Sojabohnen 2

Genom-editierte Pflanzen in den USA: Vor dem Sprung auf den Acker

(13.02.2018) In den USA soll noch in diesem Jahr die erste Pflanze auf den Markt kommen mit Eigenschaften, die sie den neuen Genome Editing-Verfahren verdankt: Sojabohnen mit einem veränderten Fettsäureprofil. Die amerikanischen Behörden haben bereits entschieden, dass sie nicht unter die Gentechnik-Bestimmungen fallen. Damit wird der Marktzugang deutlich einfacher, schneller und kostengünstiger. Weitere mit der „Gen-Schere“ CRISPR editierte Pflanzen werden folgen. Europa muss sich auf diese Entwicklung einstellen.

Leindotter

Am I Regulated? In den USA können Unternehmen, aber auch Forschungseinrichtungen bei der zuständigen Abteilung der Landwirtschaftsbehörde USDA anfragen, ob neue Pflanzen, an denen sie arbeiten, unter die Gentechnik-Vorschriften fallen oder nicht. Bis Januar 2018 waren 59 solcher Anfragen eingegangen, viele bezogen sich auf Pflanzen mit neuen oder verbesserten Eigenschaften, die mit Genome Editing-Verfahren entwickelt wurden. Bei den meisten Anfragen kam die Behörde zu dem Ergebnis, dass die betreffenden Pflanzen im rechtlichen Sinnn nicht als GVO anzusehen sind. Das bedeutet etwa: Freilandversuche müssen nicht genehmigt werden, Zulassungen für den Anbau oder als Lebensmittel sind nicht erforderlich.

Foto (Camelina): Fornax/Wikimedia, großes Foto oben: Igor Stevanovic/123RF

EuGH

Gentechnik oder keine. In diesem Jahr wird der EuGH entscheiden, ob genome-editierte Pflanzen unter bestimmten Umständen von den Gentechnik-Vorschriften ausgenommen sind oder nicht. In ihrem aktuellen Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD vereinbart, im Anschluss an das Urteil Regelungen vonehmen zu wollen, „die das Vorsorgeprinzip und die Wahlfreiheit gewährleisten“.
Foto: EuGH

Die Pipeline ist gut gefüllt: Schon früh hat Calyxt, ein junges Bioscience-Unternehmen aus Minnesota (USA), auf die neuen Genome Editing-Verfahren gesetzt. Mit ihnen ist erstmals möglich geworden, an einer vorgegeben Stelle im Erbgut gezielt Mutationen herbeizuführen und so Pflanzen mit neuen oder verbesserten Eigenschaften zu entwickeln. An fünf Kulturarten – Sojabohnen, Weizen, Kartoffeln, Raps und Alfalfa (Luzerne) – arbeiten die Calyxt-Wissenschaftler. Sie konzentrieren sich dabei auf Eigenschaften, von denen sie erwarten, dass sie für Verbraucher besonders attraktiv sind, und auf solche, die Landwirten Vorteile bringen könnten.

Am weitesten fortgeschritten sind editierte Sojabohnen, bei denen zwei Gene blockiert wurden, so dass der Gehalt an Ölsäure um ein Mehrfaches höher liegt als bei gewöhnlichen Sojabohnen. Bei hohen Temperaturen wie beim Braten oder Frittieren entstehen so weniger Trans-Fettsäuren. Diese gelten als gesundheitlich bedenklich und müssen in den USA deklariert werden.

Noch in diesem Jahr will Calyxt die ölsäure-reichen Sojabohnen auf den Markt bringen. Weitere Genome Editing-Pflanzen, die bereits erste Entwicklungsschritte erfolgreich absolviert haben, sind mehltau-resistenter Weizen, besser lagerfähige Kartoffeln, Raps mit verbesserter Fettsäurezusammensetzung, Alfalfa, die Tiere besser verdauen können, aber auch Weizen oder Sojabohnen mit neuen Herbizidresistenzen.

Für fünf dieser Pflanzen hat die US-Landwirtschaftsbehörde (USDA) gegenüber Calyxt bescheinigt, dass sie nicht unter die Vorschriften für gentechnisch veränderte (gv-) Pflanzen fallen. Sie können damit ohne weitere Auflagen und Genehmigungen angebaut und zu Lebens- oder Futtermitteln verarbeitet werden.

