Weißmais

US-Behörden: Mit CRISPR gezüchtete Pflanzen sind keine Gentechnik - Erste Produkte bald auf dem Markt

(25.04.2016) In fünf Jahren soll in den USA ein neuer, ertragreicher Wachsmais auf den Markt kommen. Das Besondere: Er verdankt seine neuen Eigenschaften einer mit Hilfe das CRISPR/Cas-Verfahrens herbeigeführten Punktmutation. Diese neue Technik hat nicht nur die Pflanzenforschung weltweit in eine Aufbruchsstimmung versetzt, sondern auch neue Perspektiven für die praktische Pflanzenzüchtung eröffnet. Die US-Behörden haben bereits entschieden, dass dieser Wachsmais nicht als „gentechnisch verändert“ einzustufen ist und er damit keinen besonderen gesetzlichen Auflagen unterliegt. Doch er ist nicht das einzige Produkt, bei dem die neuen Genome Editing-Verfahren zur Anwendung kommen.

Bisher ist der Anbau von Wachsmais für Landwirte wenig attraktiv. Während beim herkömmlichen Gelbmais die Stärke zu 70 Prozent aus Amylopektin und zu 30 Prozent aus Amylose besteht, liefert Wachsmais fast ausschließlich Amylopektin (99 Prozent). Deswegen eignet sich Wachsmais für hochwertige Stärkeprodukte, etwa zum Verdicken in Fertiglebensmitteln und Babynahrung, aber auch für industrielle Spezialstärke. Allerdings haben die heute verfügbaren Wachsmais-Sorten einen Nachteil: Ihre Erträge sind deutlich geringer als bei Gelbmais.

Weizen

Weizen mit Mehltau. In den USA ist es gelungen, mit TALEN eine Resistenz gegen diese Pilzkrankheit zu erzeugen. Der Weizen gilt nicht als GVO.
Foto: Konsortium-Weizen.ch

Rosa Ananas 2

Pink Pinapple sind zwar gentechnisch verändert, in den USA aber von Zulassungsvorschriften befreit. Angebaut werden sie in Costa Rica und von dort in die USA exportiert.
Foto: Peggy Greb, USDA/ARS

Diesen Nachteil hat der neue Wachsmais nicht. Er ist das erste Produkt, das aus der strategischen Allianz des Agrokonzerns DuPont Pioneer mit dem kalifornischen Technologieunternehmen Caribou hervorgegangen ist. Caribou Bioscience, gegründet von Jennifer Doudna, Mit-„Entdeckerin“ von CRISPR/Cas, sieht sich an „vorderster Front einer technologischen Revolution“ und will das „riesige Potenzial“ dieses bahnbrechenden Verfahrens in verschiedenen Anwendungsfeldern nutzen - auch für die Landwirtschaft.

Bei dem neuen Wachsmais wurde in einer ertragreichen Gelbmaissorte ein bestimmtes, die Stärkebildung steuerndes Gen (Wx1) ausgeschaltet. Dafür wurden die molekularen CRISPR-Werkzeuge – eine Sonde (Guide RNA), um die genaue Zielsequenz im Wx1-Gen zu finden, sowie das daran gekoppelte Schneideprotein Cas9 – eingeführt. Sie durchtrennten an der vorbestimmten Stelle den DNA-Strang. Bei der anschließenden Reparatur wurden – genau wie bei einer natürlichen Mutation – einzelne DNA-Bausteine entfernt (knockout). Dadurch kann das Wx1-Gen nicht mehr richtig abgelesen werden. Die Folge: Das Wx1-Gen ist „abgeschaltet“, in den Maiskörnern bildet sich nur noch Amylopektin-Stärke – ein neuer Mais, genau so ertragreich wie Gelbmais, aber mit der hochwertigen Stärkezusammensetzung von Wachsmais.

In fünf Jahren will DuPont Pioneer den Wachsmais in den USA auf den Markt bringen. Besondere gesetzliche Bestimmungen werden für ihn nicht gelten. Der Wachsmais falle nicht unter das amerikanische Regulierungssystem für gentechnisch veränderte Pflanzen, schrieb die Landwirtschaftsbehörde USDA in einem offiziellen Brief an DuPont Pioneer. Nach der Editierung des Wx1-Gens enthielten die Nachkommen dieser Maispflanzen keine Bestandteile der CRISPR-Werkzeuge. Der einzige Unterschied zu herkömmlichem Mais sei die herbeigeführte Mutation - das blockierte Wx1-Gen.

CRISPR Cas9

Genome Editing mit dem CRISPR/Cas-System. In den USA gelten editierte Pflanzen nicht als GVO, sofern sie vollständig frei von „fremder“ DNA sind. In der EU ist diese Frage noch offen. Bis Ende des Jahres will die EU-Kommission eine Legal Notice dazu vorlegen, ob und welche editierten Pflanzen nach den geltenden europäischen Gentechnik-Vorschriften als GVO anzusehen sind.

