Aussaat

30 Jahre Gentechnik-Pflanzen: In Europa verpönt, anderswo etabliert

Im Frühjahr 1995 brachten ein paar Farmer in den USA erstmals eine gentechnisch veränderte Pflanze auf ihre Felder – die berühmte Anti-Matsch-Tomate. Erfolg hatten sie damit nicht. Richtig los ging es dann mit Soja und Mais ein Jahr später. Seitdem sind die Flächen mit gentechnisch veränderten Pflanzen Jahr für Jahr gestiegen – auf 206 Millionen Hektar 2023. Anfangs konzentrierte sich der Anbau auf wenige große Agrarländer, inzwischen sind weitere in Afrika, Asien und Lateinamerika hinzugekommen. Die Ernten werden in alle Welt exportiert. Doch die EU bleibt skeptisch, in den meisten Mitgliedstaaten ist der Anbau von gv-Pflanzen verboten. Auch wenn sich die ganz großen Erwartungen nicht erfüllt haben – die so oft heraufbeschworenen Katastrophen und Negativszenarien sind nicht eingetreten.

GVO-Anbau weltweit 1996 bis 2023 nach Ländern
GVO-Anbau weltweit 1996 bis 2023 nach Pflanzen

Weltweite Anbauflächen gentechnisch veränderter Pflanzen 1996-2023 in Millionen Hektar; nach Ländern (oben) und Kulturarten (unten)

(Quelle Daten: AgbioInvestor GM Monitor); Großen Foto oben: Dusan Kostic, 123RF

Gentechnisch veränderte Pflanzen: Große Flächen, wenige Arten. Die berühmte Anti-Matsch-Tomate, mit der die Gentechnik vor dreißig Jahren auf die Äcker kam, war eigentlich ein Flop. Schnell verschwand sie wieder. Richtig los ging es erst 1996, als amerikanische Farmer die ersten transgenen Mais- und Sojabohnensorten aussäten. Seitdem sind die damit bewirtschafteten Flächen kontinuierlich gestiegen - nicht nur in den USA. 2023 summierten sie sich auf 206 Millionen Hektar – mehr als das Zwölffache der Agrarflächen Deutschlands.

Lange blieb der großflächige Anbau von gv-Pflanzen auf wenige große agrar-exportierende Länder in Nord- und Südamerika beschränkt. Hinzu kamen Indien und China, die sich bisher auf eine Kulturart – Baumwolle – konzentrieren sowie weitere Länder mit meist deutlich kleineren Flächen. Insgesamt haben 30 Länder Anbaugenehmigungen für gv-Pflanzen erteilt.

Bei einigen wichtigen Kulturarten tragen gv-Sorten inzwischen einen erheblichen Teil zur Welterzeugung bei: Etwa drei Viertel bei Soja und Baumwolle, ein Drittel bei Mais und Raps. 2023 stehen allein bei Sojabohnen gv-Sorten weltweit auf einer Fläche von 100 Mio Hektar, bei Mais sind es über 70 Mio ha. In den USA werden noch gv-Zuckerrüben und gv-Alfala (Luzuerne) auf größeren Flächen angebaut. Einige der frühen Entwicklungen wie die Anti-Matsch-Tomate oder die ersten gv-Kartoffeln mit einer Resistenz gegen Kartoffelkäfer sind längst wieder vom Markt verschwunden. Ein Leuchtturmprojekt aus den Anfangsjahren der grünen Gentechnik sind die seit 1998 angepflanzten Papayabäume auf Hawaii, die ohne die gentechnisch vermittelte Resistenz wohl alle einem verheerenden Virus zum Opfer gefallen wären.

Bei den gentechnisch neu eingeführten Eigenschaften ist es im Wesentlichen bei zwei Merkmalen geblieben: Resistenz gegen Schadinsekten (Bt-Pflanzen) sowie Toleranz gegenüber Herbiziden, wenn auch in verschiedenen Varianten und Kombinationen.

