„Gen-Mais“: Alle Bundesländer ordnen Vernichtung an - Züchter fordern Schwellenwerte
(21.06.2010) Alle Felder, auf denen vermutlich „gentechnisch verunreinigtes“ Maissaatgut ausgebracht wurde, sollen nun doch untergepflügt werden. Inzwischen haben alle betroffenen Bundesländer entsprechende Maßnahmen angeordnet. Die deutschen Maiszüchter kritisieren diese als „unangemessen“ und fordern erneut, endlich Schwellenwerte für Saatgut festzulegen.
Als letztes Bundesland hatte Niedersachsen angeordnet, alle Felder zu umbrechen, auf denen Saatgut aus den betroffenen Partien ausgebracht worden ist. Man wolle so einen „bundesweit einheitlichen Vollzug“ gewährleisten. Außerdem soll damit offenbar die Rechtsposition der Landwirte, „die unverschuldet in diese Situation geraten sind“, verbessert werden, um vom Hersteller des Saatguts Entschädigungszahlungen einfordern zu können.
Niedersächsische Behörden hatten bei Kontrolluntersuchungen im Frühjahr in konventionellem Maissaatgut des Herstellers Pioneer (Buxtehude) Anteile des gentechnisch veränderten Maises NK603 festgestellt, der in der EU zwar als Lebens- und Futtermittel zugelassen ist, jedoch noch nicht für den Anbau. Bei den Anordnungen zum Umbrechen der Felder berufen sich die Bundesländer auf die „Nulltoleranz für Saatgut“ in der EU, nach der auch „geringfügige Spuren von Bestandteilen aus nicht zugelassenen GVO verboten sind.“
Ob jedoch das zu vernichtende Saatgut tatsächlich messbare GVO-Anteile enthielt, ist weiterhin unklar. Die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen (CDU) hatte eingeräumt, dass ihre Behörde GVO-Anteile zwischen 0,03 und 0,1 Prozent ermittelt hatte. Unterhalb der technischen Nachweisgrenze von 0,1 Prozent ist die GVO-Analytik ungenau und die Ergebnisse gelten als wenig aussagekräftig. In der Regel wird deshalb eine zweite Untersuchung („B-Probe“) durchgeführt.
In einer gemeinsamen Erklärung werfen 13 in Deutschland tätige Maiszüchter den Behörden vor, ihre Erstuntersuchung nicht durch eine B-Probe abgesichert zu haben. Zudem hatte das betroffene Saatgutunternehmen Pioneer die Ergebnisse von Untersuchungen veröffentlicht, die es von unabhängigen Analytik-Unternehmen hatte durchführen lassen und bei denen „keine gentechnischen Veränderungen nachweisbar“ waren. Auch die Saatgutanerkennungsbescheide der Landwirtschaftskammer Niedersachsen bestätigen den betroffenen Saatgutpartien eine technische Reinheit von hundert bzw. 99,9 Prozent.
Der Fall hat die Diskussion um Schwellenwerte für „zufällige, technisch unvermeidbare“ GVO-Beimischungen in Saatgut neu belebt. Trotz mehrerer Anläufe ist es der EU bisher nicht gelungen, solche Schwellenwerte festzulegen. Verschiedene EU-Länder haben daher eigene Regelungen getroffen. So gilt im „gentechnik-kritischen“ Österreich für Saatgut die technische Nachweisgrenze von 0,1 Prozent als Schwellenwert. Auch in der von vielen Umwelt- und Verbraucherverbänden unterstützten Petition für ein „Reinheitsgebot bei Saatgut“ (Save Our Seeds) „gilt derzeit ein Grenzwert von 0,1 Prozent als verlässlich überprüfbare und einzuhaltende, technische Nachweisgrenze.“
Während die EU-Kommission von einem „de-facto-Schwellenwert“ von 0,1 Prozent ausgeht, verhalten sich in Deutschland die zuständigen Bundesländer uneinheitlich. Obwohl ein Leitfaden der Bund/Länder-Arbeitgemeinschaft Gentechnik GVO-Anteile unter 0,1 Prozent als „nicht vollzugsrelevant“ einstuft, wurde wie im aktuellen Fall bei Messergebnissen in dieser Größenordnung immer wieder eine Vernichtung nach der Aussaat angeordnet.
Viele Beobachter erwarten, dass kurzfristig auch in Deutschland ein Schwellenwert von 0,1 Prozent als verbindlich festgelegt wird. Die Pflanzenzüchter hatten wiederholt „praxisnahe“ und damit höherer Schwellenwerte gefordert.