Ähnliche Bescheide hat die USDA schon mehrfach erteilt, etwa für einen an der Pennsylvania State University entwickelten Speisepilz, bei dem mit CRISPR ein für eine unerwünschte Braunfärbung verantwortliches Gen abgeschaltet wurde. Auch einige von Calyxt (vormals: Cellectis Plant Science), einem Technologie-Start up aus Minnesota, entwickelte Pflanzen fallen nicht unter die Vorschriften, wie sie in den USA für gentechnisch veränderte Pflanzen gelten. Calyxt nutzt nicht CRISPR/Cas für das Genome Editing, sondern TALEN, ein etwas älteres und komplizierteres Verfahren. Damit hat Calyxt bei Weizen eine Resistenz gegen Mehltau, eine weit verbreitete Pilzkrankheit, erzeugt, indem ein bestimmtes Gen (MLO) für ein Protein abgeschaltet wurde, über das der Pilz in die Zellen eindringt. Auch Sojabohnen, bei deren Verarbeitung weniger Trans-Fettsäuren entstehen, Kartoffeln, deren Produkte geringere Acrylamid-Gehalte aufweisen oder Weizen mit geringerem Glutengehalt befinden sich in der Entwicklung. Einige dieser mit TALEN editierten Pflanzen werden bereits in Freilandversuchen getestet. Die meisten fallen nach Auffassung der Behörden nicht unter die amerikanischen Gentechnik-Gesetze.

In den letzten fünf Jahren sollen nach einem Nature-Artikel etwa 30 „neuartige“ Pflanzen entwickelt oder gar schon auf den Markt gekommen sein, ohne dass sie das für gv-Pflanzen vorgeschriebene Zulassungsverfahren haben durchlaufen müssen. Einige dieser Pflanzen sind mit Genome Editing, andere mit gentechnischen Verfahren verändert worden. Entsprechende Anfragen (Regulated Article Letters of Inquiry) der jeweiligen Forschungseinrichtungen oder Unternehmen wurden von der USDA in der Regel als nicht regulierungsbedürftig beschieden: Die Behörde hatte die jeweilige Pflanze mit ihren Veränderungen darauf geprüft, ob sie die Voraussetzungen erfüllen, unter denen die US-Gesetze eine gentechnik-rechtliche Zulassung vorschreiben. So darf etwa eine rosa Ananas (Pink Pinapple) des Fruchtkonzerns Del Monte ohne Auflagen vermarktet werden, weil die neu eingeführten Gene aus anderen Nahrungspflanzen stammen, nicht aber aus potenziellen Schädlingen oder Krankheitserregern.

Inzwischen gilt das in den 1980er-Jahre eingeführte Gentechnik-Recht als überholt. Ähnlich wie in Europa teilen auch in den USA Behörden und viele Wissenschaftler die Ansicht, dass die raschen Fortschritte in der Molekularbiologie eine gründliche Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen erforderlich machen. Schon vor einiger Zeit haben die zuständigen US-Behörden einen Reformprozess eingeleitet. Nun haben sie die US National Academies of Science, Engineering and Medicine damit beauftragt, bis Ende des Jahres einen Bericht über die in den nächsten fünf bis zehn Jahren zu erwartenden Entwicklungen in der Biotechnologie vorzulegen, um daraus Schlussfolgerungen für die Regulierung neuer Pflanzenzüchtungsverfahren abzuleiten.

In Europa dagegen scheint es so, als solle das 25 Jahre alte Gentechnik-Recht weiterhin Bestand haben. Um es der dynamischen wissenschaftlichen Entwicklung anzupassen, fehlt es an politischem Willen und mehrheitsfähigen Konzepten.


Fortgeschrittene Pflanzenprojekte mit CRISPR/Cas und anderen Genome Editing-Verfahren. (Beispiele für neuartige Pflanzen, die in den USA nicht unter die Gentechnik Regulierung fallen)

Wachsmais Stärke CRISPR/Cas DuPont Pioneer Bescheid: kein GVO Markteinführung in fünf Jahren
Speisepilze nicht braun anlaufend CRISPR/Cas Penn State Bescheid: kein GVO Vermarktung unklar
Weizen Resistenz gegen Mehltau TALEN Calyxt Bescheid: kein GVO Freilandversuche
Weizen weniger Gluten TALEN Calyxt noch kein Antrag gestellt Forschung
Sojabohnen weniger Trans-Fettsäuren TALEN Calyxt Bescheid: kein GVO Freilandversuche
Kartoffeln Produkte weniger Acrylamid TALEN Calyxt Bescheid: kein GVO Freilandversuche
Ananas rosa Farbe Gentechnik (RNAi) Del Monte USDA: keine Zulassung als GVO erforderlich Freilandversuche
Hirse Optimierung Bioenergie Gentechnik Ceres USDA: keine Zulassung als GVO erforderlich auf dem Markt

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