Weitere Merkmale – etwa Gene für Virusresistenzen, Trockentoleranz, veränderte Inhaltsstoffe und Produkteigenschaften – wurden inzwischen auf Kulturpflanzen übertragen und für den Anbau zugelassen, doch die damit bewirtschafteten Flächen fallen bisher kaum ins Gewicht. Dennoch: Neue gentechnisch veränderte Pflanzen sind bei Kartoffeln, Apfelbäumen, Auberginen, Zuckerrohr, Reis und Bohnen auf dem Markt, einige mit beachtlichem Erfolg. Und inzwischen hat in Argentinien der Anbau von gv-Weizen begonnen, der mit Trockenheit besser zurecht kommt als herkömmliche Sorten. Zulassungsanträge in weiteren Ländern sind gestellt.

Insektizideinsatz bei Mais in den USA bis 2018  Quelle:USDA/NASS

Weniger Insektizide im Maisanbau in den USA.

Baumwolle, Kleinbauer in Indien

Mehr Ertrag, weniger Insektizide: Der Anbau gentechnisch veränderter Baumwolle hat die Lebensbedingungen vieler Kleinbauern in Indien verbessert.

Bt-Aubergine, Shahajahan Ali

Weniger Schädlinge: Immer mehr Kleinbauern in Bangladesch entscheiden sich für Bt-Auberginen.
Fotos: Matin Qaim, GUA Göttingen; Cornell Alliance for Science

Vorteile für Landwirte und Umwelt. Die meisten Landwirte profitieren von gv-Sorten. Sie erzielen höhere Erträge, gleichzeitig sinken in den meisten Fällen die Kosten für Pflanzenschutzmittel. Das trifft sowohl für die großen Agrarbetriebe in den Industrienationen zu als auch für Kleinbauern vor allem in Indien, China und mittlerweile auch in anderen Entwicklungsländern.

Eine 2014 veröffentlichte Studie über die Erfahrungen in den USA zeigt, dass sich für die meisten US-Farmer trotz deutlich höherer Saatgutpreise der Anbau von gv-Sorten rechnet. Insektenresistente Bt-Pflanzen – vor allem Mais und Baumwolle – haben nicht nur den Insektizid-Einsatz drastisch reduziert, sondern auch höhere Erträge ermöglicht, da die Verluste durch Schädlingsbefall zurückgingen. Ganz ähnlich die Erfahrungen spanischer Landwirte.

Der Wechsel zu Bt-Mais - und ähnlich auch zu Bt-Baumwolle oder zu Bt-Auberginen in Bangladesch - hat sich fast überall für die Landwirte als ökonomisch richtig erwiesen. Zugleich werden deutlich weniger umwelt-belastende Insektizide ausgebracht. Anders als herkömmliche Pflanzenschutzmittel wirken die in gv-Pflanzen gebildeten Bt-Proteine sehr spezifisch nur gegen die jeweiligen Schädlinge, ohne andere Organismen oder Nützlinge zu gefährden.

Bei herbizidtoleranten gv-Sorten sind die Vorteile nicht so eindeutig: Hier nahm der Verbrauch von Herbiziden sogar wieder zu, vor allem weil sich in Folge von Anwendungsfehlern nach einiger Zeit resistente Unkräuter auf den Agrarflächen ausbreiteten. Das zu der jeweiligen gv-Pflanze passende Herbizid – vor allem Glyphosat – büßte damit seine Wirksamkeit ein. Die Folge: Die Landwirte spritzen wieder mehr oder andere Herbizide. Dennoch halten sie in den großen Agrarländern an dem Unkrautbekämpfungskonzept aus gv-Pflanzen und Komplementärherbizid fest. Es spart Zeit und ermöglicht, ganz oder teilweise auf das Pflügen verzichten. In den USA haben sich deswegen im Mais- und Sojaanbau bodenschonende Bearbeitungsverfahren durchgesetzt.

