Grüne Gentechnik in China: Zögern vor dem großen Sprung
(11.01.2016) China geht bei der Grünen Gentechnik einen Sonderweg. In keinem anderen Land der Welt fließt so viel Geld in die staatlich geförderte Pflanzenforschung wie in China. Dennoch werden offiziell bisher kaum gentechnisch veränderte Pflanzen für die Nahrungsmittelversorgung angebaut. Das könnte sich bald ändern. Mehrere einheimische Unternehmen streben offenbar die Markteinführung von Bt-Mais an. Auch bei Weizen könnte die Forschung bald Früchte tragen. Zudem hat die chinesische Regierung eine Änderung der Gentechnik-Gesetze eingeleitet.
In den jährlichen globalen Anbaustatistiken für gentechnisch veränderte Pflanzen spielt China nur eine Nebenrolle. Großflächig genutzt wird fast nur Baumwolle, doch das in großem Stil: Inzwischen steht gv-Baumwolle in China auf einer Fläche von 3,9 Millionen Hektar (2014), 93 Prozent der nationalen Produktion. Anders als noch zu Beginn des Gentechnik-Anbaus wird das gesamte Saatgut heute von chinesischen Firmen produziert. Ende der 1990er Jahre wurden gv-Sorten zwar noch bei weiteren Nahrungspflanzen – Tomaten, Paprika, Papaya - zugelassen, doch in der Landwirtschaft etabliert sind nur Papayas mit einer gentechnisch vermittelten Virusresistenz. Sie werden in drei Regionen angebaut – 2014 immerhin auf 8500 Hektar.
Unerlaubter Gentechnik-Mais in China. Greenpeace Eastasia hat in der chinesischen Provinz Liaoning Saatgut, Getreide und Lebensmittel auf Verunreinigungen mit in China nicht zugelassenem gv-Mais untersucht. 26 von 28 Proben waren nach Angaben von Greenpeace GVO-positiv. Es soll sich um verschiedene gv-Mais-Events internationaler Agrarkonzerne handeln. Wie der gv-Mais nach China und dort in die Lebensmittelkette gelangen konnte, ist bisher unklar.
Foto: Maiskolben in Bejing, Oktober 2012 (Wikimedia, CC BY-SA 2.0)
Großes Foto oben: iStockphoto
Bisher ist in China keine gv-Pflanze für den Anbau zugelassen, die im Ausland entwickelt worden ist. Daran wird sich auch nichts ändern. Seit einigen Jahren ist es das erklärte Ziel der chinesischen Führung, die Pflanzenbiotechnologie allein mit nationalen Kräften auszubauen. „Es muss ausgeschlossen sein, dass ausländische Unternehmen den Markt für Agrobiotechnologie dominieren,“ sagte Staatspräsident Xi Jinping bei einer Rede auf einer Agrarkonferenz des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei. So sind im Bereich der Grünen Gentechnik ausländischen Unternehmen direkte Investitionen untersagt. Auch eigene Forschungsprojekte dürfen sie in China nicht mehr durchführen. Erlaubt sind Joint Ventures mit chinesischen Unternehmen, wenn sie auf konventionelle oder Hybridzüchtung beschränkt sind.
Doch auch für chinesische Entwicklungen war seit einigen Jahren der Marktzugang politisch versperrt. Zwar erteilte das Landwirtschaftsministerium 2009 Sicherheitszertifikate für zwei nationale Produkte – und erneuerte sie 2014 -, doch eine landwirtschaftliche Nutzung wurde bis heute nicht erlaubt. Dabei handelte es sich um Bt-Reis mit Resistenz gegen Fraßinsekten und ein mit Phytase angereicherter Mais, der die Futterwertung verbessern und vor allem die Umweltbelastungen durch Gülle verringern soll.
Offenbar fürchtete die chinesische Regierung die gegenüber der Gentechnik zunehmend kritischer eingestellte öffentliche Meinung, vor allem im Mittelstand. „Biotechnologie ist neu und die Versprechungen groß,“ so Präsident Xi auf der Agrarkonferenz. „Dass sie in der Gesellschaft Zweifel weckt und zu Diskussion führt, ist normal.“ Eine kommerzielle Anwendung solle nur erlaubt werden, wenn die Sicherheit garantiert und sie für China ein Fortschritt sei.