Seit sieben Jahren können Unternehmen, aber auch Forschungseinrichten von der USDA offiziell überprüfen lassen, wie eine neu entwickelte Pflanze rechtlich einzustufen ist. Dazu müssen sie Informationen über die Verfahren und die damit erzielte Änderung in der DNA-Kette vorlegen. Wenn kein „artfremdes“ Genmaterial eingeführt wurde und die Pflanze „transgen-frei“ ist, erhalten die Unternehmen in der Regel grünes Licht. Bisher traf das für die meisten der eingereichten 59 Anfragen zu. (siehe Kasten)

Schon lange ist Calyxt, das auf TALEN, eine ältere und etwas komplizierte Variante des Genome Editings gesetzt hat, nicht mehr allein auf diesem Feld. Zuletzt haben weitere Unternehmen und öffentliche Forschungsprojekte, die mit der neueren, einfacheren CRISPR-Methode arbeiten, die offizielle Freigabe für editierte Pflanzen erhalten, etwa der Agrokonzern DuPont Pioneer für einen Wachsmais mit spezieller Stärkezusammensetzung, das Startup Yield10 Bioscience für ertragreichere Leindotter-Sorten (Camelina) oder Miracle-Gro für mehrere Gräser, die langsamer wachsen und weniger oft geschnitten werden müssen. Auch trockentolerante Sojabohnen und ein Mais mit einer Resistenz gegen Blattflecken, eine verbreitete Pilzkrankheit, sind bereits als nicht-GVO anerkannt, beide mit CRISPR entwickelt.

„CRISPR-editierte Pflanzen erreichen in Rekordzeit den Markt“, titelte Nature Biotechnology im Januar. Die gegenüber gv-Pflanzen deutlich niedrigeren Hürden sparen den Unternehmen Zeit und Geld. „Als gv-Pflanze hätte das Zulassungsverfahren für unsere Camelina mindestens sechs Jahre gedauert und uns 30 bis 50 Millionen Dollar gekostet“, so Yield10-Chef Oliver Peoples gegenüber Nature. „So haben wir nur zwei Jahre gebraucht, um unsere Anfrage vorzubereiten, und schon nach zwei Monaten hatten wir die Antwort der USDA.“

Spätestens in ein, zwei Jahren kommen in den USA weitere CRISPR- und TALEN-editierte Pflanzen auf die Felder, nicht nur spezielle Produkte wie Leindotter oder Gräser, sondern auch Sojabohnen, Mais, Weizen und Kartoffeln. In der Landwirtschaft und der anschließenden Verarbeitungskette werden sie genau so eingesetzt wie konventionelle Pflanzen. Zwar verfügen einige der editierten Sorten über Premium-Qualitäten und werden deswegen wohl auf separaten Flächen angebaut, dennoch sind zufällige Beimischungen in Massenprodukten wahrscheinlich. Europa – und andere Agrarimport-Länder – werden sich darauf einstellen müssen.

Denn anders als gv-Pflanzen lassen sich die meisten editierten Pflanzen analytisch nicht von gewöhnlichen, konventionellen Pflanzen unterscheiden, erst recht nicht als geringfügige Beimischungen in großen Agrarlieferungen. Die heute üblichen Importkontrollen auf Spuren von nicht in der EU zugelassenen gv-Pflanzen laufen bei genom-editierten Pflanzen ins Leere.

Mit den heutigen molekularbiologischen Analyseverfahren ist es zwar möglich, genetische Unterschiede zwischen einzelnen individuellen Pflanzen nachzuweisen. Doch in aller Regel ist nicht eindeutig festzustellen, worauf die jeweiligen genetischen Unterschiede zurückzuführen sind - ob auf eine zufällige, natürliche Mutation, Genome Editing oder andere Züchtungsverfahren. Sind wie in den meisten Fällen keine Fremdgene oder anderes von außen eingeführtes Genmaterial mehr vorhanden, ist eine editierte Pflanze von anderen analytisch nicht unterscheidbar.

Sollte sich Europa politisch doch noch dafür entscheiden, genom-editierte Pflanzen als GVO zu regulieren und den dafür geltenden Zulassungs- und Kennzeichnungsbestimmungen zu unterwerfen, hätte es ein Problem: Solche Vorschriften wären weder praktikabel, noch durchsetzbar. Keine Behörde und keine Task force könnte garantieren, dass nur solche genom-editierten Pflanzen auf den Markt kommen, die nach europäischen Vorschriften zugelassen sind. Die einzige Lösung wäre, den Agrarhandel mit den USA in bestimmten Sektoren vollständig einzustellen.

Noch ist nicht klar, ob die EU bei der Regulierung von Genome Editing tatsächlich einen Sonderweg einschlägt und sich damit massive Handelsprobleme beschert. Im Januar ist in einem von Frankreich angestrengten Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine wichtige Vorentscheidung gefallen: Der Generalanwalt hat sich in seiner Stellungnahme dafür ausgesprochen, dass editierte Pflanzen dann nicht unter die aktuellen Gentechnik-Vorschriften fallen, wenn sie auch unter natürlichen Bedingungen hätten entstehen können.

Das Urteil, das in der Regel dem Plädoyer folgt, wird im Laufe des Jahres erwartet.

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