Nach einer Meta-Analyse, für die Göttinger Agrarwissenschaftler 147 Studien aus verschiedenen Ländern analysiert haben, stiegen die Ernteerträge mit dem Anbau von gv-Pflanzen durchschnittlich um 22 Prozent. Die Menge der eingesetzten Pflanzenschutzmittel ging insgesamt um 37, bei insektenresistenten Bt-Pflanzen sogar um 42 Prozent zurück. Die positiven wirtschaftlichen Effekte - mehr Ertrag und Einkommen - sind in den Entwicklungsländern deutlich ausgeprägter als in den Industrieländern.

Anbau und Import von Soja D, Zahlen 2022

Meist mit Gentechnik. Soja-Futter in Deutschland: Wenig eigener Anbau, viel Importe

Europa und gv-Pflanzen: Kein Anbau, aber über hundert Import-Zulassungen. Mit Ausnahme Spaniens und Portugal duldet Europa keine gv-Pflanzen auf den Feldern. Die meisten EU-Mitgliedstaaten – auch Deutschland – haben sich auf die nationalen Ausstiegsklauseln in den Gentechnik-Gesetzen der EU berufen und bei sich den Anbau aller gv-Pflanzen verboten – obwohl sie in der EU zugelassen und nach aktuellem Stand des Wissens als sicher eingestuft wurden. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern.

Gleichzeitig sind trotz hoher Zulassungshürden und komplizierter politischer Entscheidungsprozesse 102 verschiedene gv-Pflanzen (Events) für den Import in die EU zugelassen und dürfen hier uneingeschränkt zu Lebens- und Futtermitteln verarbeitet werden (Stand Oktober 2024). Aus Nord- und Südamerika importiert die EU jährlich 30 bis 35 Millionen Tonnen Sojabohnen, diese sind überwiegend gentechnisch verändert. Allein in Deutschland werden jährlich 2,6 Mio Tonnen Sojaschrot an Nutztiere verfüttert. Der größte Teil davon stammt aus Nord- und Südamerika, wo sich mit Ausnahme einzelner Regionen in Brasilien der Anbau von gv-Sojabohnen flächendeckend durchgesetzt hat (GVO-Anteil: 93 bis 99 Prozent).

Trotz dieser ökonomischen Realität sind in der Öffentlichkeit die Vorbehalte gegen Genfood nicht verschwunden. Nicht nur in Europa, sondern auch in Indien, den Philippinen und inzwischen sogar in den USA ist die Grüne Gentechnik gesellschaftlich umstritten. Das Misstrauen in das Sicherheitsversprechen der Wissenschaft ist gewachsen, aber auch die Sorge, mit gv-Pflanzen in Abhängigkeit von internationalen Konzernen zu geraten und die eigene Ernährungssouveränität einzubüßen.

ZDF-heute zu Genmais

Seralinis Ratten. „Erhöhtes Krebsrisiko durch Gen-Mais“ titelten die Medien über die Studie. Später wurde sie wegen gravierender wissenschaftlicher Mängel zurückgezogen.

Besondere Risiken durch Gentechnik: Oft befürchtet, nie bestätigt. Bisher gibt es in der Praxis weder Belege, noch begründete Hinweise auf besondere Gefahren durch gv-Pflanzen – weder für die Umwelt, noch für die Gesundheit von Menschen und Tieren. Allein aus der Nutzung gentechnischer Verfahren bei der Züchtung einer Pflanze lässt sich kein technologie-spezifisches Risikopotenzial ableiten, so die Ergebnisse aus zahlreichen Projekten der Sicherheitsforschung. Nicht das Verfahren entscheidet darüber, wie sich eine neu gezüchtete Pflanze in der Umwelt verhält oder ob sie zu einer nachhaltigen, ressourcenschonenden Landwirtschaft beitragen kann, sondern ihre jeweiligen neuen Eigenschaften.

