Pflanzenforschung

Patente auf Tiere und Pflanzen: Eigentlich nicht erlaubt

Konzerne, die dank Patenten Nahrungspflanzen unter ihre Kontrolle bringen, Landwirte, die zu Zahlung von Lizenzgebühren gezwungen werden - auch wenn es oft nicht stimmt: Solche Geschichten zeigen, dass Patente auf Pflanzen oder Tiere kritisch gesehen werden. In der Tat: Das Patentrecht ist kompliziert und selbst unter Experten strittig. Doch in Europa ist die Praxis bei Biopatenten inzwischen deutlich restriktiver geworden.

Patente Biotechnologie

Biotechnologie-Patente. Nur vier Prozent der im Bereich der Biotechnologie erteilten Patente beziehen sich auf die Landwirtschaft.

(Quelle: Europäisches Patentamt (EPA)

Nutzpflanzen: Erteilte Patente und Patentanmeldungen

Mehr Anmeldungen, weniger Patente bei Nutzpflanzen. Biopatente-Monitoring 2013-2019

Im Grundsatz ist es klar: Patente auf Tiere und Pflanzen sind verboten, zumindest, wenn diese konventionell gezüchtet worden sind. Das hat der Deutsche Bundestag im Juni 2013 beschlossen. Ebenso dürfen herkömmliche Züchtungsverfahren nicht patentiert werden. Auch auf europäischer Ebene ist die Rechtslage ähnlich.

Maßgebend für die Praxis bei „Patenten auf Leben“ ist die 1998 beschlossene Europäische Richtlinie für Biopatente (98/44/EG). Auf dieser Grundlage arbeitet auch das Europäische Patentamt (EPA) in München, das darüber entscheidet, ob eine Erfindung in der EU als Patent anerkannt wird.

Nach der EU-Biopatent-Richtline sind von der Patentierung ausgeschlossen:

  • Pflanzensorten und Tierrassen,
  • im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren.

Doch: Unter bestimmten Voraussetzungen kann sich ein Patent auch auf Tiere oder Pflanzen - erst recht auf Mikroorganismen - erstrecken. Patentiert werden darf „biologisches Material“,

  • wenn es tatsächlich eine Erfindung darstellt - also nicht einfach „in der Natur“ vorgefunden wurde - und wenn diese gewerblich anwendbar ist;
  • wenn es sich bei der Erfindung um ein „mikrobiologisches Verfahren“ handelt, dessen Anwendung sich nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt.

Werden etwa durch ein neues mikrobiologisches Verfahren („Erfindung“) Tiere oder Pflanzen mit bestimmten Eigenschaften erzeugt, dann können auch diese unter den Patentschutz fallen, ebenso die Nachkommen dieser Tiere oder Pflanzen. Ein solches Patent kann aber immer nur das Saatgut der mit dem jeweiligen „neu erfundenen“ Verfahren gezüchteten Pflanzen einschließen, nie alle anderen Pflanzen einer Kulturart.

Doch die Unterscheidung, ob eine Pflanze mit einer technischen Erfindung (patentierbar) und durch ein „im Wesentlichen biologisches Verfahren“ (nicht patentierbar) gewonnen wurde, ist im Einzelfall nicht ganz einfach. Große Agrarkonzerne sehen das oft anders als kleinere Züchtungsunternehmen oder gentechnik-kritische Aktionsgruppen („Kein Patent auf Leben“).

Patente: Ausgleich zwischen Exklusivrechten der Erfinder und technischem Fortschritt

Ein Patent gewährt einem Erfinder das Recht, seine Erfindung über einen bestimmten Zeitraum (20 Jahre) exklusiv zu nutzen und von anderen Anwendern Lizenzgebühren zu verlangen. Dafür muss der Patentinhaber im Gegenzug seine Erfindung veröffentlichen. Die Aussicht auf ein Patent soll ein ökonomischer Anreiz für Innovationen sein und den „technischen Fortschritt“ fördern.

Patentiert werden können nur Erfindungen, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.

Mit dem Aufkommen der Biotechnologie erstreckt sich die Patentierung auch auf Erfindungen, die sich auf Tiere, Pflanzen, Zellkulturen, Mikroorganismen oder Genkonstrukte beziehen.

Welche Züchtungsverfahren sind „im Wesentlichen biologisch“ und damit nicht patentierbar?

