Neues Gentechnik-Gesetz: Schein-Konflikt um Verbote
(21.10./ 02.12.2016) Auf Jahre hinaus ist der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Deutschland verboten. Dennoch wird gerade in der Politik wieder erbittert über die Grüne Gentechnik gestritten. Anlass ist eine erneute Änderung des Gentechnik-Gesetzes, auf die sich die Bundesregierung verständigt hat. Darin wird geregelt, wer in Zukunft Anbauverbote aussprechen darf und wie das geschehen soll. Praktische Auswirkungen hat das erst einmal nicht, denn gv-Pflanzen, die überhaupt für einen Anbau in Frage kommen, sind nicht in Sicht. Doch als politisches Symbol ist die Gentechnik offenbar unverzichtbar.
Harald Ebner, gentechnik-politischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Der Gesetzentwurf „ist ein offenes Einfallstor für die Gentechnik auf dem Acker“.
Deutschland: Schon alles verboten. Bereits 2009 wurde der gv-Mais MON810 verboten. Sollte der Anbau weiterer gv-Pflanzen in der EU erlaubt werden, ist Deutschland schon jetzt aus dem Geltungsbereich der Zulassungen ausgenommen. Das gilt für die gv-Maissorten MON810 (Erneuerungsantrag), TC1507, Bt11, GA21, 59122 sowie 1507x59122. Weitere Anträge wurden von den Unternehmen zurückgezogen. Derzeit ist in der EU keine gv-Pflanze im Zulassungsverfahren, deren Anbau in Deutschland noch nicht verboten wäre. (Stand: Oktober 2016)
Nationale Anbauverbote für gentechnisch veränderte Pflanzen sind seit 2015 im EU-Recht verankert. Die nach langen Diskussionen angenommene Richtlinie sieht dafür ein zweistufiges Verfahren vor. Länder mit Verbotsabsichten übermitteln diese über die Kommission an das Unternehmen, das den Zulassungsantrag gestellt hat. Dieses kann dann vorn vornherein das betreffende Land aus dem Geltungsbereich einer späteren Zulassung herausnehmen. Nur wenn sich das Unternehmen querstellt, kann ein förmliches Verbotsverfahren eingeleitet werden.
Doch bisher ist das in keinem Fall geschehen. Die großen Agro-Unternehmen haben Europa längst als wichtigen Markt aufgegeben. Sie haben akzeptiert, dass mit Ausnahme weniger Länder wie Spanien oder Großbritannien vor allem bei den Konsumenten gv-Pflanzen nicht erwünscht sind. Die meisten Anträge für Anbauzulassungen in Europa sind inzwischen zurückgezogen.
Derzeit stehen noch für sechs verschiedene gv-Maislinien Zulassungsentscheidungen an. In allen Fällen haben die Unternehmen den Verbotsabsichten der Länder entsprochen – auch für Deutschland. Weitere Anbau-Anträge liegen nicht vor und sind auch nicht zu erwarten, da sich für die Unternehmen die langen und politisch unberechenbaren Zulassungsverfahren nicht lohnen.
Die gentechnik-kritische Bewegung hat ihr Ziel erreicht. In Deutschland – wie auch in 16 weiteren EU-Ländern und zwei Regionen - ist der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen verboten. Dennoch eskaliert nun erneut der politische Streit, so als ob es tatsächlich noch um eine grundsätzliche Entscheidung für oder gegen die Grüne Gentechnik gehen würde.
Anlass ist eine Änderung des Gentechnik-Gesetzes, mit der die europäischen Anbauverbote in nationales Recht umgesetzt werden sollen. Nach langem Hin und Her hinter den Kulissen hat das Bundeskabinett den zwischen den Regierungsparteien ausgehandelten Kompromiss angenommen. Nun müsen sich noch Bundestag und Bundesrat damit befassen. Umstritten ist dabei vor allem, wer künftig Anbauverbote einleiten und - falls sich die Unternehmen dagegen sperren - durchsetzen soll: Die Bundesländer, wie von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) favorisiert, oder die Bundesregierung, wie es die SPD-geführten Ministerien und der Bundesrat wollten. Herausgekommen ist ein Kompromiss, der sowohl den Bund wie die Länder in den Entscheidungsprozess einbindet.
Jetzt laufen Umwelt- und Bioverbände dagegen Sturm. Die Grünen inszenieren sich bei der ersten Lesung im Bundestag, als seien sie die einzigen, die sich einem Dammbruch hin zu gentechnisch veränderten Pflanzen auf deutschen Feldern entgegenstellten. Für den Abgeordneten Harald Ebner ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung ein „großer Schwindel“, der „Schlupflöcher und Hintertüren“ öffne. „Da reiben sich die Gentech-Konzerne die Hände.“
Gleichzeitig fordern die Grünen von der Bundesregierung, über die bereits wirksamen nationalen Verbote hinaus gegen die Zulassung der betreffenden gv-Pflanzen auf EU-Ebene zu stimmen. Damit soll auch der Anbau dieser Pflanzen in anderen Ländern ausgeschlossen werden. Das „Selbstbestimmungsrecht“ – in der Debatte um die Einführung der nationalen Ausstiegsklausel oft bemüht - zählt nun nicht mehr, denn „Gen-Pollen kennt keine Grenzen“ – als ob einzelne Pollen aus zugelassenen und als sicher eingestuften gv-Pflanzen tatsächlich eine akute Gefahr darstellen würden.
Der Anbau von gv-Pflanzen ist in weiten Teilen Europas auf Jahre hinaus verboten – aber die Grünen und viele Umwelt- und Verbraucherorganisationen können von der Grünen Gentechnik nicht lassen. Als gefährliches, Angst einflößendes Monster hat sie noch lange nicht ausgedient.
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Themen
Im Web
- Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes. Drucksache 18/10459; Stand 28.11.2016
- Übersichtsseite der EU-Kommission zu nationalen Anbauverboten, aktueller Stand
- RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den Anbau von genetisch veränderten Organismen (GVO) auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen
- Novelle des Gentechnik-Gesetzes, Debatte im Deutschen Bundestag 20.10.2016