Die Konzepte zur wissenschaftlichen Sicherheitsbewertung, die weltweit bei der Zulassung von gv-Pflanzen und den daraus gewonnenen Produkten angewandt werden, haben sich als tauglich erwiesen. Die derzeit genutzten gv-Pflanzen sind nicht weniger sicher als vergleichbare konventionelle Produkte. Das bestätigen auch die Stellungnahmen zahlreicher wissenschaftlicher Kommissionen und Gesellschaften. „Aus wissenschaftlicher Sicht ist eine pauschale Ablehnung gentechnisch veränderte Pflanzen aus Sicherheitsgründen nicht haltbar,“ so eine Stellungname der Leopoldina, der Nationalen Akademie der Wissenschaften. Dieser von einer großen Mehrheit der Wissenschaftler getragene Konsens wird auch durch eine Auswertung von knapp 1800 Studien und Untersuchungen zu verschiedenen Sicherheitsaspekten von gv-Pflanzen bestätigt.

Allerdings erregten einzelne Studien, deren Ergebnisse diesem Konsens zu widersprechen schienen, wiederholt die öffentliche Aufmerksamkeit. Etwa eine Studie des französischen Toxikologen Gilles-Eric Séralini, der bei einem Fütterungsversuch mit einem gv-Mais bei Ratten eine erhöhte Anfälligkeit für Tumore festgestellt haben wollte, oder eine österreichische Mehrgenerationen-Studie, bei der Mäuse weniger Nachkommen zur Welt brachten, wenn sie einen bestimmten gv-Mais im Futter hatten. Fast alle diese Studien wurden wegen wissenschaftlicher und anderer Mängeln später wieder zurückgezogen, ohne dass die Öffentlichkeit davon Notiz nahm.

Was Kritiker häufig als „Gentechnik-Unfälle“ darstellen, sind unerlaubte oder unbeabsichtigte Vermischungen von konventionellen und GVO-Produkten. So wurden etwa Spuren nicht zugelassener gv-Pflanzen in Reis, Mais oder Leinsamen gefunden. Bei den meisten dieser Fälle handelt es sich um Gesetzesverstöße und mangelnde Sorgfalt im Umgang mit GVO-Produkten, die oft große wirtschaftliche Schäden zur Folge hatten, aber keine Gefahr für Umwelt und Gesundheit darstellten.

CRISPR-Riegel

Was kommt? Die neuen Genome Editing-Verfahren wie die Gen-Schere CRISPR/Cas werden die klassische Gentechnik zurückdrängen.
Abb: Chris Labrooy, Nature

Immer mehr Gentechnik? Vieles deutet darauf hin, dass die nächsten zehn Jahre für die Grüne Gentechnik nicht einfach eine Fortschreibung der bisherigen Geschichte sein werden. Die kommerziell erfolgreichen Merkmale aus den Anfangsjahren der Gentechnik scheinen ausgereizt. Nun rücken bisher weniger wichtige Merkmale stärker nach vorn, etwa Stress- und Trockentoleranz, Resistenzen gegen Pilz- und Virenkrankheiten oder Anreicherung mit Nährstoffen. Mehrere afrikanischer Staaten geben sich gerade eigene Gentechnik-Gesetze und bauen geeignete Behörden auf. Erste Zulassungen zum Anbau solcher Pflanzen sind etwa in Kenia, Ghana und Nigeria erteilt worden.

Vor allem aber wird sich mit den gerade viel diskutierten neuen Züchtungsverfahren – insbesondere Genome Editing und CRISPR/Cas – vieles ändern. Vor allem dann, wenn einfache editierte Pflanzen ohne neu eingeführte Fremdgene rechtlich nicht als „gentechnisch verändert“ eingestuft werden, wozu sich außerhalb Europas fast alle großen Agrarländer entschieden haben. Die neuen genomischen Verfahren (Neue genomische Techniken (NGT)) sind einfacher, schneller, präziser und damit sicherer, die Zulassungsverfahren für solche Pflanzen entfallen oder sind erheblich einfacher. Die klassische Gentechnik wird an Bedeutung verlieren.

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