Nach Xis Rede startete die Regierung ein Programm, um sowohl die politisch Verantwortlichen in den ländlichen Regionen als auch die Öffentlichkeit mit der Grünen Gentechnik besser vertraut zu machen. Das Landwirtschaftsministerium leitete Änderungen an den in China geltenden Gentechnik-Rechtsvorschriften ein. Künftig soll bei der Sicherheitsbewertung wie bei Zulassungsentscheidungen die Öffentlichkeit stärker einbezogen werden, etwa durch die Möglichkeit, Einwände einzureichen. Auch sollen soziale und wirtschaftliche Aspekte stärker berücksichtigt werden. Im Oktober 2015 sind neue Vorschriften zur Kennzeichnung in Kraft getreten. Künftig müssen bestimmte Lebensmittelprodukte aus Mais, Soja und Raps gekennzeichnet werden, wenn sie aus gv-Pflanzen hergestellt sind. Ähnliches gilt für Baumwollsaat, Tomaten und Tomatenprodukte.
Inzwischen zeichnet sich ab, dass die politisch verordnete Pause für die Grüne Gentechnik in China bald vorbei sein könnte. Wie aus dem aktuellen Report des Auslandsdienstes des US-amerikanischen Landwirtschaftsministeriums (GAIN-Report) hervorgeht, bereiten mehre chinesische Unternehmen Zulassungsanträge für verschiedene gentechnisch veränderte Bt-Maise vor. Bis zu einer Kommerzialisierung dürfte es allerdings noch drei bis fünf Jahre dauern.
Bei den in China wichtigsten Nahrungspflanzen werden neue, mit gentechnischen Verfahren verbesserte Varianten bereits im Freiland getestet, neben Mais und Reis auch Sojabohnen und vor allem Weizen. Nach Berichten des chinesischen Landwirtschaftsministeriums befinden sich elf verschiedene Weizen-Events mit neuen Merkmalen für Stresstoleranz sowie vier mit einer verbesserten Proteinzusammensetzung in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium.
Der aktuelle nationale Wissenschafts- und Technologie-Report listet 585 geförderte Biotechnologie-Projekte in der Tier- und Pflanzenzüchtung auf. 2008 hatte China ein über 15 Jahre laufendes staatlich finanziertes Forschungsprogramm über insgesamt 3,5 Milliarden US-Dollar aufgelegt. Kein anders Land auf der Welt investiert so viel in die biotechnologische Agrarforschung wie China.
Beim Import von Futtermitteln ist China jedoch in steigendem Maße abhängig von den großen Agrarerzeugern in Nord- und Südamerika. Die Nachfrage nach Fleisch und damit der Bedarf an Futtermitteln ist in den letzten Jahren enorm gestiegen: Allein die Zahl der Schweine in China hat sich seit 1968 von fünf auf 500 Millionen vervielfacht. Dazu kommen 13 Milliarden Hühner und anderes Geflügel. Jährlich führt China mehr als 70 Millionen Tonnen Sojabohnen ein, vor allem aus Brasilien und den USA. Bei Mais dagegen sind die Einfuhren zuletzt gesunken, da China die nationale Maiserzeugung gesteigert hat und der zweitgrößte Maiserzeuger nach den USA geworden ist.
Offiziell gilt in China ähnlich wie in der EU eine Nulltoleranz für nicht zugelassene gv-Pflanzen. Daher hat es mehrfach Probleme bei der Einfuhr gegeben, als Agrarlieferungen wegen solcher Funde von chinesischen Behörden zurückgewiesen wurden. Derzeit sind 41 verschiedene gv-Pflanzen – Sojabohnen, Mais, Raps, Zuckerrüben, Baumwolle – für den Import nach China zugelassen.
Trotz dieser strikten Politik sind mehrfach GVO-Verunreinigungen in chinesischen Agrarprodukten bekannt geworden. 2014 berichteten Medien über unzureichende Kontrollen bei Freilandversuchen mit gv-Mais in der Provinz Hainan. Bei einer offiziellen Untersuchung wurden in 13 von 15 auf verschiedenen Versuchsfeldern genommen Proben unzulässige GVO-Verunreinigungen gefunden. Ende der 2000er Jahre waren auch in Reis Gentechnik-Spuren festgestellt und der Import nach Europa zeitweise eingeschränkt worden. Aktuell will Greenpeace in verschiedenen Produkten gv-Mais ausländischer Hersteller nachgewiesen haben (siehe Kasten links).