachgewiesen wurden.
Derzeit gilt in der EU eine „Nulltoleranz“-Politik: Jeder Nachweis eines nicht zugelassenen GVO führt unabhängig von der Höhe des gemessenen Anteils zu einem Einfuhrverbot für die betreffende Agrarlieferung. Da in Nord- und Südamerika jedoch immer mehr neue gv-Pflanzen angebaut werden, wurde es für die Erzeugerländer zunehmend schwieriger, die von der EU geforderte Nulltoleranz zu erfüllen. Wiederholt hatten die großen Agrarhandelsunternehmen vor einer Verknappung der Futtermittel in Europa gewarnt.
Nun will die EU-Kommission die bisherige Nulltoleranz-Politik lockern. Sie hat vorgeschlagen, dass künftig geringfügige Beimischungen nicht zugelassener GVO bis zu 0,1 Prozent erlaubt sein sollen. Voraussetzung ist, dass die betreffende GVO im Anbauland zugelassen und als sicher eingestuft wurden und dass in der EU dafür Zulassungsanträge gestellt wurden. Die 0,1-Toleranz soll nur für Futtermittel, jedoch nicht für Lebensmittel gelten.
Diese unterschiedlichen Vorschriften für Lebens- und Futtermittel ist nicht nur in der Kommission umstritten. Auch die Erzeugerländer USA, Kanada, Brasilien und Argentinien haben in einem Schreiben an die Kommission davor gewarnt, dass eine „Trennlinie zwischen Lebensmittel und Futtermitteln“ zu „unüberwindlichen Schwierigkeiten im Agrarhandel“ führen werde. Andererseits hatten mehrere EU-Länder, darunter Deutschland, angekündigt, sie würden einer Lockerung der Nulltoleranz nur zustimmen, wenn Lebensmittel davon nicht betroffen seien.
Den von der Kommission vorgelegten neuen Rechtsvorschriften müssen die EU-Mitgliedsstaaten mit den erforderlichen Mehrheiten zustimmen. Das Verfahren dauert mindestens sechs Monate, so dass die neuen Regeln frühestens im April 2011 in Kraft treten könnten.
Der vorgeschlagene Toleranzwert von 0,1 Prozent gilt als technische Nachweisgrenze. Bei GVO-Gehalten unter 0,1 Prozent liefern die heutigen Nachweisverfahren keine eindeutigen Ergebnisse.