Pflanzen und Tiere, die traditionell durch Kreuzen und anschließende Selektion gezüchtet wurden, sind grundsätzlich von der Patentierung ausgeschlossen. Dagegen fallen spezifische gentechnische Verfahren - etwa um Gene in ein Pflanzen-Genom einzuführen und somit neue Eigenschaften hervorzurufen - meist unter Patentschutz. Ähnliches gilt für die neuen Genome Editing-Verfahren: Sie sind in der Regel patentiert. Wer sie nutzen will, muss dafür Lizenzgebühren bezahlen.

Heute werden in der Tier- und Pflanzenzüchtung sowohl klassische, als auch neue molekularbiologische Verfahren genutzt. Die neu eingeführten Merkmale sind oft nicht allein einem bestimmten Verfahren zuzuordnen, sondern einem Mix aus „biologischen“ und „mikrobiologischen“. Was ist ein in der Natur vorhandener molekularer Mechanismus, was eine patentfähige Erfindung? Dafür reicht es nicht aus, die betreffende Gen-Sequenz zu entschlüsseln, sondern es muss damit ein neues technisches Verfahren entwickelt worden sein. Hier sind die Grenzen fließend.

Eine Zeit lang hat das Europäische Patentamt (EPA) recht großzügig auch auf überwiegend konventionell gezüchtete Pflanzen Patente erteilt. Nicht nur NGOs, auch andere Unternehmen haben gegen solche Patente Beschwerde eingelegt - in vielen Fällen erfolgreich.

Nach und nach ist die Praxis des Europäischen Patentamts (EPA) restriktiver geworden. Im Juni 2017 erfolgte eine „rechtliche Klarstellung“, wonach „Pflanzen und Tiere, die ausschließlich durch im Wesentlichen biologische Züchtungsverfahren gewonnen werden, nach dem Europäischen Patentübereinkommen von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind.“ Patente auf Züchtungsverfahren, die klassische Züchtungsschritte wie Kreuzung und Selektion beinhalten, sind nun gesetzlich verboten. Auch auf markergestützte Züchtungsverfahren werden keine Patente mehr erteilt.

Im Mai 2020 bestätigte die Große Beschwerdekammer, die höchste gerichtliche Instanz des Europäischen Patentamts, diese Auslegung. EPA-Präsident António Campinos begrüßt die Entscheidung. „Dadurch erhöht sich die Rechtssicherheit für Patentanmelder und die breite Öffentlichkeit in einer heiklen und komplexen Frage, die rechtliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen hat.“

Jährlich werden beim EPA etwa 300 Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen angemeldet, jedoch nur 70 auf konventionell gezüchtete Pflanzen. Von diesen wurden nur wenige Patente am Ende tatsächlich erteilt. In den letzten Jahren ist die Zahl der Patentenanmeldungen zwar gestiegen, doch immer weniger davon führen am Ende auch zu einem rechtskräftigen Patent (siehe Grafik unten).

Zudem werden viele erteilte und angemeldete Patente vom Europäischen Patentamt (EPA) als „beobachtungswürdig“ eingestuft. Dabei handelt es sich um solche, bei „denen die Möglichkeit eines Patentierungsverbots nach dem Patentgesetz besteht.“ Meist sind es Grenzfälle zwischen patentfähigen und nicht patentfähigen Verfahren, oder es ist strittig, ob sich ein Biopatent eindeutig auf eine „technische Erfindung“ bezieht. 2019 ordnete das EPA 111 Patentanmeldungen (von 300) und fünf erteilte Patente (von 115) bei Nutzpflanzen als beobachtungswürdig ein, bei Tieren waren es nur neun von 185 Anmeldungen (siehe Kasten Biopatente-Monitoring rechts).

Seit vielen Jahren hat sich in der Pflanzenzüchtung ein anderes, offeneres Konzept bewährt: der Sortenschutz. Für die meisten Züchter in Deutschland und Europa ist das Sortenrecht das Mittel der Wahl, um sowohl den Schutz geistigen Eigentums als auch den züchterischen Fortschritt zu sichern. Ähnlich wie das Patentrecht gewährt es dem Züchter das exklusive Nutzungsrecht auf seine Sorte. Doch es ist weniger eng gefasst: Andere Züchter dürfen mit der geschützten Sorte weiterzüchten, ohne dafür eine Erlaubnis zu benötigen (Züchterprivileg).

In den USA und anderen Staaten gibt es ein vergleichbares Sortenrecht nicht, daher spielen dort Patente eine größere Rolle. Dagegen schätzen europäische Züchter und Landwirte das vertraute Instrument des Sortenschutzes und befürchten, es könne durch eine Ausweitung des Patentschutzes abgewertet werden.

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